Wer bauen will, braucht derzeit viel Geld und Geduld. Das bestätigen Ralf Knittel, Geschäftsführer des gleichnamigen Baugeschäfts und Familienbetriebs in Singen, und Chris Martin, zuständig für den Vertrieb bei Bücheler&Martin, Fachhandel für Baustoffe und Fliesen. Ralf Knittel führt als Grund vor allem den Fachkräftemangel an. „Keiner will mehr auf dem Bau schaffen, dabei sind die Verdienstmöglichkeiten gut“, erklärt er.

Als er die Ausbildung zum Maurer gemacht habe, waren es 30 Lehrlinge im Landkreis, heute seien es sechs. Die älteren Jahrgänge gingen in Rente und es sei kaum jemand da, sie zu ersetzen.

Aufträge gibt es genug: Das Bauunternehmen Knittel erstellt gerade das fünfstöckige Bürogebäude gegenüber vom EKZ.
Aufträge gibt es genug: Das Bauunternehmen Knittel erstellt gerade das fünfstöckige Bürogebäude gegenüber vom EKZ. | Bild: Weiß, Jacqueline

Auftragsbücher der Bauunternehmen sind voll

18 Mitarbeiter habe er derzeit und könne nur Aufträge annehmen, wenn bestehende Aufträge abgearbeitet seien. Sein Baugeschäft arbeite in den Bereichen Hochbau, Industriebau, Maurerarbeiten, Stahlarbeiten, Erdarbeiten und Kanalarbeiten, erklärt Knittel. Gerade seien fast alle auf den beiden größeren Baustellen beschäftigt, einem fünfstöckigen Bürohaus gegenüber des EKZ und der Erweiterung um ein Kühlhaus in der Südstadt.

Baukosten für Häuslebauer steigen

Für die Häuslebauer sei es auch teurer geworden, weil die Baukosten steigen. Hohe Energiekosten und höhere Transportkosten für das Material seien der Gründe, warum aufgeschlagen wird. Materialengpässe gebe es in seinem Segment weniger, wie Ralf Knittel berichtet. Für ihn werde es aber durch die Preissteigerung immer schwieriger, die Baukosten zuverlässig anzugeben, weil die Erhöhungen bald wöchentlich kommen und nicht mehr berechenbar seien.

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Nicht nur die Baukosten steigen, auch die Auflagen für einen Hausbau seien im Vergleich zu früher mehr geworden. „Gutachten, Baugenehmigung und auf jedes Einfamilienhaus muss eine Solaranlage mit langen Lieferzeiten“, führt Knittel Beispiele an.

„Leute können sich das nicht mehr leisten“

Er, seine Frau und seine beiden Söhne, die den Betrieb in zwei Jahren übernehmen werden, hätten sich nun zusammengesetzt und besprochen, wie es auch weitergehen soll. Das Ergebnis sei, dass sie von 18 auf zehn bis zwölf Mitarbeiter reduzieren wollen. Wenn jemand in Rente geht, könnten sie die Stelle nicht nachbesetzen.

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Der Einfamilienhaus-Bereich hat Knittels Ansicht nach aus heutige Sicht kaum eine Zukunft. „Die Leute können sich das nicht mehr leisten“, berichtet er. Er höre immer wieder, dass Neubauwillige ihre Baugrundstücke zurückgeben, weil es ihnen zu teuer geworden ist. Selbst eine Erbschaft sei da nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wer bauen will, könnte mit einem mittleren Gehalt die Vorgaben für eine Baufinanzierung nicht mehr erfüllen. Und wer mit 45 Jahren bauen wolle, schaffe es nicht, sein Haus bis 65 abzubezahlen.

Lange Lieferzeiten und teureres Material

Chris Martin vom Fachhandel für Baustoffe sieht, dass sich die Materiallage auf dem Bau für einige Baustoffe nicht entspannt. Durch lange Lieferzeiten verlängert sich dann die Bauzeit. Materialknappheit steigere zudem die Preise. „Für manche Baustoffe ist die Lage nach der Corona-Pandemie besser geworden. Für andere wie Dämmstoffe, Mauer- oder Dachziegel haben wir aufgrund von Engpässen teilweise eine Lieferzeit von einem halben Jahr“, berichtet er. Früher hätten sie dieses Material am Montag bestellt und am Freitag sei es da gewesen.

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Viele Aufträge müssen noch abgearbeitet werden

Der Eigenheimbau habe in den vergangenen Jahren durch die niedrigen Zinsen enorm zugenommen, viele laufende Bauprojekte müssten noch fertiggestellt werden, so Martin. Bei allem, was gebrannt werde, gehen wegen Lieferengpässen für Rohstoffe und hohen Gaspreisen die Preise hoch. Bei Fliesen führe der hohe Gaspreis dazu, dass Hersteller schließen mussten, weil ihre Produkte durch den hohen Gaspreis zu teuer wurden, um auf dem Markt zu bestehen. Das führt wiederum zu Lieferengpässen.

Zudem hat die Branche das Problem, dass Vorprodukte für Fliesen aus der Ukraine kommen und wegen des Krieges nicht geliefert werden können. Es gebe aber auch Baustoffe, bei denen die Situation nach der Pandemie besser wurde, zum Beispiel beim Holz.

Steigende Zinsen, Wegfall von Förderung

Einfamilienhäusern wurden in den vergangenen Jahren viele gebaut. Das habe zu einem Bauboom geführt, weil viele die niedrigen Zinsen nutzen. Doch dieser Bereich werde aufgrund sehr hoher Kosten stark zurückgehen, so Martins Prognose. Steigende Zinsen, der Wegfall einer attraktiven staatlichen Förderung und Auflagen vom Staat tragen zur Preissteigerung bei und führten zu einem starken Rückgang beim Eigenheimbau. Es gebe nur wenige, die Kosten von 750.000 Euro stemmen könnten – mit diesen Kosten muss man heute für ein Einfamilienhaus rechnen.

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Großbauten wie Mehrfamilienhäuser oder Industriebauten würden allerdings weiterhin gebaut und stabil bleiben, so seine Einschätzung.