Manchmal liegt Berlin doch ziemlich nah an Gottmadingen, zum Beispiel beim Fasnetmäntig-Frühschoppen der Gottmadinger Gerstensackzunft. Das ist auch kein Wunder, wenn man zwei Bundestagsabgeordnete und auch sonst allerlei politisches Personal auf die Bühne bittet. Und wenn eine Bundestagswahl so kurz vor der Fasnacht stattfindet und sich noch dazu die Ereignisse der Weltpolitik überschlagen, gibt es reichlich Gesprächsstoff bei dem fasnachtlichen Top-Termin.

Den Schlusspunkt setzte dabei Ann-Veruschka Jurisch, die als FDP-Abgeordnete noch für den Landkreis Konstanz im Bundestag sitzt. Ihre Büttenrede begann sie damit, dass sie sich das Wahlergebnis schöntrinken müsse. Sie war entgeistert darüber, dass die Wähler ihrer Partei fast so wenige Prozente wie bei einem alkoholfreien Bier verpasst haben. Daher forderte sie: „Saufen für die Freiheit“ – damit wieder mehr Prozente zusammenkommen.
Das sei umso wichtiger, als manche schon von Vornherein blau seien und auf russischen Wodka stünden – das richtete sich klar gegen die AfD und war übrigens die einzige Anspielung dieser Art bei der Veranstaltung. CDU und CSU, die fuselige 28,5 Prozent erreicht haben, hätten der FDP Stimmen abgejagt und würden auch schon hellblau, so Jurisch.

Weniger scharf in Richtung der Union schoss Lina Seitzl (SPD). Den Most-getränkten Schnuller, den die Narren ihr als junger Mutter zuvor überreicht haben, hätte sie gerne bei Robert Habeck (Grüne) angewendet, sagte sie in ihrer Rede. Dann nämlich, wenn der erklärte, dass ein Unternehmen nicht gleich Insolvenz anmelden müsse, man könne auch mal für ein paar Wochen nichts produzieren. Das war 2022 bei Sandra Maischberger und bezog sich auf eine mögliche Insolvenzwelle durch Corona-Folgen.
Schnuller für schwierige Ampelpartner
Auch für Christian Lindner und Wolfgang Kubicki (beide FDP) hätte Seitzl den Schnuller gerne mal genutzt, wenn die mal wieder Opposition in der Regierung spielten: „Schnuller rein und Ruhe ist.“ Doch mit dem Konstanzer CDU-Abgeordneten Andreas Jung – der beim Frühschoppen nicht dabei war – könne sie in eine große Koalition gehen, sagte Seitzl. Und den Schnuller nur noch für echte Kinder verwenden.
In Richtung Bundespolitik schaute auch Gerstensack-Zeremonienmeister Christoph Graf zu Beginn der Veranstaltung. Nach dem Wahlkampf bis aufs Messer werde nun alles endlich besser, reimte er. Und die Politik könne ja einfach mal aufhören, alles bis ins Kleinste zu regulieren und den Bürgern zu misstrauen. Stattdessen sollte man ein paar Gesetzeszöpfe abschneiden. Dann würden auch die „Vollpfosten, die extreme Parteien gewählt haben“, merken, dass die Politik sich kümmern will.

Doch auch an die Landespolitik haben die Gottmadinger Narren einen Wunsch – nämlich Platz, um Gerste anzubauen, wo alles mit Solarparks belegt werde, wie Graf anmoderierte. Die Gerste wird schließlich für das Fasnachtsbier gebraucht.
Gerste und Solar – das muss sich nicht ausschließen
Die Grünen-Landtagsabgeordnete Saskia Frank hatte dazu eine Idee: Auch in Stuttgart werde man das Fasnachtsbier aus dem Hegau wollen – im Gegenzug gebe es dann einen Förderbescheid für die Gerste. Und die Grünen hätten natürlich ohnehin den Plan: „Wir pflanzen einfach Solargerste an.“ Beim Klimawandel brauche man eben Gerste vom Solarfeld.

Poppele-Nachfolger hat närrisch gute Ideen
Einer machte auch nach der Bundestagswahl Wahlkampf, nämlich Singens Poppele Timo Heckel. Er will bei der Mitgliederversammlung der Poppele im Sommer das Amt des Zunftmeisters als Nachfolger von Stephan Glunk erobern und hat schonmal sein Wahlprogramm vorgestellt. Dazu gehört: Fasnacht als Dauerveranstaltung und Abschaffung des Aschermittwoch; zweisprachiger Unterricht an Schulen in Hochdeutsch und Alemannisch; und John Weber könne neben dem Job als Zunftmeister der Gerstensäcke auch Ehrenmitglied der Poppele werden. „Aber erst, wenn er fünf Körbe Eier für das Singener Eierwieb ausgeblasen hat“, so Heckel.

Für den Blick über die Grenze zur Schweiz sorgten Büsingens Bürgermeisterin Vera Schraner und der Thaynger Gemeindepräsident Marcel Fringer. Schon in den Windeln lerne der Büsinger, dass Badisch nicht alles sei, sagte Schraner: „Mit Schwyzerdütsch kommt man weiter.“ Und sie hatte auch gleich einen handfesten Vorteil der Schweizer Notfallalarmierung im Ärmel: Wenn Trump und Putin einen krummen Deal machen, können alle Büsinger in die sichere Schweiz entkommen.

Marcel Fringer nahm die Ampeln in der Gottmadinger Ortsdurchfahrt aufs Korn und kam zu dem Schluss, dass das Abwasser seiner Gemeinde schneller durch Gottmadingen in Richtung Ramsen fließe als der Verkehr.
Musik kam von der Gerstensack-Kapelle, dem Fanfarenzug der Gerstensackzunft – und vom amtierenden und früheren Ehrengerstensafter, Holger Mayer und Stephan Glunk. Als Gastverein waren die Bosköpfe aus Bodman dabei, samt launiger Vorstellung von deren Zunftmeister Timo Schubert.