Es gab Zeiten in Gottmadingen, da war das Dorf eine SPD Hochburg. Grund dafür war die durch die Industrie geprägte Arbeiterschaft. Auch die CDU erfreute sich in der Wählerschaft eines großen Zuspruchs. Man denke an den ehemaligen Landrat Robert Maus und seine Parteifreunde. SPD und CDU verkörperten auch in Gottmadingen das Bild der großen Volksparteien.
Doch das Bild hat sich gewandelt. Haben CDU und SPD das Vertrauen verspielt? In der Landtagswahl 2021 haben die Gottmadinger Wähler die beiden Volksparteien auf hintere Plätze verwiesen und mit 35,58 Prozent der Stimmen für Dorothea Wehinger noch grüner gewählt als das im Landesdurchschnitt (32,7 Prozent) der Fall war. Dabei hat Gottmadingen nicht einmal eine grüne Gemeinderatsfraktion.
Dass nur 57,08 Prozent der 7624 Wahlberechtigten von ihrem Stimmrecht Gebrauch machten, gibt zu Denken. Die Wahlbeteiligung lag auf Landesebene rund sechs Prozent höher. Der SÜDKURIER hat die Vorsitzenden der drei Gottmadinger Gemeinderatsfraktionen befragt. Die Antworten liefern einige Erklärungen zum Wahlausgang im Dorf.
Stärkste Fraktion sind die Freien Wähler mit zwölf Sitzen im Gemeinderat. Den Fraktionsvorsitz hat Eberhard Koch. Auch auf Landesebene kandidierte eine Gruppe von Freien Wählern für den Landtag. Eberhard Koch spricht von „Etikettenschwindel. Wir Freien Wähler wollen keine Partei sein, sondern stehen für themenorientiertes Engagement in der Kommune. Wir vertreten keine einheitliche Haltung“. Das bedeutet, dass die FW in Gottmadingen mit ihrem breiten Spektrum verschiedene politische Strömungen in sich vereinen. So kann Eberhard Koch auch nicht für seine Fraktionskollegen, sondern nur für sich sprechen, wenn er den Wahlausgang bewertet.
Freude bei Freien Wählern
„Ich freue mich sehr über das Ergebnis, weil es den Grünen mehr Handlungsspielraum gibt“, sagt er. Dorothea Wehinger liegt in Gottmadingen mit ihrem Stimmenanteil von 35,58 Prozent nochmal um 3,1 Prozent über den Grünen im Land. „Jetzt kann der Klimaschutz einen oder zwei Gänge zulegen“, freut sich Koch. Er sei froh, dass die AfD wieder etwas zurechtgestutzt worden sei. Trotzdem müssten die traditionellen Volksparteien ihre rechten Ränder im Blick behalten.
Bernhard Eisenhut zieht über ein Zweitmandat in den Landtag ein, obwohl er im Wahlkampf wenig in Erscheinung trat. Im Wahlkreis 23, also Bietingen und Ebringen, holte der AfD-Kandidat beim 27, 41 Prozent und im Wahlkreis 24, Randegg, 19,7 Prozent der Stimmen. In Gottmadingen riss die AfD die Zehn-Prozent-Hürde, während sie im Land mit 9,7 Prozent abschnitt.
Aber auch Hans-Peter Storz fuhr in Gottmadingen mit 12,97 Prozent ein besseres Ergebnis ein als die SPD im Land (11,1 Prozent). Die Gottmadinger SPD-Fraktionsvorsitzende Kirsten Graf ist sehr froh darüber, dass es Storz zum zweiten Mal in den Landtag geschafft hat. „Ich kenne ihn aus dem Kreistag. Er ist einer der wenigen, der keiner vorgefertigten Meinung folgt, sondern einfach was tut.“ Dagegen könne sie sich an keine einzige Wortmeldung des AfD-Mannes Eisenhut erinnern. Graf sagt, sie sei erschreckt darüber, in wie vielen Gemeinden die AfD mehr Stimmen als die SPD bekommen hat.
Nachdenkliche SPD
Für die Gottmadinger SPD-Frontfrau ist das Landtags-Wahlergebnis alles andere als befriedigend. „Wir bedauern, dass die SPD in die Marginalität abdriftet.“ Zwar seien die Umweltthemen sehr wichtig, sagt sie. Die soziale Ausgewogenheit gehe bei den Grünen jedoch verloren. „Die Grünen stehen nicht so eindeutig auf der Seite derjenigen, die es nicht so gut haben“, ist Kristen Graf überzeugt. „Den Werteverlust bedaure ich sehr.“
Die größten Verluste erlitt die CDU. In Gottmadingen liegt die Partei mit 18,77 Prozent sogar noch um gut fünf Prozent unter dem Landesergebnis. Bernd SChöffling ist zwar Vorsitzender der Gottmadinger CDU-Fraktion, er ist aber kein CDU-Parteimitglied. Für ihn ist klar, dass die Partei jetzt ihre Hausaufgaben machen müsse. Die Gemeinderatsarbeit habe aber keinen Einfluss auf das schlechte Abschneiden gehabt, weil auch die fünf CDU-Gemeinderäte sich ausschließlich an Sachthemen vor Ort beteiligen. So sei das Thema Asylpolitik im Dorf fast geräuschlos über die Bühne gegangen, obwohl hier über 200 geflüchtete Menschen lebten. Schöffling ist froh, dass sich die AfD im Rückwärtsgang befindet. „Alle demokratischen Parteien sollten auf ihren rechten Rand achten“, sagt er.
Auffallend ist, dass sehr viel Gottmadinger Briefwähler (40,51 Prozent) für Dorothea Wehinger (Grüne) gestimmt haben. Auch Tobias Herrmann (CDU) wurde mit 20,67 Prozent besonders oft per Brief gewählt. Ob der Maskenskandal auf Bundesebene sein Ergebnis noch zusätzlich getrübt hätte, darüber lässt sich nur spekulieren.