Auch ohne den Krieg in der Ukraine sind die Baukosten für Wohnungen nicht nur gestiegen, sondern explodiert. Inzwischen sei es unmöglich, eine seriöse Baukostenschätzung abzugeben, sagt Axel Nieburg als Geschäftsführer der Baugenossenschaft Hegau bei der Bilanzpressekonferenz. Dabei geht es nur kurz um ein erfolgreiches Jahr 2021 und schnell um die Sorgen des aktuellen Jahres. Denn das 2021 noch beherrschende Thema Klimawandel sei gesellschaftlich erstmal in den Hintergrund gerückt, sagt Nieburg, und Energie sei nun eine strategische Frage.

Warum nennt die Hegau keine Baupreise mehr?

Explodierende Baukosten sind das eine, Handwerker-Verträge ohne Preisbindung und steigende Zinsen das andere: „Eine seriöse Baupreiskalkulation ist nicht mehr möglich“, sagt Axel Nieburg. „Wir werden erst nach Fertigstellung der Überlinger Höfe wissen, was das Projekt kostet – auch wenn das dann eine Summe ist, zu der wir sie vielleicht gar nicht gebaut hätten.“ Das könne dazu führen, dass künftige Projekte nach der Planung einige Zeit auf die Umsetzung warten müssen. „Mietwohnungen kann man unter diesen Umständen nicht bauen.“

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Welche Bauprojekte stehen an?

2021 hat die Baugenossenschaft Hegau rund 7,7 Millionen Euro in Neubau, Modernisierung sowie Instandhaltung und Instandsetzung investiert. Auch für die Zukunft sind mehrere Millionen-Projekte geplant. In Summe sollen in den nächsten Jahren 200 neue Mietwohnungen entstehen und 72 Wohnungen modernisiert werden. Das macht ein Investitionsvolumen von rund 69 Millionen Euro.

Überlinger Höfe: Es fehlen 1,2 Millionen Euro Förderung

Mit den Überlinger Höfen wird die Hegau die Marke von 2000 Wohnungen knacken. Dafür sollen in der Überlinger Straße in Singen bestehende Mehrfamilienhäusern von fünf neuen Gebäuden gerahmt werden. So sollen 64 Wohnungen und 54 Carports entstehen. Dafür wurden bereits Garagen abgerissen und ein Ersatzparkplatz gebaut. „Ohne diese Vorleistungen müssten wir aus wirtschaftlichen Gründen auf den Bau dieser Mietwohnungen verzichten“, sagt Axel Nieburg klar.

So sehen die Pläne für die Überlinger Straße aus. Neben bestehenden Gebäuden sollen neue entstehen.
So sehen die Pläne für die Überlinger Straße aus. Neben bestehenden Gebäuden sollen neue entstehen. | Bild: Baugenossenschaft Hegau

Denn dass der Bund die KfW-Förderung für energieeffizientes Bauen eingestellt hat, habe sie kalt erwischt. „Es war nie die Rede davon, dass die Förderung für KfW-40 gestoppt wird“, sagt Nieburg und spricht von einem massiven Vertrauensbruch der Politik.

Zwar sei kurzfristig eine Milliarde Euro zur Verfügung gestellt worden, doch dieser Fördertopf sei nach drei Stunden schon leer gewesen. „Wir waren dabei“, sagt Nieburg, doch sie hätten statt der geplanten 2,16 Millionen nur 960.000 Euro erhalten. „So kann man nicht arbeiten.“

Vorstandskollege Jörg Müller (links) und Aufsichtsratsvorsitzender Bertram Greif (rechts) gratulieren Axel Nieburg zu 25 Jahren im Vorstand.
Vorstandskollege Jörg Müller (links) und Aufsichtsratsvorsitzender Bertram Greif (rechts) gratulieren Axel Nieburg zu 25 Jahren im Vorstand. | Bild: Baugenossenschaft Hegau

Schon vor dem Krieg hätten sie mit deutlichen Mehrkosten im Vergleich zu den im Herbst fertiggestellten Praxedisgärten gerechnet, wie Nieburg sagt. Das Budget sei um ein Viertel höher gewesen. Doch das werde vermutlich nicht mehr reichen: Hinter der Schätzung von 21,9 Millionen Euro steht ein dickes Fragezeichen. Durch die Unsicherheit habe sich auch die Bauzeit verlängert: „Wir wollten am 31. Dezember 2013 fertig sein, jetzt dauert es etwa ein Jahr länger.“

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Aus 72 Wohnungen werden 160 bei den Schwarzwald Höfe

In Singens Nordstadt sollen die drei bestehenden Gebäude in der Schauinslandstraße neue Nachbarn bekommen. Dafür sollen bestehende Wohnungen modernisiert sowie aufgestockt werden, außerdem ist ein Anbau entlang der Schauinslandstraße im Passivhaus-Standard geplant. So sollen aus bislang 72 Wohnungen bald 160 werden. Dafür rechnet die Hegau mit Kosten von 30 Millionen Euro.

