Aktuell steigen nicht nur die Baukosten rasant, sondern auch die Kreditzinsen – zusätzlich zu den allgemein höheren Kosten, die den Geldbeutel vieler Menschen belasten. Es ist ein uraltes Gesetz der Marktwirtschaft, dass bei steigenden Preisen die Nachfrage sinkt. Das trifft nun auch einen Bereich, der in den vergangenen Jahren besonders gefragt: Gab es für den Kauf von Bauplätzen für Häuser und Immobilien vor wenigen Monaten noch zig Interessenten, so wandelt sich nun das Geschehen. Das bringt Änderungen für betroffene – und verhinderte – Häuslebauer, aber auch für Gemeinden und Banken.
Eine Konsequenz: Baugebiete werden kleiner
„Die Nachfrage auf dem Bau- und Immobiliensektor bricht aufgrund der aktuellen Entwicklung deutlich ein“, erklärt Bürgermeister Holger Mayer für Hilzingen. „Als Gemeinde müssen wir darauf reagieren“, streicht er heraus. Die Bauplätze im Kernort seien vergeben. Und eine Zurückhaltung beim Kauf von Wohnungen der Mehrfamilienhäuser, wie im Ortskern, deutlich spürbar.

„Die Gemeinden sind ohnehin durch gesetzliche Vorgaben – wie über den Flächennutzungsplan – angehalten, sorgsam mit der Neu-Ausweisung von Baugebieten Maß zu halten. Deshalb wollen wir nur in den Ortsteilen Schlatt am Randen und Weiterdingen in nächster Zeit kleinere Baugebiete erschließen“, so der Bürgermeister.
Die Nachfrage nach Bauplätzen ist auch in Engen deutlich gesunken. „Bei den letzten Grundstücken, die wir im Baugebiet Hugenberg vergeben haben, gab es gerade mal drei bis vier, statt wie zuvor gut 20 Interessenten“, verrät Heike Bezikofer vom Engener Bauamt. Auch ihrer Meinung nach schlagen die hohen Baukosten und vor allem der stark gestiegene Kreditzins zu Buche.
Mit den Kosten sinkt auch die Nachfrage
„Noch vor dem Ukraine-Krieg im Februar gab es Kreditzinsen von teils unter einem Prozent, je nach Anteil des Eigenkapitals“, schildert Frank Lammering, Vorstandsmitglied der Sparkasse Engen-Gottmadingen. Nun seien je nach Finanzierungslage bis an die vier Prozent für eine zehnjährige Kredit-Laufzeit fällig, sagt er.
„Bei der privaten Finanzierung von privaten Neubauten gibt es derzeit ein Minus von etwa 80 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bei den Sanierungen sieht es besser aus. In diesem Bereich investieren die Menschen noch Geld, vor allem, um energetisch Verbesserungen zu erzielen, welche die enorm gestiegenen Kosten für Heizungen abfedern sollen“, so Lammering.

„Der Kreditzins ist teils täglich um 0,1 Prozent gestiegen. Weil die Kunden sich noch bestmöglichste Konditionen hamstern wollten. Angebot und Nachfrage regeln wie in der gesamten Marktwirtschaft den Preis“, führt der Bankfachmann aus. Bestandsimmobilien werden laut Lammering nach einem eklatanten Preisschub in den vergangenen Jahren eher günstiger, da die Preise für Stahl und Holz sinken. Im Gegensatz zu Zement und Beton, die sich durch die Energiekrise weiter verteuerten.
Viele Familien, die sich ein Eigenheim leisten wollten, gingen nun lieber auf Nummer sicher und legten ihr Vorhaben aufgrund der aktuellen Entwicklung auf Eis. „Selbst in Fällen, in denen auch nach den jüngsten Bedingungen eine gute Finanzierung gesichert scheint. Nach einer groben Faustregel sollte nicht mehr als ein Drittel des regelmäßigen monatlichen Einkommens in eine Baufinanzierung fließen“, sagt Lammering.
In Engen braucht es eine Finanzierungszusage
Die Stadt Engen verlangt laut Heike Bezikofer nun bei Bewerbungen für einen Bauplatz eine allgemeine Bescheinigung der Bank, dass die Finanzierung gesichert sei. „Zuvor war das nicht nötig. Bei den günstigen Konditionen kaum es kaum vor, dass Bauinteressenten abgesprungen sind, obwohl sie den Zuschlag über die Kriterien eines Punktesystems für den Kauf eines Grundstückes erhalten haben“, berichtet Heike Bezikofer. Bei den letzten Vergaben verkaufte die Stadt Engen ein Quadratmeter Bauland für 270 Euro.

