Normalerweise markiert eine fertige Renovierung ein glückliches Ende, doch im Fall von Cora Kirchner und ihrer 77-jährigen Mutter nicht. Bei ihnen trifft der Ausdruck „Es ist kompliziert“ zu, denn sie sind nach wie vor unzufrieden. Beide haben vergangene Woche bei einer Zwangsräumung ihre Wohnung verloren und wandten sich aufgrund von Schimmel und Dreck in der Notunterkunft an den SÜDKURIER. Die Gemeinde Bodman-Ludwigshafen reagierte rasch und während der Schimmelbeseitigung durfte die Familie auf Gemeindekosten in eine Ferienwohnung ziehen. Seit Dienstagmittag sind sie wieder in den zugewiesenen Zimmern in einem rund 60 Jahre alten Gebäude, das früher ein Gästehaus war.
Von der schwarzen Gefahr ist beim SÜDKURIER-Besuch in den beiden Zimmern nichts mehr zu sehen. Die Wände sind weiß und ein Teil der Möbel und Matratzen stammt sogar aus der ehemaligen Wohnung der Kirchners. Vom Balkon aus gibt es See-Sicht. Also alles gut? Aus Sicht der Gemeinde – ja. Aus Sicht der beiden Frauen – nein.

Der Backofen ist noch stark verdreckt
Mutter und Tochter wollten eigentlich in der Ferienwohnung bleiben, da sie auf ihre gesundheitlichen Vorbelastungen pochen und der Gemeinde Pfusch bei der Schimmelbeseitigung und Renovierung vorwerfen. Sie glauben, der Schimmel in den Räumen sei immer noch in der Tapete und dass neu tapeziert werden müsste.
Und obwohl in der Gemeinschaftsküche ein schimmeliger Spülenschrank ausgetauscht wurde und dort jetzt ein neuer Kühlschrank ist, bemängeln sie noch den schmutzigen Backofen. Tatsächlich hat dieser mit dicker, dunkler Fettschicht am Innenglas schon sehr lange kein Putzmittel mehr gesehen. Gleiches gilt für die Toilette im Damen-Badezimmer, das ansonsten in einem guten Zustand ist.

Cora Kirchner glaubt, dass die Bewohner mutwillig den Schimmelsporen ausgesetzt würden. Sie geht in E-Mails, die sie bundesweit an verschiedene Adressaten sowie den SÜDKURIER geschickt hat, sogar so weit, die Zustände mit denen eines Konzentrationslagers zu vergleichen.
Gemeinde betont fachmännische Schimmelbehandlung
Die Gemeindeverwaltung hat der 42-Jährigen auf die Vorwürfe zur Renovierung geantwortet: „Mittlerweile wurden beide Zimmer sowie die Küche fachmännisch gegen Schimmel behandelt, renoviert und das Küchenmobiliar ausgetauscht. Die Unterkunft entspricht nun dem üblichen Standard und stellt durch die Schimmelbeseitigung (und nicht nur reinem Darüberstreichen) keinerlei Gesundheitsgefährdung dar.“

Auf SÜDKURIER-Anfrage zur aktuellen Lage teilte Bürgermeister Christoph Stolz am Dienstag mit: „Ich war heute persönlich vor Ort und habe mich vom ordnungsgemäßen Zustand der Unterkunft überzeugt. Sie entspricht nun den gesetzlichen Anforderungen an eine menschenwürdige Unterkunft zur Abwehr von Obdachlosigkeit.“
Notunterkunft ist nur zur Überbrückung gedacht
Er und Bianca Mack, Leiterin der Hauptverwaltung, betonen erneut, dass es sich lediglich um eine Notunterkunft zur Überbrückung handelt, bis die Frauen wieder eine eigene Wohnung finden. Sie hätten jederzeit die Möglichkeit, sich auf eigene Kosten um eine andere Übergangslösung zu kümmern. Christoph Stolz weist darauf hin, dass eine Unterbringung in einer Ferienwohnung höhere Kosten für die Gemeinde und damit auch die Allgemeinheit bedeute.
Stolz erklärt zudem, den Kirchners stehe der Rechtsweg offen: „Wir legen gerne vor Gericht Zeugnis über unser Verhalten und jedes noch so kleine Detail ab.“

Gemeindeverwaltung ist von Reaktionen enttäuscht
Vom Bauhofmitarbeitern über die Hausmeister bis zum Bürgermeister waren innerhalb einer Woche viele Personen im Einsatz, um Kartons und Taschen zu tragen oder Räume zu renovieren. Dementsprechend ist dort der Frust über die anhaltende Kritik der beiden Frauen groß. „All meine Mitarbeiter haben sich sehr bemüht, der Familie Kirchner im Rahmen der Möglichkeiten zu helfen“, sagt Stolz. „Wir sind zugegebenermaßen enttäuscht, dass unsere konstruktiven Hilfs- und Gesprächsangebote beiseite gewischt wurden.“
Cora und Hildegard Kirchner sind nun also die neusten der etwas mehr als 20 Bewohner in dem ehemaligen Gästehaus. Während sie die Zustände kritisieren, leben andere dort zum Teil schon lange bewusst so. Das zeigt, wie unterschiedlich die Menschen damit umgehen und dass manchen Schimmel sogar egal ist.
Direkt neben der 77-jährigen Mutter wohnt seit drei Jahren ein junger Mann aus Gambia, der offenkundig Schimmel am Fenster, der Balkontür und der gelben Schaumstoff-Matratze hat. Aber: Das störe ihn nicht, sagt er auf Englisch im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Wenn er wollte, könnte er sich jederzeit eine neue Matratze kaufen, erklärt er.

Die Bewohner missachten den Putzplan
Die Gemeindeverwaltung ist sich der Mentalität im Haus bewusst. Vor Ort sagt Bianca Mack, dass es im Haus eigentlich einen Putzplan für die Bewohner gebe. Daran halte sich aber offenbar niemand. Der Blick in Küchen und Bäder zeigt, dass diese Einschätzung stimmt.
Auf SÜDKURIER-Nachfrage, wie es in dem Haus so weit kommen konnte, erläutert Christoph Stolz, die Bausubstanz sei nicht gut. „Das sorgt dafür, dass die Räume empfindlicher auf das Nutzerverhalten reagieren, als das beispielsweise ein moderner Neubau tun würde. So kann in der Tat in kurzer Zeit eine starke Abnutzung stattfinden – insbesondere wenn sich niemand für die grundlegende Reinigung verantwortlich fühlt.“
Die Hausmeisterleistungen dort seien bereits erhöht worden, doch ohne Mitwirkung der Bewohner würden immer wieder Unterhaltungsmaßnahmen notwendig werden. „Das tun wir dann auch regelmäßig.“
Eine Unterkunft ist keine Mietwohnung
Stolz betont, die Unterkünfte der Gemeinde befänden sich in einem soliden Zustand und durch das Anbieten von WLAN und einen zuständigen Hausmeister gebe es sogar „unübliche Zusatzleistungen“. Ebenso sagt er: „Dass die Gebäude nicht die Ansprüche einer klassischen Mietwohnung erfüllen können, ist klar.“

Die Gemeinde sei froh darüber, dieses das ehemalige Gästehaus zur Verfügung zu haben, und versuche, das Beste daraus zu machen, so Stolz. „Ohne diese Kapazitäten wäre es schlicht und ergreifend unmöglich, unseren Unterbringungsverpflichtungen in der Anschlussunterbringung nachzukommen.“