Während andere nach Feierabend auf dem Sofa entspannen, setzen sich Simon (33) und Lukas (27) Beier wieder an den Schreibtisch. Sie verbindet ein gemeinsames Hobby, über das sie sich regelmäßig austauschen. Die Brüder, die aus Gottmadingen stammen, schreiben philosophische Bücher und versuchen damit, sich und anderen die Welt zu erklären. Insgesamt sieben Bücher haben sie innerhalb von knapp zwei Jahren im Eigenverlag veröffentlicht. Der große Erfolg blieb bisher aus, doch sie haben schon neue Buch-Ideen.
Simon und Lukas Beier arbeiten im Bereich Informationstechnik in Winterthur und in Karlsruhe. Abends zu schreiben und in die Welt der Philosophie abzutauchen, sei für sie ein Ausgleich, berichten sie. Außerdem könnten sie so Zeit miteinander verbringen, Gedankengänge austauschen und sich gegenseitig motivieren. Obwohl beide in der Schulzeit mit Schreiben nicht viel am Hut hatten, begannen sie während der Corona-Pandemie, einen Blog im Internet zu philosophischen Themen zu schreiben. Gemeinsam betreiben sie die Internet-Seite „How to live“ (Wie man lebt), auf der sie philosophische Themen auf den Alltag anwenden und damit Lebenshilfen geben wollen.
„Ich habe gemerkt, dass es mir Spaß macht, obwohl ich während der Schulzeit nie Lust zum Schreiben hatte“, erklärt Lukas Beier. Abends aufzuschreiben, was ihn beschäftige, helfe ihm Dinge zu verarbeiten und den Kopf frei zu schreiben. Für seinen älteren Bruder ist das Schreiben, das, was ihn erfüllt. Er hat bereits drei Bücher allein geschrieben und zwei Grundlagenbücher zur Philosophie mit seinem Bruder. In seinem neuesten Buch „Der Preis, Du zu sein“ geht es um gesellschaftliche Erwartungen und wie man zu einem „gelassenen Selbstbewusstsein“ kommt.
Die Brüder wollen ihr Leben verstehen
Sie hätten sich schon seit ihrer Jugend mit der Frage nach dem Sinn des Lebens befasst, sagen die Brüder beim Gespräch per Videokonferenz. „Es ging mir darum, mein eigenes Leben zu verstehen und den Blickwinkel auf die Welt zu ändern“, sagt Lukas Beier. Sie wollten die großen Fragen des Lebens, die die Philosophie aufgreift, für alle verständlich machen und auf ihren Alltag übertragen. Auf ihrer Internetseite und in ihren Büchern schreiben sie zum Beispiel über die Kraft der Freundlichkeit oder wie das Leben lebenswerter wird, wenn man wieder lernt, zu staunen.
Dabei hat es ihnen besonders der Philosoph Alan Watts angetan, der in Amerika gelebt und besonders das Weltbild und den Lebensstil der Hippies in den 1960er-Jahren geprägt hat. „Er kann einfach und anschaulich erklären und sieht das Dasein nicht als Maschinerie, sondern eher organisch, wie eine Pflanze, die in ihr eigenes Leben hineinwächst“, erklärt Lukas Beier. Durch diese Anschauung würde viel Druck aus dem Leben genommen und man lerne, den Entwicklungen Zeit zu lassen, ergänzt sein Bruder.
Der große Traum ist ein Verlags-Vertrag
Die beiden Gottmadinger haben ihre Bücher im Selbstverlag herausgebracht. Das heißt, sie kommen für die Kosten für Druck und Vertrieb auf und gestalten das ganze Buch. „Das ist eine steile Lernkurve, wenn man für das Cover und jede Seite selbst verantwortlich ist“, erklärt Simon Beier. Unter Selfpublishing versteht man laut dem Selfpublisher-Verband das Verlegen eines Buches in Eigenregie. Das heißt, Autoren sind unabhängig von einem Verlag, und arbeiten stattdessen mit Dienstleistern zusammen, die den Druck und Veröffentlichung übernehmen.
Finanziell lohne sich das nicht, im Idealfall halten sich laut den Beiers Kosten und Ertrag die Waage. Am besten laufe derzeit sein neuestes Buch mit rund 50 Verkäufen pro Monat. Er hoffe aber, dass wenn er schon Bücher vorweisen könne, eher die Chance habe, bei einem Verlag unter Vertrag genommen zu werden.
Das deckt sich mit den Erfahrungen des Selfpublisher-Verbands, der 2024 in einer Umfrage mit 1209 Menschen festgestellt hat, dass die meisten Autoren im Selbstverlag sogar unter 50 Euro im Monat damit verdienen. Und während die meisten der Befragten die kreative Freiheit im Selbstverlag schätzen (770), haben viele (358) auch schlicht keinen Verlag für ihr Projekt gefunden.

Thema Philosophie ist kein Kassenschlager
Dass das Thema Philosophie kein Kassenschlager ist, ist den beiden Brüdern bewusst. „Wir bekommen nicht so viele Rückmeldungen auf unsere Beiträge und Bücher, aber die meisten sind wertschätzend und manche auch berührend“, berichtet Simon Beier. Ihr größter Fan sei ihre Mutter in Gottmadingen, die sie nach Kräften unterstütze. Sie habe sie in gewisser Weise auch zum Schreiben gebracht.
„Das hat in unserer Familie Tradition“, sagen die Brüder. Mutter und Großmutter würden beide gern und viel schreiben und ihre Verwandtschaftslinie reiche nach ihren Angaben bis zum schottischen Dichter und Schriftsteller Sir Walter Scott (1771-1832). Die Brüder wollen auf jeden Fall weitermachen, sie haben sich bei einem Schreibwettbewerb beworben. Als große Fans von Fantasy-Büchern wollen sie sich zukünftig auch in diesem, ganz anderen Genre ausprobieren und planen eine Fantasy-Reihe.