Wie konnte Gott so etwas zulassen? Das war eine zentrale Frage des 16. Jahrhunderts, die auch in Aach viel bewegt hat. Daran erinnerte das diesjährige Altstadtfest einmal mehr und eindrücklich, konnte es doch mit der Stadterstürmung vor 500 Jahren ein besonderes Jubiläum feiern. Mit einem Apéro, zu dem die Bürger eingeladen waren, begann das Fest. Im anschließenden Festakt in der Stadtkirche St. Nikolaus erkälrte der Historiker Ulrich Büttner in einem spannenden und lebendigen Vortrag die Ursachen der Bauernrevolte Anfang des 16. Jahrhunderts. Und nicht zuletzt stellten 150 Beteiligte die Erstürmung nach – Ziege, Kohl, Pulverdampf und vertriebene Ratsmitglieder inklusive.

Wie es einst so weit kam, konnte der Historiker Büttner gut einordnen. Den Ausgangspunkt sieht er bereits in der Pest Mitte des 14. Jahrhunderts, als der sogenannte Schwarze Tod 25 Millionen Menschen und damit ein Drittel der damals in Europa lebenden Bevölkerung dahinraffte.

Historiker Ulrich Büttner.
Historiker Ulrich Büttner. | Bild: Hubertus Bippus

Man zweifelte erstmals an der vorgegebenen Ordnung und fragte sich, wie Gott so etwas zulassen kann. An der Spitze der damaligen Hierarchie standen Adel und Geistlichkeit, die zunehmend infrage gestellt wurden. Diese Zweifel wurden bestärkt durch die von Martin Luther mit Beginn des 16. Jahrhunderts auf den Weg gebrachte Reformation.

Um ihre Kriege und Privilegien zu finanzieren, erhöhte der Adel ständig die Abgaben, die die Bauern aufbringen mussten. Sie versuchten zunächst in Verhandlungen, Zugeständnisse der Obrigkeit zu erreichen. Nachdem Zusagen des Adels, die Abgabenlast zu reduzieren, nicht eingehalten wurden, sahen die Unterdrückten keine andere Möglichkeit mehr, als auf kriegerischem Wege ihren Lebensunterhalt zu sichern.

Das könnte Sie auch interessieren

Aufstand wurde brutal niedergeschlagen

Eine wichtige Rolle spielte auch eine zentrale Erfindung der Menschheit, der Buchdruck. Die grundlegenden Forderungen der Bauernschaft konnten so schnell Verbreitung finden. In Memmingen wurden die berühmten zwölf Artikel verfasst, die heute als Ursprung der Menschenrechte angesehen werden. Diese zwölf Artikel sind auf Stelen rund um die Stadtkirche St. Nikolaus abgebildet.

Letztendlich wurde der Bauernaufstand vom Adel brutal niedergeschlagen. „Die Zeit für Demokratie und Freiheit war damals noch nicht da, aber die Ideen und die Utopie einer gerechteren Gesellschaft waren in der Welt und blieben“, so Ulrich Büttner in seinem vom starken Beifall der Zuhörer begleiteten Fazit.

Verteidigung rüstet sich
Verteidigung rüstet sich | Bild: Hubertus Bippus

Pulverdampf macht Schauspiel realistisch

Höhepunkt der Feierlichkeiten war die aufwändig inszenierte Nachstellung der historischen Stadterstürmung mit über 150 Beteiligten. Das damalige Geschehen wurden detailgenau wiedergegeben; Kanonenschläge und Pulverdampf machten das Schauspiel zu einem Erlebnis für alle Sinne.

Der Moderator Michael Streitberger, der zusammen mit dem Hauptamtsleiter Florian Rapp federführend für die Organisation des Altstadtfestes verantwortlich war, führte die Zuschauer zwischen den Szenen gekonnt durch die Geschehnisse. Bürgermeister Manfred Ossola glänzte in einer Paraderolle selbstverständlich als Oberhaupt des die Stadt verteidigenden Adelsgeschlechts.

Reiterin informiert über die heranrückende Bauernschaft
Reiterin informiert über die heranrückende Bauernschaft | Bild: Hubertus Bippus

Er schwörte seine Kompanie eindringlich auf die Verteidigung des Stadttores ein, nachdem eine Reiterin die Nachricht überbracht hatte, dass die aufrührerische Bauernschaft Engen eingenommen habe und jetzt auf das Adelsnest Aach marschiere. Nachdem die Angriffe der Aufständischen dreimal erfolgreich abgewehrt wurden, kam eine Nachlässigkeit den Bauern zugute.

Das könnte Sie auch interessieren

Verfressene Ziege öffnet Bauern das Tor

Das Stadttor wurde nicht durch einen Riegel, sondern durch einen Kohlstrunk gesichert, den eine hungrige Ziege in der Nacht auffraß und damit den Bauern das Tor öffnete. Das Oberhaupt gab den Bauern die Stadt frei und jagte die Ratsmitglieder, dargestellt durch den jetzigen Gemeinderat, aus der Stadt.

Die Bauernschaft zieht in die Stadt ein
Die Bauernschaft zieht in die Stadt ein | Bild: Hubertus Bippus

Während damals die Ratsmitglieder erst nach sieben Jahren wieder in die Stadt heimkehren durften, konnte der aktuelle Gemeinderat zusammen mit den Zuschauern in die Altstadt einziehen und sich dem bunten Festtreiben, getragen von dem großen Engagement der Aacher Vereine, widmen. Musikalisch und kulinarisch war für jeden Geschmack etwas geboten. Den Besuchern wurde mittelalterliche Handwerkskunst vorgeführt, und für eventuelle Wehwehchen war ein Medicus mit seinen damaligen Heilmethoden zur Stelle.

„Das Spektakel der Stadterstürmung hat uns sehr gut gefallen“ sagen Konrad Gihr und Renate Maier aus Mühlhausen-Ehingen, die auch in den nächsten Jahren das schöne Aacher Altstadtfest besuchen wollen.