Derzeit werde ein Bebauungsplan für die Engener Schwarzwaldstraße aufgestellt. Dort soll eine Mischung zwischen Einfamilien-, Reihen- und Mehrgeschosswohnungen entstehen. Den Grundstückspreis müsse der Gemeinderat neu festlegen. Da aber auch die Erschließungskosten weiter steigen, müssen Interessenten auch mit höheren Grundstückspreisen rechnen.
Nur noch ein Drittel der Interessenten auf der Liste
Die Gemeinde Rielasingen-Worblingen bereitet die Ausweisung eines neuen Baugebietes vor. Im Gewann Langenäcker sollen gut 50 Bauplätze für einen Mix aus Einzel-, Doppelhäusern und Mehrgeschosswohnungen, auch mit sozialer Komponente, entstehen. In Rielasingen ist das Wohngebiet Aufgehender geplant. Dort rechnet Bauamtsleiter Bernd Caldart noch mit verfahrenstechnischer Verzögerung.
„Wir hatte eine Liste mit 300 Bau-Interessenten. Sie ist durch die neuesten Entwicklungen auf ein Drittel geschrumpft“, verrät Thomas Niederhammer, Hauptamtsleiter der Gemeinde Rielasingen-Worblingen. „Viele Interessenten können sich entweder die gesamten Finanzierungskosten nicht mehr leisten oder orientieren sich um, wie etwa zum Kauf von Eigentumswohnungen oder Bestandsimmobilien“, so Niederhammer.
Bewerber geben Grundstücke wieder zurück
Eine ähnliche Entwicklung gibt es auch in Mühlhausen-Ehingen. „Gab es bis vor ein paar Monaten noch gut 20 Bewerber für einen Bauplatz, sind es nun gerade mal zwei bis drei“, erklärt Bürgermeister Patrick Stärk.

Die Gemeinde vergebe laut Ratsbeschluss jährlich jeweils vier neue Grundstücke für den Bau von Einfamilienhäusern. „Diesmal haben erstmals zwei Bewerber, die den Zuschlag erhalten haben, wieder zurückgezogen. Auch die laut Punktvergabe nachfolgenden Interessenten haben abgewunken“, so Stärk. Die Gemeinde verspüre keinen Zeitdruck. 2023 soll es wieder eine Vergabe von vier Bauplätzen geben.
Auch bei der Stadt Singen ist eine ähnliche Zurückhaltung von bisherigen Bau-Interessenten spürbar. „Einzelne Baugrundstücke im Stadtteil Schlatt unter Krähen gaben die Bewerber wieder zurück“, sagt Horst Barth, Leiter des Amtes Verwaltung und Liegenschaft der Stadt Singen. Bei den abgeschlossenen Vergaben für Bauplätze im Bohlinger Gewann Hinterhof III seien noch vor der Teuerung etwa 40 Häuslebauer zum Zug gekommen. „700 Interessenten gab es ursprünglich. Beworben haben sich noch 128 für die Bauplätze“, so Barth.
Stadt Singen verlangt Finanzierungsnachweis
Beim Vergabeverfahren verlange die Stadt Singen schon seit Jahren auch einen Nachweis darüber, ob sich die Interessenten den Kauf der Grundstücke und den Bau leisten können. „Das ist im Sinne aller Beteiligter und erspart viel Ärger und Arbeit“, sagt Horst Barth. Wenn eine Finanzierung von vornherein nicht machbar sei, helfe es nicht, wenn dies erst zur Kenntnis genommen werden müsste, wenn möglicherweise ein Zuschlag schon erteilt worden sei.