Im nächsten Schritt müssten erst die Bauvorgaben geklärt werden. Dann soll ein Architekten-Wettbewerb mit acht Büros einen optimalen Entwurf hervorbringen. Geplant ist ein Baustart 2024/25.

Bild 3: Hohe Kosten machen Planen schwer: Wie Baugenossenschaft Hegau trotzdem 2000 Wohnungen knacken will
Bild: Schönlein, Ute

Zu eng sei die Bebauung nicht, sagt Axel Nieburg auf Nachfrage: „Man kann nicht beklagen, dass es zu wenige Wohnungen gibt, und dann dürfen Häuser nur zwei Geschosse haben.“ Es werde immer wichtiger, auf bestehenden Flächen zu verdichten.

Warum lassen Energiepreise die Hegau kalt?

Die Baugenossenschaft Hegau setzt laut Axel Nieburg schon seit 2003 auf Heizen mit Holz und hat inzwischen zudem drei Projekte nach Passivhaus-Standard: die Praxedisgärten in der Romeiasstraße Singen, außerdem Bauten in der Burgstraße in Singen und in der Helene-und-Maria-Schieß-Straße in Konstanz. Dort gebe es Heizkosten-Pauschalen ohne extra Abrechnung.

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Während in Deutschland laut Zahlen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft rund 49,5 Prozent der Haushalte mit Gas und 25 Prozent mit Öl geheizt werden, machen diese fossilen Brennstoffe bei der Hegau nur 28,1 Prozent insgesamt aus. 71,9 Prozent der Genossenschafts-Wohnungen werden mit Holz beheizt. Außerdem betreibt die Hegau 13 Nahwärmenetze.

„Es ist nicht so, dass es nicht geht. Man muss es einfach nur machen“, sagt Nieburg. Zwar sie der Holzpreis zuletzt etwas gestiegen. Doch ein großer Vorteil sei, dass Holz aus Deutschland genutzt werde. So mache man sich nicht von anderen Ländern abhängig. Auch die CO2-Steuer mache ihnen daher keine Kopfschmerzen.

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Wer allerdings in einer Wohnung mit Gasheizung lebe, müsse mit höheren Kosten rechnen. Das stelle manche Mieter vor Probleme. „Wir raten unseren Mitgliedern, für die zu erwartenden hohen Heizkosten Geld beiseite zu legen – so es ihnen denn möglich ist“, sagt der Hegau-Geschäftsführer.

So sahen die Praxedisgärten beim Einzug im Oktober aus.
So sahen die Praxedisgärten beim Einzug im Oktober aus. | Bild: Tesche, Sabine

Wie ging es bei den Praxedisgärten weiter?

73 Wohnungen sind an der Romeiasstraße in Singen entstanden und im Oktober bezogen worden. Dafür hat die Baugenossenschaft Hegau rund 18,5 Millionen Euro investiert. In der Zwischenzeit werde der Neubau wirklich von Gärten gesäumt und trage seinen Namen zu Recht, wie Axel Nieburg hervorhebt. Erstmals hätten sie ein Konzept getestet, das Flächen für gemeinschaftliche Gärten bereitstellt – Urban Gardening genannt. Dort stehen Hochbeete, die von Bewohnern gepflegt werden. Das funktioniere bislang sehr gut.

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Wie viel kostet eine Wohnung

bei der Hegau und wie modern ist sie?

Im Durchschnitt zahlen Mieter der Hegau 6,34 Euro pro Quadratmeter. Wie Axel Nieburg betont, seien viele Wohnungen schon modernisiert. Dabei gehe es um energetische Maßnahmen, aber nicht nur: In der Überlinger Straße seien bereits 210 Wohnungen mit einer elektrischen Schließanlage ausgestattet. Dabei werden wie bei einem Hotel die Schlüssel programmiert. Eine weitere Modernisierung betrifft die Internetverbindung: In den nächsten Jahren sollen alle Häuser auf Glasfaser umgestellt werden.

Die Spanne der Miete hängt dann von dem genauen Standort ab. Für unter 5 Euro pro Quadratmeter sei keine Wohnung mehr zu haben. Bei den Praxedisgärten müssen Mieter mit 11,40 Euro pro Quadratmeter rechnen.

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Damit Menschen sich künftig weiterhin Wohnungen mit der nötigen Zimmerzahl leisten können, setzt die Hegau zuletzt auf kleinere Wohneinheiten, bei der drei Zimmer beispielsweise auf 65 statt 85 Quadratmetern verteilt sind.

Warum gibt es keine Warteliste?

Die Baugenossenschaft Hegau arbeitet nicht mit Wartelisten, da solche meist ohnehin nicht aktuell seien, erklärt Axel Nieburg. Stattdessen werden freie Wohnungen inseriert. Wer einziehen möchte, muss Mitglied werden. Statt einer Kaution wird dann ein Mitgliedsbeitrag bezahlt, für den es eine Dividende gibt.