Die ersten Tage nach der langen Zwangsschließung liegen hinter den Gastronomen. Die Erleichterung ist überall groß. Aber wie sind alle durch die bislang schwerste Zeit der Corona-Krise gekommen? Und was erhoffen sie sich nun? Und wo gibt es Kritik?
Es gibt im Hinblick auf das Überstehen der Corona-Krise zwei wichtige Komponenten, die eng miteinander verwoben sind: die emotionale und die finanzielle. „Die ersten zwei Wochen waren wir sehr niedergeschlagen und traurig“, erzählt Dirk Limberger vom Seerestaurant Adler in Ludwigshafen, das seit Mittwoch wieder geöffnet ist. Und Restaurant-Chefin Ulla Szustakowska fügt hinzu: „Wir haben unsere Stammgäste sehr vermisst. Man ist ja schon so an die persönlichen Begegnungen gewöhnt.“
Die Corona-Soforthilfe machte es möglich, während der Schließung nicht den Mut zu verlieren und dass auch die Vorbereitungen auf die Wiedereröffnung Fahrt aufnehmen konnten. „Wir haben uns zu einer richtigen Handwerkerfamilie entwickelt“, so Limberger. „Wir haben gestrichen, renoviert und aufgearbeitet, was liegengeblieben war. Das hat uns Mut und Kraft gegeben. Aufgeben war jedenfalls nie eine Option.“
Rückblick auf den großen Schock
Das Bodano im Seeum in Bodman, das seit Montag wieder geöffnet ist, dürfte noch einmal „mit einem blauen Auge davongekommen“ sein, sagt Stefan Reich, der Chef des Restaurants, das im vergangenen Jahr eröffnet hat. Man habe diverse Investitionen in den Betrieb getätigt, alles neu bestückt und dann musste man exakt zwei Wochen nach der Winterpause wieder schließen.

„Wir hatten keinerlei Rücklagen, jedoch hat die Corona-Soforthilfe gegriffen. Trotzdem mussten wir unsere Mitarbeiter in einhundertprozentige Kurzarbeit schicken und der Essen-to-go-Service an Feiertagen war ein Tropfen auf den heißen Stein.“ Aufgrund der Sperrung der Uferanlagen und der Erneuerung der Seestraße hätten Besucher kaum den Weg zum Bodano gefunden. Außerdem bedeutete der Abhol-Service auch Investitionskosten für Verpackungen und vieles mehr.
Im Gourmet-Restaurant S‘Äpfle im Seehotel Villa Linde in Bodman, das seit Dienstag wieder offen ist, war der Schock über die Schließung groß. „Wir haben innerhalb eines Tages geräumt, was wir innerhalb eines Jahres erarbeitet hatten. Das war das Schlimmste, was ich je in meiner Laufbahn erlebt habe“, berichtet Christopher W. von Prack, Hotelier und Restaurantchef in der Linde. „Das war wie eine Vollbremsung bei Tempo 260 und dementsprechend lange dauerte es, bis der Rauch sich lichtete und man wieder nach vorne schauen konnte“, so von Prack. Wenn er der Schließung etwas Positives abgewinnen möchte, dann sei es unter anderem die Intensivierung des Netzwerkes mit anderen Hotels. Wütend sei von Prack darüber, dass die Betriebsausfallversicherung nur zu 15 Prozent Schaden erstattet hätte.

Für ihn war es das Schönste, alle Mitarbeiter zu informieren, dass es wieder losgeht. Das Hotel war während der Zeit der Zwangsschließung dunkel, es gab auch kein Abholangebot – der Aufwand wäre zu groß gewesen. Von Prack sieht die große Transformation, die jetzt in allen Bereichen vorgenommen werden muss, um Corona-konform zu sein, als eine Chance, einen Neubeginn. Hygienestandards seien in der Linde seit jeher sehr hoch gewesen.
Besonders aber die Abstandsregeln seien eine große Herausforderung: Zwischen den Tischen ist Maximalabstand, teils drei bis vier Meter, was bedeutet, dass nur noch 36 Prozent der bisherigen Plätze in Restaurant und Seeterrasse belegt werden können, im Abendbetrieb nur fünf Tische im Restaurant wegen Personalmangels.
Auflagen erfordern höheren Personaleinsatz
Eine ganz ähnliche Situation stellt sich auch im Bodano und im Seerestaurant Adler dar. Umsatzeinbrüche sind überall durch die Abstandsregelung absehbar. An Personal könne jedoch nicht gespart werden, da die Hygieneregeln und andere Auflagen in der Corona-Verordnung einen erhöhten Personalaufwand bedeuten. Und alle müssen Masken tragen. „Das wird mit Sicherheit sehr anstrengend, eine volle Schicht mit Maske vor dem Gesicht in der Hitze, die vielleicht kommt, zu servieren“, sagt Stefan Reich.
Wie die Abholangebote liefen
Helmut und Gundula Auer vom Gasthof Auer in Nenzingen sagen, sie seien relativ gut durch die vergangenen Wochen gekommen. „Wir konnten ja nicht tatenlos rumsitzen und haben uns deshalb entschlossen, einen Abholservice anzubieten. Wir wollten das einfach probieren“, erzählen sie. Es sei schleppend losgegangen, sie hätten aber außer auf einer Tafel vor dem Restaurant auch keine Werbung gemacht. „Die Leute waren ganz toll, sie haben uns total unterstützt“, freut sich Helmut Auer.

