Herr Glunk, wenn man schon nicht offiziell feiern kann, was werden Sie dieses Jahr an der Fasnacht machen?
Ehrlich gesagt, ich weiß es noch nicht so recht. Wahrscheinlich werde ich hauptsächlich zu Hause bleiben, immer mal wieder das Häs anziehen und schöne Videos über den Poppele und die anderen Zünfte anschauen. Vielleicht gehe ich auch mal im Häs in die Stadt, das sehe ich dann kurzfristig. Was aber auf jeden Fall richtig passieren muss, ist, dass wir den OB absetzen und dass am Fasnachtsdienstag der Poppele wieder in seine Gruft kommt. Nur wie das passiert, ist noch offen.
Gibt es Erinnerungen an das wegen des Golfkriegs ausgefallene Fasnachtsjahr 1991?
Oh ja. Damals stand der Rohbau der Zunftschüür, an dem um diese Zeit gearbeitet wurde. Einige Narren haben sich dort aus Trotz getroffen und im Kleinen gefeiert. Das geht heute natürlich nicht.
Worauf freuen Sie sich zur Fasnacht 2021 besonders?
(überlegt lange) Über eine schöne Aktion wie den virtuellen Kindernachmittag. Der findet anstelle der Aktion statt, die wir normalerweise am Fasnachtsfreitag haben. Da bereitet unser Jugend-Team einen 45-minütigen Film vor, den man stattdessen anschauen kann. Dass wir so engagierte Leute in der Zunft haben, die auf solche Ideen kommen, darüber freue ich mich.
Wie bewerten Sie den Umgang der Verbände und Vereinigungen mit den Corona-Herausforderungen?
Ich glaube, dass alle sehr verantwortungsbewusst mit der Pandemie umgehen. Nach meinem Urteil halten sich die Verbände an die Gebote und Verbote, im Bewusstsein, dass man die Pandemie nur in den Griff bekommt, wenn man sich richtig verhält. Gleichzeitig wissen die Verbände um die unterschiedlichen Möglichkeiten der Zünfte, sodass es zurecht nicht eine zentrale Anweisung für alle gibt.
Kann das Internet auch nach Corona die Fasnet der Zukunft bereichern?
Davon bin ich fest überzeugt. Die Kreativität der Narren in Bezug auf Filme wird bleiben. In dieser Hinsicht wird viel Positives erhalten bleiben.
Was ist für Sie der Geist der Fasnet, der auch ohne Veranstaltungen weiterlebt?
Das bedeutet für mich, Lust haben am Sichverkleiden und die Lust, für eine begrenzte Zeit ein anderer zu sein, und zwar gemeinsam mit anderen. Und dazu gehört auch das Bewusstsein, dass diese Zeit auch einmal zu Ende sein muss, aber mit der Gewissheit, dass sie auch wieder beginnt.
Wer ist in diesem Jahr das wichtigste Mitglied in der Narrenzunft?
Ideell ist das bei uns natürlich immer der Poppele als Schutzgeist der Singener Fasnacht. Doch der ist in seinen Aktivitäten momentan sehr gehemmt. Ansonsten würde ich sagen, der Zunftkanzler Ali Knoblauch, der sich jetzt überlegen muss, wie die Fasnacht künftig läuft. Was können wir veranstalten, wie bezahlen wir das und wie geht es mit der Scheffelhalle als unserer Heimat weiter? Und im Prinzip ist dann auch der Säckelmeister Holger Marxer besonders betroffen, denn er muss aufs Geld achten – in einem Jahr, in dem wir kaum Einnahmen haben.
Glauben Sie, dass die Fasnet 2022 sein wird wie immer?
Da erlaube ich mir noch keine Prognose. Ich hoffe, dass es mit der Corona-Impfung so läuft, dass man nach den Sommerferien wieder einigermaßen normal leben kann. Aber es gilt eben tatsächlich das Prinzip Hoffnung.
Kommt Ihr Häs in diesem Jahr überhaupt zum Einsatz?
Natürlich, zum Beispiel jetzt in der Vorbereitung der eigentlichen Fasnacht, etwa für kleine Filme. Und bei der Aktion mit dem OB am Schmotzigen Dunschtig und etliche Male zu Hause, wenn wir in der Familie Fasnacht machen. Trotzdem: Wenn man sieht, wie viele Menschen am Schmotzigen Dunschtig, unserem Haupttag, sonst Spaß haben – da wird es schon Tränen geben, dass es dieses Jahr nicht so ist wie sonst.
Haben Sie ein persönliches Motto für diese Saison?
Das Motto der Zunft ist auch mein persönliches Motto: Fasnet – mit Abstand s Bescht. Und je länger die Fasnacht dauert desto besser wird dieses Motto. Denn es sagt ja zwei Dinge. Es ist dieses Jahr wichtig, buchstäblich Abstand zu anderen Menschen zu halten. Aber die Fasnacht ist eben auch mit Abstand – also bei weitem – das Beste.
Und was haben Sie für Aschermittwoch geplant?
Normalerweise wird an Aschermittwoch der Narrenbaum gefällt. Doch das wird dieses Jahr nicht gehen, da wir Corona-bedingt auch keinen Narrenbaum stellen werden. Und dann würde ich mich normalerweise an diesem Tag von der Fasnacht ausruhen. Doch dieses Jahr? Da werde ich wohl etwas tun, was typisch für einen Deutschlehrer sein dürfte: zu Hause sein und ein gutes Buch lesen.
Zu Person, Zunft und Serie
- Person und Zunft: Stephan Glunk, 62, ist Zunftmeister der Singener Poppele-Zunft. Der Verein hat etwa 1000 Mitglieder und ist damit der größte Fasnachtsverein in Singen. Etwa 300 Mitglieder zählt er zum Kern der aktiven Fasnachter. Bereits zum eigentlichen Start der Fasnacht am 11. November war die Poppele-Zunft wie alle Narren der Region Corona-geplagt: Der Auftakt fand nur per Video im Internet statt. Nur wenige Tage danach brannte die Scheffelhalle ab. Seitdem fehlt der Ort, der für die Singener Narren sonst eine Heimstatt während der Fasnacht war. Die Poppele-Zunft setzt sich stark für einen Wiederaufbau der Halle als Heimat für die Vereine ein. Dass es dieses Jahr keinen Narrenspiegel gibt, tue besonders weh, so Glunk, denn dort habe es auch Narrenschelte gegeben. Und für die Poppele-Zunft gebe es nun die zentrale Frage: Wo findet der Zunftball 2022 statt? Wenn Glunk nicht gerade Fasnacht macht, ist er stellvertretender Leiter der Hohentwiel-Gewerbeschule, wo er Deutsch, Englisch und Musik unterrichtet.
- Serie: Zum Schutz vor Ansteckungen mit dem Coronavirus finden in diesem Jahr praktisch keine offiziellen Fasnachtsveranstaltungen statt. Welche Stimmung das auslöst, wo es vielleicht doch ein bisschen Freude gibt und welche Hoffnungen die Narren in die Zukunft setzen – dazu kommen in der Serie elf Narren anhand von elf Fragen zu Wort. (eph)