Holz, Lehm, Stroh und Hanf: Um ein solides Haus zu bauen, braucht es im Grunde nicht viel mehr Materialien. Astrid und Matthias Kreibich haben in den vergangenen vier Jahren in der alten Vogtei von Bodman sehr viel mit diesen vier Baustoffen gearbeitet. Mit viel Liebe zum Detail und großem Respekt vor alter Handwerkskunst verpassen sie dem historischen Gebäude eine Frischzellenkur. Davon soll der ganze Ort profitieren.

Inzwischen sind die beiden auf der Zielgeraden. Im Oktober wollen sie so weit sein, dass sie einziehen können, berichten sie im Gespräch mit dem SÜDKURIER. „Das Projekt ist für uns etwas ganz Besonderes. Es ist das erste Mal nach 30 Jahren Tätigkeit als Architekt, dass mein Mann ein Haus so sanieren kann, wie er es sich wünscht, ohne sich nach einem Bauherren richten zu müssen“, sagt Astrid Kreibich.

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Modernste Technik bleibt unsichtbar

So wie er es sich wünscht, das heißt: „Wir bauen wie vor 400 Jahren“, sagt Mathias Kreibich. So alt ist das Gebäude nämlich und dem Bauherren liegt es am Herzen, genau so weiterzubauen, wie es die alten Meister getan hätten. Zwar klingen durch die Baustelle auch die Geräusche von Akkuschrauber und Kreissäge, doch die Handwerkstechniken und die verwendeten Materialien entsprechen im Wesentlichen denen, die schon im Jahr 1608 in diesem Haus zum Einsatz kamen.

Die alte Vogtei in Bodman erstrahlt von außen schon wieder in neuem Glanz. Sie hat in den vergangenen vier Jahren ihr historisches ...
Die alte Vogtei in Bodman erstrahlt von außen schon wieder in neuem Glanz. Sie hat in den vergangenen vier Jahren ihr historisches Aussehen zurückbekommen. | Bild: Dominique Hahn

Zusätzlich ist modernste Technik verbaut. „Aber unsichtbar“, sagt Kreibich. Das Haus hat Fußboden- und Wandheizungen, die ihre Wärme klimaneutral mittels einer Erdwärmepumpe aus dem Boden bekommen. Dabei wird die Wärmeenergie aus dem Erdreich über eine eigens gebohrte Erdsonde entzogen und an die Wärmepumpe weitergeleitet. Die Lage hier in Bodman mit der Nähe zum See sei ideal für dieses Heizverfahren, so Kreibich.

Die Bauherren Matthias und Astrid Kreibich im Dachgeschoss der alten Vogtei.
Die Bauherren Matthias und Astrid Kreibich im Dachgeschoss der alten Vogtei. | Bild: Dominique Hahn

Während drinnen noch auf Hochtouren gearbeitet wird, sieht das Haus von außen schon fast fertig aus. Auffällig im Vergleich zu alten Fotos ist die rekonstruierte Fachwerkwand am Giebel im Hochparterre, samt wiederhergestelltem Fensterband. Den Abschluss zum Gebäudesockel hin bildet ein krumm gewachsener Eichenbalken, der so bei einem Neubau wahrscheinlich nicht mehr verwendet würde. Doch früher hat man genauso gebaut.

Auch deshalb fällt es überhaupt nicht auf, dass die Balken in der Wand eigentlich neu sind. „Der Balken, der zur einen Seite hin schmaler wird unterstreicht auch die Bedeutung der vorderen Stube“, erklärt Kreibich.

Plötzlich mehr Fachwerk als vorher zu sehen

„Als wir das Haus gekauft haben, waren an dieser Stelle nur zwei kleine Fenster eingebaut“, erinnert sich Astrid Kreibich. In den 1820er-Jahren hatte man den unteren Teil der Giebelwand mit ihrem Holzfachwerk abgerissen und durch eine einfache Mauer ersetzt. Diese war bis vor wenigen Jahren verputzt. Vom historischen Gebälk war in diesem Stockwerk keine Spur mehr zu sehen. „Wir wurden schon gefragt, ob wir aufgestockt haben, weil die Leute jetzt plötzlich mehr Fachwerk sehen“, sagt Astrid Kreibich schmunzelnd.

Blick von innen in die große Stube mit dem Widerhergestellten Fensterband. Im frisch verlegten Holzdielenboden stecken noch die ...
Blick von innen in die große Stube mit dem Widerhergestellten Fensterband. Im frisch verlegten Holzdielenboden stecken noch die Holznägel. Links ist der marmorierte Kachelofen zu erkennen, der ebenfalls restauriert und inklusive Backgewölbe zum Brotbacken wiederaufgebaut wurde. | Bild: Dominique Hahn

Aufgestockt wurde zwar nicht, dafür ausgegraben. Im Keller musste das Haus mit einem Fundament unterfangen werden, um es für die Zukunft standsicher zu machen. „Allein das hat ungefähr ein Jahr gedauert“, sagt Matthias Keribich. Inzwischen ist der Keller, wie auch der Rest des Hauses, fast fertig und die nassen Wände sind trockengelegt. In der Mitte des Kellers stützt ein mächtiger, in historischem Stil neu angefertigter Eichenbalken die oberen Stockwerke.

