Tempo 30 soll die Straßen sicherer machen. Und Anwohner weniger Lärm ertragen lassen. Das zunehmend verordnete Limit auf den Durchgangsstraßen könne aber auch Rettungseinsätze massiv behindern. Dies erklärt der Gottmadinger Feuerwehrkommandant Stefan Kienzler. In seiner Wohngemeinde gilt seit einigen Wochen auf einem Großteil der Hauptstraße, die durch den Ort verläuft, Tempo 30. Von Gemeinderat beschlossen, vom zuständigen Landratsamt Konstanz umgesetzt. Im Zuge eines Lärmaktionsplanes, der in vielen Kommunen um sich greift. „Die Reduzierung der Geschwindigkeit führt aber dazu, dass die mitunter lebenswichtigen Anfahrtszeiten der Rettungsdienste, wie bei der Feuerwehr, sich teils nicht unerheblich verlängern. Das trifft nicht nur für Gottmadingen zu, sondern auch auf viele andere Städte und Gemeinden des Landkreises Konstanz und darüber hinaus“, betont Kienzler. Als Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbandes stünde er mit seiner Meinung nicht alleine, sondern teile diese mit vielen anderen Kommandanten. „Wenn das Tempolimit runter geht, müssen auch wir bei Einsätzen langsamer und noch umsichtiger fahren. Da helfen auch nicht Blaulicht und Sirene“, sagt der Kommandant.

Das Tempolimit betreffe aber insbesondere die Kameraden, die erst mal mit ihrem Privatauto das Feuerwehrhaus anfahren müssten. Wer zu schnell unterwegs sei, dem könnte wie der Feuerwehr selbst bei Einsätzen – sollten sie geblitzt werden – schon mal ein Bußgeldbescheid oder gar ein Fahrverbot drohen. „Wir dürfen uns im Nachhinein rechtfertigen, wie dies in einem Einzelfall schon der Fall war. Aber Tempo 30 schränkt uns weiter ein. Das stellt auch stark in Zweifel, ob wir alle vorgeschriebenen Mindestzeiten der Einsatz-Anfahrten halten können“, betont Kienzler. Bei einem Einsatz in Gailingen, um den dortigen Kollegen zu helfen, müsse man möglicherweise drei verkehrsberuhigte Zonen, wie in Randegg, durchfahren. Bei anderen Rettungsdiensten gebe es wohl ähnliche Probleme. Und die Singener Feuerwehr müsse schon einen zweiten Feuerwehrhaus-Standort im Singener Süden beziehen, damit es vor den Einsätzen kürzere Wege gebe.
Hitzige Diskussion im Rat
„Es gab hitzige Diskussionen und einen alles andere als einstimmigen Beschluss“, sagt Walter Beyl im Blick auf die Gottmadinger Ratsentscheidung zurück. Er engagiert sich selbst in der Feuerwehr, auch als erprobter Einsatzleiter. Und als langjähriger Gemeinderat kann er in Gottmadingen mitbestimmen. „Ich war klar gegen Tempo 30 in Gottmadingen, akzeptiere aber die Entscheidung, dass die Geschwindigkeitsreduzierung nicht mehr wie bisher nachts, sondern auch tagsüber gilt“, betont Beyl. Er zweifle an, ob die neue Situation den Lärm vermindere, es komme aber nun zu einer weiteren Ballung des Verkehrs. „Der ist in Gottmadingen ohnehin nicht einfach. Wir sind ein Gewerbestandort mit reichlich Zulieferverkehr. Zudem wollen auch viele Lasterfahrer die Ortsdurchfahrt nutzen, wenn sie nach Hilzingen oder andere Orte gelangen wollen, um Maut-Gebühren auf der Autobahn zu umgehen“, sagt Beyl, der zusammen mit seinem Bruder Helmut einen Handwerker-Betrieb in Gottmadingen führt.
Bei Anzeigen braucht es eine Rechtfertigung
Umsichtig fahren, sei aber nach wie vor oberstes Gebot bei den Einsätzen der Feuerwehr, betont Stefan Kienzler. Dies gelte auch für den Rettungsdienst des Deutschen Roten Kreuzes, wie dessen kreisweiter Leiter, José da Silva, betont. „Wir dürfen auch in Tempo-30-Zonen schon mal etwas schneller fahren, wenn es die Einsätze erfordern. Wenn ein Fahrzeug geblitzt wird, müssen wir aber auch erst einmal schriftlich Stellung beziehen“, berichtet da Silva. Der Vorteil seines Rettungsdienstes gegenüber der Feuerwehr sei, dass die Einsatzkräfte nicht erst privat anfahren müssten.
In Volkertshausen geht‘s schneller
In Volkertshausen kann im Gegensatz zu vielen anderen Hegauer Gemeinden die Landesstraße als Ortsdurchfahrt mit einer Höchstgeschwindigkeit von 50 Stundenkilometern passiert werden. „Bisher war dem Gemeinderat das Verfahren des Lärmaktionsplans zu aufwändig. Das könnte sich aber ändern“, sagt Volkertshausens Bürgermeister Marcus Röwer. Es gebe viele Beschwerden von Menschen, die an der Durchgangsstraße wohnen. Sie wünschten sich Tempo 30 und erhofften sich weniger Lärm. Es werde in diesem Jahr noch einen Bürgerabend zur Gesamtthematik Verkehr geben. In den Gemeindestraßen gelte bislang schon Tempo 30.
Sonderreglung für Rettungsdienste
Und was sagt das Landratsamt Konstanz zur von der Feuerwehr beschriebenen Problematik? „Falls es zu Anzeigen von Verkehrsverstößen durch Feuerwehrangehörige im Einsatzfall oder bereits auf deren Anfahrt ins Feuerwehrgerätehaus kommt, gibt es dafür Sonderregelungen. Dies gilt auch für die Mitglieder anderer Hilfsorganisationen“, erklärt Pressesprecherin Marlene Pellhammer. Bei Einsatzfahrten könne gegen geltende Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung verstoßen, ohne weiterverfolgt zu werden. Dieses Recht greife unter anderem für sämtliche Einsatz- und Rettungsfahrzeuge während der Einsatzfahrten und in begründeten Einzelfällen auch bei der Anfahrt durch die Einsatzkräfte.
„Wir sind als untere Straßenverkehrsbehörde für alle Gemeinden im Landkreis zuständig, außer für die Verwaltungsgemeinschaft Stadt Stockach und die Großen Kreisstädte. Das Landratsamt ordnet auf Antrag der Kommunen und nach Ermessen – Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm – mögliche Geschwindigkeitsreduzierungen an“, so Pellhammer. Habe eine Gemeinde erkennbar Ermessen angewandt, erfolge die verkehrsrechtliche Anordnung. „Die Gemeinden stellen im Vorfeld Lärmaktionspläne auf. Dies als aufwendiger Prozess unter Beteiligung der Bevölkerung, des Gemeinderats und der Träger öffentlicher Belange“, so Marlene Pellhammer. Für Lärmaktionspläne brauche es gewisse Verkehrsstärken.