Ende gut, alles gut, das zählt für Peter Kamenzin. Dabei hatte der „Hegau 24“ am Freitagabend in Engen alles andere als gut begonnen. Wie oft der Vorsitzende des Schwarzwaldvereins und sein Schweizer Kollege Kurt Bührer von der Arbeitsgemeinschaft Unterer Reiat (AGUR) in diesen Tagen die verschiedenen Wetter-Apps konsultiert haben, konnten sie nicht mehr sagen. Der Grund: Unwetterwarnungen über der Region. Ausgerechnet an dem Abend, an dem sich rund 200 Wanderer auf die 86 Kilometer lange Distanz durch den Hegau und den Reiat machten.
Ein Mammut-Marsch, der federführend vom Engener Schwarzwaldverein organisiert und von der AGUR tatkräftig unterstützt wurde. Und jetzt das: Dauerregen. Es wurde hin- und her telefoniert und die bange Frage erörtert, ob man die Wanderung überhaupt stattfinden lassen könne. „Wir sind ja nicht in den Alpen“, sagte Kurt Bührer. „Überall gibt es Dörfer und Möglichkeiten, sich unterzustellen.“ Eine gewisse Nervosität war trotz aller Beschwichtigungen trotzdem zu spüren.
Nässe sorgt für Blasen an den Füßen
Doch wer sich auf dieses Wanderabenteuer einlässt, ist schon einiges gewöhnt. Viele der rund 200 Teilnehmer hatten mit langen Strecken Erfahrung, einige sogar mit 24-Stunden-Läufen. So zum Beispiel der 66-jährige Radolfzeller ehemalige Wanderwart Walter Biselli, der auch schon vor zwei Jahren beim Hegau 24 dabei war. Nachdem er strahlend die Ziellinie überschritten hatte, räumte er ein, dass er bei den schwierigen Witterungsbedingungen mit anderem Schuhwerk besser bedient gewesen wäre. So ging es auch vielen anderen Teilnehmern, die sich auf der Strecke wegen der Nässe mit Blasen an den Füßen quälen mussten. Hilfe gab es unterwegs an den bestens ausgestatteten Stationen.
Ist schon die 24-Stunden-Wanderung an sich eine Herausforderung für Körper und Geist, so machte es der Dauerregen noch schwieriger. Ein kurzer Lichtblick beim Start hatte Hoffnung geschürt. Bei den beiden vorangegangenen Hegau-24-Märschen war brüllende Hitze zum Problem geworden. Ein paar Tropfen sollten also eher Erleichterung bringen. Doch der Himmel schickte das Wasser in Massen.
Der aufgeweichte Boden, der Schlamm und die viele Feuchtigkeit erhöhten die Rutschgefahr in den steileren Reiat-Passagen. Trotz bester Versorgung entschieden sich einige Teilnehmer für einen früheren Ausstieg. Nach und nach hatten auch die Gelenke zu schmerzen begonnen. Wann läuft man auch schon einen doppelten Marathon?

Der Ausstieg war jederzeit möglich. Wer eine Abkürzung brauchte, konnte sich von einem der Shuttles abholen und zum Beispiel von Ulrike Henkel zur nächsten Verpflegungsstation bringen lassen. Sie war auch an den intensiven Vorbereitungen beteiligt und bedauerte nun, dass der Regen das besondere Landschaftserlebnis auf dem Reiatweg und im Hegau so stark verwässerte. Doch die meisten liefen stoisch, zufrieden oder sogar glücklich weiter. „Etwa 60 Prozent haben die gesamte Strecke absolviert“, schätzte Peter Kamenzin am Ende.
Für manchen mag es der Gang durch die Hölle gewesen sein. Den passenden Song von ACDC (Highway to Hell) hatte Kamenzin am Ziel bereit. Doch da strahlten die Wanderer schon längst wieder.
Am Ende konnten die Wanderer wieder strahlen
Überall gab es Lob für die ausgezeichnete Organisation. An den Verpflegungsstationen warteten Helfer auf die Wanderer. Zum Beispiel im Kesslerloch bei Thayngen. Bereits am Morgen um 6 Uhr schenkten Kurt Bührer und Bruno Zwicker hier eine warme Suppe aus. Der Pulk hatte sich bei Kilometer 60 längst entzerrt. Nach und nach trafen die Hungrigen ein, dankbar über den altsteinzeitlichen Schutz in der Höhle. Hier präsentierte die Archäologin Amelie Alterauge einige Repliken und echte Fundstücke aus der Altsteinzeit.

Auch wenn die Geschichte lockte: Die Wanderer mussten weiter, denn der härteste Teil sollte jetzt erst beginnen. Erstaunlich gut gelaunt und mit einem starken Durchhaltewillen ausgestattet ging es für die meisten weiter. „Es ist ein tolles Erlebnis“, sagte die Tuttlingerin Ulrike Knoll. Und Daniel Leitner aus Bietingen berichtete von guten Gesprächen mit andern Wanderern. Der Ingenieur verbringe viel Zeit am Schreibtisch und suche einmal im Jahr die Herausforderung bei so einem großen Marsch. „Durch die Nacht zu laufen, ist total schön“, sagte er und freute sich, in seiner Heimat auch noch etwas Neues zu entdecken.
Begleitet wurden die Wanderer von Fahrrad-Guides, die auf der Strecke schauten, ob es allen gut ging. „Wir haben die Wanderer positiv begleitet und versucht, schlechte Gefühle wegzureden“, sagte Timo Beyer. „Und wir waren auch dafür da, Personen auszusortieren, bei denen es nicht mehr ging.“ Doch das sei kaum nötig gewesen, weil die meisten ihre Fähigkeiten gut eingeschätzt hätten. Das bestätigten auch die Sanitäter des Roten Kreuzes. Noteinsätze habe es nicht gegeben.

Am Ende zeigte sich der Himmel doch noch gnädig. Beim Ziel vor der Engener Hegauhalle strahlte die Sonne mit den Wanderern um die Wette. Altbürgermeister Johannes Moser, Peter Kamenzin und einige Fans begrüßten die Ankömmlinge mit Applaus. Und wann gibt es den nächsten Hegau 24? „Vielleicht in drei Jahren“, sagte ein müder aber glücklicher Peter Kamenzin. „Der Aufwand ist doch enorm.“