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Alte Materialien werden wiederverwendet

Eine Bretterwand teilt den Raum für die Heizungstechnik ab. „Bei den Brettern handelt es sich um die ehemalige Holzverkleidung aus dem Jahr 1934, die am hinteren Giebel angebracht war“, erklärt Matthias Kreibich. Die Bretter wurden eingelagert, gereinigt und nun an dieser Stelle wiederverwendet. Auch das ist den Bauherren wichtig: Möglichst viel von der historischen Bausubstanz erhalten und wiederverwerten. Genauso, wie es die früheren Baumeister gemacht haben.

Ein mächtiger Eichenbalken Stützt die Kellerdecke. Im unteren Bereich des trockengelegten Bruchsteinmauerwerks ist das neue ...
Ein mächtiger Eichenbalken Stützt die Kellerdecke. Im unteren Bereich des trockengelegten Bruchsteinmauerwerks ist das neue Betonfundament zu erkennen. | Bild: Dominique Hahn

Die Liebe zum Detail geht so weit, dass weitestgehend auf exakte rechte Winkel, gerade Kanten oder waagerechte Flächen verzichtet wurde. So sind die neu eingebauten Dielenböden genauso schief und uneben wie die alten, die Fenster auf der Längsseite des Fensterbands passen sich in ihrem Einbauwinkel der Wand an, die an dieser Stelle nach innen geneigt ist. „Der Fensterbauer hat gesagt, das war das erste Mal, dass er Fenster so einbauen musste“, sagt Matthias Kreibich mit einem verschmitzten Grinsen.

Das Ergebnis ist ein organisch wirkendes Ganzes. Bauzeitliches aus den Jahren 1607, 1820 und 2024 verschmilzt zu einer harmonisch wirkenden Einheit. Auf den ersten Blick erkennt man kaum, ob etwas neu ist oder historisch. Am Grundriss des Gebäudes seien keine Veränderungen vorgenommen worden.

War dieser Raum einmal eine Gefängniszelle? Das ist die Vermutung von Matthias Kreibich. In der Holzbalkenwand ist eine kleine Luke zu ...
War dieser Raum einmal eine Gefängniszelle? Das ist die Vermutung von Matthias Kreibich. In der Holzbalkenwand ist eine kleine Luke zu erkennen. Da dieser Teil des Hauses nicht unterkellert ist, konnte der Boden etwas tiefergelegt werden, um mehr Raumhöhe zu gewinnen. Im Lehm-Terrazzoboden versteckt sich eine Fußbodenheizung. | Bild: Dominique Hahn

Mit Fingerabdrücken aus dem 17. Jahrhundert

„Wir wollen Geschichte hier sehen, spüren und sichtbar machen“, sagt Astrid Kreibich im künftigen Essbereich. Ursprünglich war der Raum die Küche, an den Balken und freigelegten Decken sind noch die Rußspuren des offenen Herdfeuers aus der Barockzeit zu erkennen, genauso wie die Fingerspuren, die die Handwerker im 17. Jahrhundert beim Einbringen der Lehmdecke hinterlassen haben. Die Freilegung dieser Spuren erfolgte in mühevoller Kleinstarbeit.

Die Decke in der ehemaligen Küche: Die Rillen im Lehm stammen von den Fingern der Arbeiter, die diese im 17. Jahrhundert eingebaut haben.
Die Decke in der ehemaligen Küche: Die Rillen im Lehm stammen von den Fingern der Arbeiter, die diese im 17. Jahrhundert eingebaut haben. | Bild: Dominique Hahn

Sehr gute Zusammenarbeit mit dem Denkmalamt

Aber gab es auch mal einen Punkt der Verzweiflung, an dem sie bereut haben, das Projekt angegangen zu sein? Unabhängig voneinander sagen Astrid und Matthias Kreibich: „Nein.“ Einen Punkt gab es allerdings: „Ich habe mir anfangs Sorgen um die Finanzierung gemacht. Aber als die Würdigung vonseiten des Landes kam und wir eine Förderzusage bekommen haben, war ich beruhigt“, so Astrid Kreibich.

Überhaupt sei die Zusammenarbeit mit den Behörden sehr gut gelaufen, auch mit dem Denkmalamt. Eine „Eins mit Sternchen“, vergibt Matthias Kreibich als Schulnote dafür.

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In der Vergangenheit haben Kreibichs die Baustelle schon des Öfteren für die Öffentlichkeit geöffnet, etwa am Tag des Denkmals. Auch für die Zukunft planen sie Führungen oder besondere Aktionen wie Brotback-Kurse für Kinder mit dem restaurierten Ofen, sagt Astrid Kreibich. Damit wollen sie auch der großen Bedeutung gerecht werden, die das Haus als ehemalige Vogtei früher für den ganzen Ort hatte.