Der Hafenkran, die Glocke beim Zollhaus, eine frühere Burgstelle und vieles mehr gehören zu Orten, Dingen und Themen aus der Geschichte von Ludwigshafen, die nicht vergessen werden sollen. Deshalb gehen einige Ludwigshafener der Geschichte auf die Spur, um die Erinnerungen und Erzähltradition aufrecht zu erhalten.
Die Initiatoren Daniel Trisner, Victor Lindenmayer, Andreas Eppler und Jürgen Beirer von der Dorffreundschaft Maygas-Ludwigshafen haben dafür das Mitmachprojekt Seeend-Geschichten aus der Taufe gehoben. Auf der Internetseite gehen regelmäßig Beiträge online, jüngst zum Beispiel über das Häfler Fischerlied und die Firma Tox, die früher dort stand, wo heute der Supermarkt ist. Die vier Männer sind die Autoren und schreiben einerseits aus eigenen Erinnerungen und Forschungen oder fassen die Erzählungen anderer in Worte. Lindenmayer ergänzt, dass jemand sogar handschriftlich einen Text abgegeben habe.
Rund 60 Beiträge und mehr in Arbeit
Das Portal wächst Woche um Woche und Beitrag um Beitrag. Inzwischen stehen rund 60 Beiträge in verschiedenen Kategorien wie Plätze, Straßen oder Persönlichkeiten auf der Internetseite. „Und wir haben noch weitere in der Pipeline“, sagt Daniel Trisner. Die Suche nach Erinnerungen und Fotos geht stets weiter. „Wir vermuten, dass es noch viel Material gibt.“
Es gebe Vieles, das man die Eltern und älteren Mitbürger fragen könnte und diese erzählen könnten. Bevor manche Senioren in einigen Jahren vielleicht nicht mehr leben, sollen die Erinnerungen und das Wissen über den Ort bewahrt werden. Und durch das Projekt erfahren sogar Trisner und seine Kollegen noch Neues aus der Geschichte ihrer Heimatgemeinde. „Ich bin ein Häfler, aber bin überrascht, was ich noch nicht wusste“, sagt Trisner. Außerdem habe sich gezeigt, dass so mancher Einwohner sogar schon seit Langem für sich zuhause an einem Geschichtsthema geforscht habe.

Bereits im ersten Aufruf wurde das Projekt so umrissen: „Es stellt eine Sammlung verschiedenster erzählender Mosaiksteine dar, die am Ende ein ausdrucksvolles, unvergleichliches und unverwechselbares Bild unseres Heimatortes ergeben. Vor allen Dingen sollen mit diesem Ansatz historisch wertvolle Örtlichkeiten, Personen, Ereignisse, das Gewerbe und die heimische Mund-Art vor dem langsamen Vergessen bewahrt werden.“
Es solle alle ansprechen: als nostalgische Zeitreise für Alteingesessene und eine Chance für Junge und Zugezogene, den Ort besser kennenzulernen. „Es ist erstaunlich, welche Veränderung es in den vergangenen 40 bis 50 Jahren im Ort gegeben hat“, sagt Trisner. Es habe einmal eine lange Pappel-Allee am Seeufer gestanden. Doch inzwischen seien fast alle weg.

Wenn die vier Männer überlegen, was als nächstes auf die Internetseite soll, orientieren sie sich zum Beispiel am Datum. So gab es auf den 24. April einen Beitrag zum Einmarsch der Franzosen im Jahr 1945 in Ludwigshafen. Das Team trifft sich jeden Montag in einer virtuellen Sitzung, um zu überlegen, welche Themen passen. Manche seien offensichtlich, aber es seien auch spezielle Geschichten oder lustige Begebenheiten gefragt, die in keinen Archiven stehen. Die vier betonen aber, dass niemand beschämt oder vorgeführt werden solle. Deshalb sei in einem Bericht über die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs ein Name herausgelassen worden.
Viel positive Resonanz
Alles solle so authentisch wie möglich sein, sagt Daniel Trisner über die Beiträge. „Wir versuchen, nah an den Fakten zu bleiben, aber haben keinen Anspruch auf 100 Prozent.“ Es kämen immer wieder mal Rückmeldungen mit Ergänzungen oder Korrekturen. Insgesamt sei die Resonanz sei sehr positiv. Es gebe viel Lob und Begeisterung über das Projekt.
Ein Anstoß für das Projekt waren übrigens alte Super 8-Videos von Lindenmayers Vater. Auf diesen seien viele Leute zu sehen, die heute nicht mehr leben. So entstand die Idee eines Nostalgieabends. Und eigentlich hätte das Projekt bereits im vergangenen Jahr mit einem Heimatabend losgehen sollen. Aber wie bei so vielen Dingen kam auch dabei die Corona-Pandemie dazwischen. Deshalb entschied das Team um Daniel Trisner, virtuell zu starten.
Ein Miteinander und Füreinander
Die Initiatoren fassen die Gründe in ihren Projektaufruf auch folgendermaßen zusammen: „Erinnerungen, Erlebnisse und Wissen zu teilen, hilft ein Klima des Miteinander und Füreinander zu schaffen. Mit anderen Menschen Geschichten, Fotos, Anekdoten und Kochrezepte auszutauschen, bedeutet soziale Kontakte zu pflegen, ein Gefühl der Zusammengehörigkeit zu entwickeln, Identität zu stiften und der Gefahr von Entfremdung, Vereinzelung und Vereinsamung entgegenzuwirken. Besonders wichtig in diesen Zeiten massiver Kontaktbeschränkung.“
Und der Nostalgieabend? „Wir machen ihn, wenn das wieder möglich ist“, so Trisner. Eine weitere Idee sei ein Nostalgie-Stammtisch, weil es dann viel einfach sei, etwas zu erzählen. Außerdem sei eine Idee, das Projekt in die Schulen zu tragen, ergänzt Lindenmayer. Die Kinder und Jugendlichen könnten dann in ihren eigenen Familien recherchieren und mehr über ihre eigene Geschichte erfahren.
Suche nach bestimmten Fotos
Trisner und seine Kollegen hoffen, dass Häfler, die wegzogen sind, noch Geschichten oder Fotos beitragen könnten. Beirer erzählt, dass es zum Beispiel ein spezielles Thema gebe, zu dem bisher nichts auffindbar gewesen sei: die Fregatte mit einer markanten Tanzfläche und wo die Kapelle im Mastkorb gespielt habe. „Wir konnten bisher keine Fotos davon finden.“ Oder es gebe auch so manches Rätsel: Auf einer alten Postkarte sei eine Zeppelin-Halle zu sehen. „Mehr wissen wir noch nicht dazu.“