Wenn man schon nicht offiziell feiern kann, was werden Sie dieses Jahr an der Fasnacht machen und was vermissen Sie in diesem Jahr am meisten?
Ich persönlich als Zunftmeister werde am Schmotzige Dunschdig im Häs im Pflegeheim unterwegs sein und mit ein paar lustigen Sprüchen den Bewohnern doch das ein oder andere Lächeln ist Gesicht zaubern. Da ich dort arbeite, ist es für mich ein Anliegen, dort präsent zu sein. Vermissen werde ich am meisten alles, was mit unserer Tradition zu tun hat. Alle schönen Sachen wie beispielsweise die Fasnetsvorbereitungen im Braustüble, wo es herrlich nach der Maische und dem ganzen Prozess des Bierbrauens riecht, wir uns auf den Bieranstich vorbereiten und man sich trifft und miteinander tolle Ideen auf die Wege bringen kann. Das gesellige Zusammensein, davon zehrt der Verein. Ja und nicht zuletzt vermisse ich das Leuchten der Kinderaugen, wenn wir wie jedes Jahr in die Grundschule und die Kindergärten gehen und unsere Häser vorstellen und die Fasnet den Kindern näherbringen.
Gibt es Erinnerungen an das Fasnachts-Ausfalljahr wegen des Irak-Kriegs?
Ich selbst war zu der Zeit noch nicht in der Narrenzunft, aber was ich gehört hab‘ war schon auch so, dass man versucht hat, das Beste daraus zu machen – und das ist das, was wir dieses Jahr auch versuchen werden.
Worauf freuen Sie sich zur Fasnet 2021 besonders?
Ja, freuen ist so eine Sache, meiner Meinung nach ist es das Besinnen auf das Wesentliche, das Wichtige, die Freundschaften, die Familien. Wir sind alle sehr bemüht, dass alle gesund bleiben. Denn das ist das einzige Gut, das man nicht mit Geld kaufen kann.
Wie bewerten Sie den Umgang der Verbände und Vereinigungen mit den Corona-Herausforderungen?
Man muss das mal ganz realistisch sehen, wenn von oben herab schon rumgeeiert wird, es immer auf den Nächstkleineren abgewälzt wird, dann finde ich, haben die Verbände und Vereinigungen nach den Sommerferien das einzig Richtige gemacht, sich zusammengeschlossen und gemeinsam die Großveranstaltungen abgesagt.
Kann das Internet nach Corona die Fasnet der Zukunft bereichern?
Persönlich – und das sehen eigentlich alle anderen meiner Zunftmeister-Kollegen im Hegau auch so – ist das Internet eine Plattform, wo wir uns präsentieren und unsere Veranstaltungen bewerben können. Das kann jetzt natürlich, weil auch mehr Zeit das ist, ausgebaut werden. Aber die Fasnet passiert auf der Straße. Wenn ein Narr in den Kindergarten kommt und er angefasst werden kann oder mit den Umzugsbesuchern an der Straße Spaß hat, ist das was völlig anderes, als wenn es am Bildschirm gezeigt wird. Miteinander etwas erleben, die Traditionen zeigen und gemeinsam auch feiern, das macht die Fasnet aus. Dass jemand auf die Schippe genommen werden kann, man ihm den Spiegel vorhält, das ist Fasnet und das lebt nicht im Internet.

Was ist für Sie der Geist der Fasnet, der auch ohne Veranstaltungen weiterlebt, und was zeichnet die Fasnet in ihrem Heimatort aus?
Ja das ist jetzt das, bei dem wir uns alle an die eigene Nase fassen können. Gottmadingen ist eine Fasnetshochburg mit seinen Veranstaltungen und dem Fasnetmäntig-Umzug. Wir sind alle angehalten, uns zu zeigen, dieses Jahr halt mehr noch als sonst mit geschmückten Häusern und aufgehängten Fahnen. Es ist für alle schwer. Aber seien wir doch mal ehrlich, wir jammern auf hohem Niveau, andere hat diese Pandemie ganz anders getroffen.
Wer ist denn in diesem Jahr das wichtigste Mitglied in der Narrenzunft?
Wichtig ist jeder Einzelne, denn nur gemeinsam können wir durch diese Zeit kommen und das muss allen klar sein. Allein wird man nichts erreichen, nur zusammen gibt es einen Weg aus dem ganzen Schlamassel.
Glauben Sie, dass die Fasnet 2022 sein wird wie immer?
Das kann jetzt noch keiner sagen. Was müssen Veranstalter für Hygienekonzepte vorweisen und wie werden in Zukunft Großveranstaltungen überhaupt angenommen? All das sind Fragen, die uns beschäftigen werden. Ich persönlich denke, dass es vielleicht ein bisschen mehr zurück auf die eigentliche Straßenfasnet gehen könnte und das ist ja auch was Wunderschönes.
Kommt ihr Häs in diesem Jahr überhaupt zum Einsatz?
Ja, wenn nicht an der Fasnet, wann sonst soll ein Narr sein Häs tragen. Dass man die Corona-Verordnungen beachtet, ist selbstverständlich, aber wie ich schon sagte, werde ich am Schmotzige Dunschdig durch unser Altenpflegeheim gehen und die Fasnet leben lassen.
Haben Sie ein persönliches Motto für diese Saison?
Gesund bleiben und Freude vermitteln. In dieser Zeit ist ein gesundes Lachen das, was uns keiner nehmen kann.
Und was haben Sie für den Aschermittwoch geplant?
Traditionell ist in Gottmadingen außer dem Narrenbaumfällen, dem Abhängen der Fasnetsbändel auf den Straßen und dem Schnäggen essen in den Wirtschaften sowieso nichts. Da wird sich in diesem Jahr auch nichts dran ändern.
Zu Zunft, Person und Serie
- Zur Serie: Zum Schutz vor Ansteckungen mit dem Coronavirus finden in diesem Jahr praktisch keine offiziellen Fasnachtsveranstaltungen statt. Welche Stimmung das auslöst, wo es vielleicht doch ein bisschen Freude gibt und welche Hoffnungen die Narren in die Zukunft setzen – dazu kommen in der Serie elf Narren zu Wort. Jeder von ihnen bekommt die gleichen elf Fragen vorgelegt, die die Singener SÜDKURIER-Redaktion erstellt hat.
- Zur Person: John Weber ist seit 2015 Zunftmeister der Gottmadinger Gerstensack-Narrenzunft. Zuvor war er acht Jahre Chef der Oberholzer in der Narrenzunft. Während des restlichen Jahres ist er im Gottmadinger Pflegeheim St. Hildegard beschäftigt.
- Zum Verein: Die Gerstensackzunft zählt zu den großen Vereinen in der Narrenvereinigung Hegau-Bodensee. Die Narrenzunft Gerstensack besteht seit 1874 und ist somit seit fast eineinhalb Jahrhunderten fester Hauptbestandteil der Gottmadinger Fasnet. Durch Gerstensack-Konzerte, das eigens gebraute Zunftbier und den traditionellen Fasnetmäntig-Frühschoppen samt großem Umzug ist die Zunft weit über die Gemeindegrenzen bekannt. Zum Verein zählen die Gruppen der Almenholzer, Gerstensackschnecken, Heilsbergzusle, Narrenpolizei und Zunfträte. Über 130 aktive Zunftmitglieder, rund 30 passive Zunftmitglieder und etliche Fördermitglieder sind im Verein. (sk)