Philipp Gassner, Inhaber des Hotels und Restaurants Zum Goldenen Ochsen in Stockach, blickt auf zwei Monate ohne nennenswerte Umsätze zurück: „Das waren etwa vier Prozent vom Normalen durch ein paar Geschäftsreisende und ein Abholangebot an Tagen wie Ostern und Muttertag als Service für unsere Stammgäste.“
Grundsätzlich sei in seinem Restaurant ein Abholservice nicht möglich. „Der Gast, der zu uns kommt, ist nicht hier, weil er primär Durst und Hunger befriedigen möchte, sondern wegen der Atmosphäre. Das Ambiente kann man nicht in einen Karton packen.“ Auch der Besuch der hauseigenen Bar zum Abschluss eines schönen Essens gehöre für viele dazu. „Das geht alles nicht mit Take away, deshalb war das keine Option für uns.“ Außerdem seien die angebotenen Speisen nicht sonderlich gut zum Transport geeignet. „Ein auf den Punkt gegarter Fisch ist zuhause nur noch lauwarm und zerfällt beim Aufwärmen in der Mikrowelle“, lautet Gassners Beispiel. Dennoch seien die treuen Stammgäste alle da gewesen, um ihn zu unterstützen, sagt er dankbar. Seit Montag ist wieder das Restaurant wieder geöffnet.
Wie die Wiedereröffnung lief
Der erste Tag im Ochsen sei ganz ordentlich verlaufen, danach sei es etwas ruhiger geworden, erzählt Philipp Gassner. „Wir müssen das beobachten. Aber das grundsätzliche Problem ist, dass alle Veranstaltungen ausfallen. Gruppenreisen, die die Hälfte unserer Gäste ausmachen, wurden storniert.“ Von der inzwischen auf 2021 verschobenen Landesgartenschau in Überlingen hätte die bestehende Infrastruktur deutlich profitieren können. Diese Einnahmen fehlten jetzt.
Der gesamte Betrieb sei in Kurzarbeit. Jetzt arbeite er zum Kosten sparen in Minimalbesetzung, um durchzukommen. „Wir haben Anfang April die geänderte Planung für 2020 gemacht. Wenn es noch schlechter wird, weiß ich nicht, wie es weitergeht“, äußert er besorgt. Die Lage sei ernst, dennoch bleibe er zuversichtlich. Er habe mit seinem Team Prozesse extrem verschlankt. „Wir arbeiten sehr reduziert, um bei den schwachen Umsätzen, die zu erwarten sind, keine Verluste zu generieren. Wir müssen abwarten, wie wir die Krise durchstehen.“ Seiner Meinung nach ist frühestens 2022 wieder mit einem normalen Geschäft zu rechnen.

Philipp Gassner hat eine klare Forderung an die Politik: „Sie müssen dringend einen weiteren Rettungsschirm für die Gastronomie aufspannen. Wir sind wohl die Branche, die am härtesten betroffen ist. Die Politik muss da ein Zeichen setzen.“ Die Mehrwertsteuer für ein Jahr befristet auf sieben Prozent zu senken sei ein völliger Witz, betont er. Er lobt zwar den Zuschuss durch die L-Bank. Die 30.000 Euro seien sofort geflossen. Er prangert aber an, dass die Versicherung ihn und andere im Regen stehen lasse. Er habe aufgrund einer behördlichen Anordnung die Betriebe schließen müssen. Er prüfe aktuell eine Klage gegen die Versicherung.
Den ersten Tag erlebte das Team im Adler in Ludwigshafen als sehr angenehm und fast entspannt. Es seien fast nur Stammgäste da gewesen, erzählt Dirk Limberger. Alle hätten gesehen, dass viel getan und gerichtet worden sei und hätten das sehr gelobt. Am Vatertag dann sei es schon sehr voll gewesen, jedoch seien es wegen der begrenzten Platzanzahl 40 Prozent weniger Gäste gewesen als an einem normalen Vatertag.
Gäste zeigen Verständnis für Regeln
Positiv sei gewesen, dass alle Gäste sehr diszipliniert gewesen seien und sich gegenüber den Corona-Regelungen im Restaurant sehr verständnisvoll gezeigt hätten. Auch im S‘Äpfle lief laut Constanze von Prack der Restaurantbetrieb gut an. Man sei in der ersten Woche abends komplett ausgebucht. Die Gäste freuten sich alle sehr und das Team sei sehr motiviert und optimistisch.
„Ich glaube, die Krise geht mit der Wiedereröffnungsphase jetzt erst los“, sagt Helmut Auer. Sie haben im Gastraum Plätze markiert, die leer bleiben müssen und dadurch nur halb so viele Sitzplätze wie normal. Gundula Auer erklärt: „Wir fangen erstmal mit einer kleinen Karte an.“ Aktuell gebe es immer noch mehr Gäste, die Speisen abholen, als im Restaurant.
„Die Leute sind sehr unsicher. Sie rufen an und fragen, ob sie zu viert oder mehr Personen kommen dürfen.“ Die Wirtsleute bekräftigen: „Die Situation ist auch für uns spannend und neu. Es ist anstrengend, zugleich den Abholservice und den Restaurantbetrieb zu bieten. Das dient aber der Schadensbegrenzung. Wir müssen zusehen, dass es läuft und wollen unsere Gäste in guter Qualität weiter verwöhnen.“