Wer den neuen Leiter der kleinen Polizeiposten in Gottmadingen besucht, muss erst einmal ein paar Stufen überwinden. Die Tagesdienststelle ist in einem ehemaligen Wohnhaus untergebracht. Zum Eingang gelangt man über einen doppelseitigen Treppenaufgang.
Nach dem Klingeln öffnet der Chef die Tür persönlich. Am 1. September 2020 hat Georg Lautenschläger die Leitung der Dienststelle übernommen. Die Corona-Beschränkungen haben den Neustart unter erschwerte Bedingungen gestellt. Wie lernt man eine Gemeinde mit ihren Befindlichkeiten kennen, wenn alle Feste und Veranstaltungen abgesagt sind? Auf der Höri, wo Lautenschläger fast 17 Jahre im Einsatz war, kannte er fast jeden Stein. Jetzt empfängt er die Reporterin in Gottmadingen.
Der Zugang zur Polizei ist nicht barrierefrei
Der Blick wandert in einen engen Hausflur. Eine Glaskabine schützt die diensthabenden Beamten vor aggressiven Zeitgenossen. Im Flur hängen Fahndungsfotos. Im Großen und Ganzen wirkt der Polizeiposten beinahe wohnlich. Auf einer grauen Filztreppe führt Lautenschläger die Besucherin in sein Büro im Obergeschoss. Die Gemütlichkeit hat auch ihre Kehrseite. „Wir sind nicht barrierefrei“, sagt der Chef. „Eine rollstuhlpflichtige Person können wir hier schwer vernehmen. Die Beamten müssen sie dann privat aufsuchen.“ Kuschelig ist es auch in den Dienstzimmern selbst, wenn alle acht Beamten des Postens an Bord sind.

Ziemlich viel los in Gottmadingen
Dagegen sind die Aufgaben des Gottmadinger Polizeipostens alles andere als kuschelig. Zum Einzugsgebiet gehören die Ortsteile, die Flächengemeinde Hilzingen mit Ortsteilen, Gailingen und Büsingen. Alleine die großen Entfernungen sind zeitraubend. Weite Wege ist Georg Lautenschläger von seinem letzten Dienstort in Gaienhofen gewöhnt. „Aber hier ist sehr viel mehr los als auf der Höri“, hat er festgestellt. Das liege nicht zuletzt am großen Grenzübergang in Bietingen. Der werde zwar vom Zoll kontrolliert; Verkehrsdelikte, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz oder Probleme auf dem LKW-Parkplatz landen alle beim Polizeiposten Gottmadingen. „Auch Haftbefehle arbeiten wir ab und bringen die Gesuchten gegebenenfalls in die JVA“, sagt der Dienststellenleiter. Einmal täglich sei eine Polizeistreife beim Zoll gebunden.
Auch auf dem Land immer mehr Internetkriminalität
Vergleicht er die Gottmadinger Vorkommnisse mit denen in Gaienhofen, so haben es seine Beamten mit einer anderen Klientel und anderen Delikten zu tun. Das liege möglicherweise am Industriestandort, der eine andere Sozialstruktur nach sich ziehe als auf der ländlichen Höri. Häufig haben es die Beamten mit Drogendelikten und häuslicher Gewalt zu tun. Auch die Internetkriminalität nimmt stetig zu. „Ein Kollege beschäftigt sich nur mit Cybercrime“, berichtet Georg Lautenschläger. „Jeden Tag werden Konten gehackt, online bestellte Waren nicht gezahlt oder die Ware wird gar nicht geliefert.“ Sein spektakulärster Fall handelte auch von einem Betrüger, der mit verschiedenen Namen Ware bestellte und nicht bezahlte.
Corona hat auch auf die Polizeiarbeit Auswirkungen
Wegen der Corona-Beschränkungen gebe es keine Wirtshausschlägereien, weniger Einbrüche und Ladendiebstähle. Das sei aber auch schon der einzige Vorteil. Die Corona-Zeit sei ansonsten eher kontraproduktiv für den Beruf des Polizisten, in dem es auf Erfahrung und detaillierte Ortskenntnisse ankomme. Sich das anzueignen, ist bei einem Neustart unter Kontaktbeschränkungen eine Herausforderung.