Ukraine-Krieg, steigende Energiepreise, Klimawandel: auf Energieerzeuger, Netzbetreiber und Bürger kommen schwierige Zeiten zu. Wie können die lokalen Netze den wachsenden Hunger nach Strom – unter anderem durch E-Mobilität, Wärmepumpen und Digitalisierung – bewältigen? Das war Thema des energiepolitischen Fachgesprächs unter dem Titel „Neue Netze braucht das Land“ am vergangenen Montag in den Stadtwerken Engen.

Staatssekretär Andre Baumann aus dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft tauschte sich auf Einladung der Landtagsabgeordneten Dorothea Wehinger mit Gastgeber Peter Sartena sowie mit Vertretern der Energiewirtschaft, weiterer Stadtwerke und Bürgermeister Johannes Moser aus.

Für „schonungslosen“ Ausbau

„Wir merken, wie abhängig wir geworden sind von Ländern, die Gas, Öl und andere Rohstoffe haben“, sagte Wehinger einleitend. „Wir sind in einer Situation im energiewirtschaftlichen Bereich, in der wir nicht wissen, wo wir in ein zwei Wochen stehen“, formulierte es Staatssekretär Baumann drastischer.

Er forderte einen „schonungslosen“ Ausbau von Photovoltaik-Anlagen. „Wir brauchen mehr Strom und tausende Wärmepumpen für die Mobilität und Industrie“, erklärte Baumann, der von Solarparks auf 6000 bis 8000 Hektar im Land ausgeht. „Das muss richtig rund gehen“, so der Staatssekretär. Aber es müsse mehr Verteilnetze geben. „Das bereitet uns Sorge“.

Klage über Rahmenbedingungen

In der großen Runde wurden die Rahmenbedingungen beklagt: zu weit entfernte Anschlusspunkte, der Zwang zur Drosselung der Energie, langwierige Genehmigungsverfahren.

„Wir sind in einer akuten Notlage“, sagte Solarcomplex-Geschäftsführer Bene Müller und forderte ein „Notfallrecht“ etwa hinsichtlich der Zuleitungen über privaten Grund. Für die Energiewende brauche es einfachere Genehmigungsverfahren und eine aktive Planung mit allen Beteiligten.

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„Dauerfrustration ist vorprogrammiert“, sagte Wolfgang Kaiser. Der Bad Dürrheimer Gemeinderat berichtete von fehlenden geeigneten Anschlusspunkten für das dortige Solarfeld. Jürgen Fürst von den Stadtwerken Stockach forderte die Privilegierung bei der Nutzung landwirtschaftlicher Flächen.

Netze müssen ausgebaut werden

„Es gibt eine hohe Nachfrage nach PV, Wallboxen und Wärmepumpen, aber die Netze sind für die Menge noch nicht ausgelegt, das erzeugt Frust“, so Peter Sartena (Engen). Axel Blüthgen (Stadtwerke Singen) sieht das Problem in Bürokratie und Gesetzgebung: „Der Bund legt Netzbetreibern Fesseln an.“ Zudem fehle der Ausbau von Speichertechnologien.

Marc Stehling (Gemeindewerke Steißlingen) berichtete, man könne in der Gemeinde Hallendächer und Flächen mit PV „zupflastern“, aber dafür müsse das Netz ertüchtigt werden. „Eine zu hohe Last an Strom blockiert jeden anderen Ausbau“, nahm Stefan Kempf von Netze BW Stellung. Damit werde der dezentrale Ausbau gehemmt.

Otto Kettmann von Übertragungsnetzbetreiber Transnet BW versprach: „Die Energiewende kommt in den Kreis Konstanz in Form von Netzausbau“. Auf 140 Kilometer entstehen neue Leitungstrassen, das Umspannwerk Beuren wird aufgerüstet, ein weiteres in Pfullendorf gebaut. „Das Netz stabil halten, ist unsere erste Aufgabe“, so Kettmann. Die Maßnahmen sollen bis 2027 abgeschlossen sein. Vor Ort bleibt bis dahin nur die Hoffnung, dass das jüngst verabschiedete „Osterpaket“ bald greift.