Da ging der aus Stuttgart angereiste Staatssekretär aus dem Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz auf die Knie. Vor blühenden Traubenhyazinthen im ehemaligen Rebberg Gottmadingens zückte Andre Baumann seinen Fotoapparat und lichtete die seltenen Pflanzen ab. D
abei musste er sich vorsichtig bewegen, denn in diesem Hang wuchs eine noch seltenere Pflanze, die Bocks-Riemenzunge, eine Orchideenart, deren Blattrosetten sich im Gras ausbreiteten.
Andre Baumann war der Einladung der grünen Landtagsabgeordneten Dorotha Wehinger gefolgt, die gleichzeitig auch Gemeinderätin in Steißlingen ist. Sie hat sich für den Besuch jedoch nicht Steißlingen, sondern Gottmadingen ausgesucht.
Die dort vorbildlich gepflegten Streuobstwiesen wollte sie dem Staatssekretär zeigen, bevor er am Abend in der Stadthalle Singen in einem Vortrag die Klimastrategie der baden-württembergischen Landesregierung erläuterte.
Diplomarbeit über Insekten
"Noch nie in der Geschichte Baden-Württembergs hat eine Landesregierung so viel Geld für den Naturschutz bereitgestellt," freuten sich der Staatssekretär und die grüne Landtagsabgeordnete, als sie sich vom Gottmadinger Höhenfreibad ins Gewann Schorenweiher auf den Weg machten.
Geführt von Eberhard Koch, dem Umweltbeauftragten der Gemeinde Gottmadingen, begleitet von vielen ehrenamtlichen Naturpflegern, Vertretern des BUND Westlicher Hegau und jungen Frauen, die ein freiwilliges ökologisches Jahr absolvieren. V
on Eberhard Koch erfuhren sie, dass im Freibad, im Boden des Beachvolleyballfeldes, seltene Efeu-Seidenbienen nisten. Nichtstechende Insekten, die sich von Efeupollen ernähren. Da outete sich der in Biologie promovierte Andre Baumann. Seine Diplomarbeit hat er über Insekten geschrieben.
Es ging vorbei an Nagelfluhfelsen und dem ehemaligen Bierkeller der Sternen-Brauerei vorbei am kleinen Obstgarten, der zu verwildern drohte, den die Gemeinde über die Streuobst-Börse aber an einen jungen Mann vermitteln konnte, der sie vorbildlich in Schuss hält.
Wild wuchernde Americano-Reben
Die Exkursionsteilnehmer bestaunten die Wiese mit jungen und alten Obstbäumen, die der Gottmadinger Gebäudedienstleister Cowa zusammen mit dem BUND betreut. Cowa-Geschäftsleiter Markus Stich und Nina Ache-Hirschmann führten aus, dass bei jedem großen Gebäudereinigungsauftrag, den Cowa erhält, ein Obstbaum gepflanzt wird.
Die Kunden erhalten eine Urkunde und im Herbst einen Likör, aus Apfel- oder Birnenmost. Markus Stich behauptete, wenn die Kunden den Reinigungsauftrag kündigen, wird der Baum umgesägt. Die Gruppe verstand den Spaß und brach in lautes Lachen aus.
Über den ehemaligen Weinberg Gottmadingens mit den blauen Traubenhyazinthen, den Bocks-Riemenzungen-Blattrosetten und uralten, wild wuchernden Americano-Reben ging es, vorbei an Gottmadingens einzigem vulkanischen Schlot, ins sogenannte Wildschwein-Paradies, eine Wiese südlich und unterhalb des urwaldähnlichen Waldgebietes des Grafen Douglas.
Angesichts der durchwühlten Wiese und des ungelösten Wildschwein-Problems im Land, gab Staatsekretär Baumann allen den Rat: "Esst mehr Wildschwein! Macht’s wie Obelix!"
Das Streuobst
Streuobstbeständen gemeinsam ist laut Nabu die regelmäßige Nutzung sowohl der Hochstamm-Obstbäume als auch der Flächen unter den Bäumen. Die umweltverträgliche Nutzung eines Streuobstbestandes schließt die Anwendung synthetischer Behandlungsmittel wie Pestizide und Dünger aus.
Die häufigste Anlageform ist die Streuobstwiese, bei der hochstämmige Obstbäume auf Wiesen, Weiden oder Mähweiden stehen. Nach Nabu-Schätzungen existieren bundesweit rund 300 000 Hektar Streuobstbestände.
Andere Streuobstbestände sind flächenhafte Anpflanzungen von Hochstamm-Obstbäumen auf ackerbaulich oder gärtnerisch genutzten Flächen, sogenannte Streuobstäcker.