Insolvenz, das klingt in vielen Ohren nach Schließung. Wenn man in den Vitaminmarkt in Hilzingen schaut, stellt man allerdings fest: Die Regale sind voll, die Ware sieht aus wie immer. „Der Betrieb läuft normal weiter und die Kunden merken nichts“, betont auch Andreas Hägele, der mit seiner Familie den Vitaminmarkt betreibt. Denn für die Familie hat sich einiges geändert. Seine Arbeitstage seien nun noch voller als zuvor schon, erzählt Andreas Hägele.

Mitte Februar hat das Unternehmen Insolvenz angemeldet. Die Insolvenzverwaltungsgesellschaft Pluta nannte in einer Mitteilung Liquiditätsprobleme als Grund dafür. Nun soll der Vitaminmarkt saniert und dauerhaft auf profitable Füße gestellt werden. Dass die Insolvenz dem Inhaber, seiner Familie und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern alles abverlangt, schimmert im Gespräch ebenfalls durch, etwa wenn Hägele sagt: „Kein Außenstehender kann sich den psychischen Druck vorstellen.“

Konzept konnte anfangs nicht umgesetzt werden

Dass es so weit gekommen ist, hat in den Augen der Betreiberfamilie viele Gründe. Der erste: die Corona-Pandemie. Denn der Vitaminmarkt, wie man ihn heute kennt, mit etwa 800 Quadratmetern Verkaufsfläche im Hilzinger Gewerbegebiet, hat im Oktober 2020 eröffnet – mitten in der Corona-Zeit. Da sie Lebensmittel verkaufen, sei der Vitaminmarkt nie komplett geschlossen gewesen, erklärt Hägele. Der Café-Bereich des Hauses, das als Markthalle konzipiert ist, habe aber erst im März 2022 öffnen dürfen.

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Das ganze Konzept Markthalle habe man in der ersten Zeit nicht umsetzen können, sagt der Inhaber: „Genießen, Leute treffen, verweilen: Das ging in der Zeit nicht.“ Und in der Schlussphase der Corona-Pandemie begann der russische Präsident Wladimir Putin einen Krieg gegen die Ukraine – mit den bekannten wirtschaftlichen Folgen: steigende Preise, teurere Energie, Verunsicherung bei den Verbrauchern. All diese Faktoren treffen auch den Vitaminmarkt mit seinem aufwendigen Konzept.

Ohne Corona hätte man das Konzept Markthalle besser vermitteln können, ist sich Jan Hägele sicher: „Wir wurden als normaler Einkaufsmarkt gesehen.“ Er ist Sohn des Inhabers und arbeitet im familieneigenen Unternehmen mit. Im Vitaminmarkt soll man einkaufen wie auf einem Wochenmarkt: Kunden werden bedient, die Lebensmittel werden entsprechend präsentiert.

Die Familie bietet dort die Kartoffeln an, die sie auf acht Hektar selbst erzeugt, Brot und 40 Sorten Fruchtaufstriche werden ebenfalls selbst gemacht. Anderes wird zugekauft, eine regionale Metzgerei hat eine Filiale in den Räumen.

Einkaufen wie auf dem Wochenmarkt

Das Konzept kommt nicht von ungefähr: „Schon seit mehreren Generationen sind wir viermal pro Woche bei Wochenmärkten gewesen“, erzählt Andreas Hägele. Dann sei zunächst ein Hofladen in Selbstbedienung auf dem familieneigenen Hof, dem Staufenhof in Hilzingen, entstanden. Doch dorthin seien nur Menschen gekommen, die genau um das Angebot wussten. Der Hofladen wuchs, zunächst zu einem hölzernen Verkaufsstand bei der Gärtnerei Mauch und zu einer 60-Quadratmeter-Ecke, die die Familie ab dem Jahr 2000 in der Gärtnerei gemietet habe.

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Doch dann habe die Gärtnerei umgebaut und eine neue Lösung für den Hofladen musste her. „Das hatten wir eigentlich kleiner geplant“, sagt Hägele im Rückblick. Doch die Familie habe eine ganze Reihe anderer Hofläden besucht. Michael Rösch, der die Familie bei der Unternehmensentwicklung begleitet, ergänzt: „Dabei war das Echo: Baut nicht zu klein. Denn die anderen Hofladenbetreiber hatten sich alle schon mehrfach vergrößert.“ Und Andreas Hägele sagt: „Alle Studien wiesen darauf hin, dass ein Angebot wie in einer Markthalle der Trend ist.“

Es gab einen Businessplan, Kaufkraft und Nachfrage seien da gewesen, auch durch die Nähe zur Schweiz. Dann kamen Corona und Putin und plötzlich waren regionale Waren, die hochwertig präsentiert werden, nicht mehr so gefragt.

Auch das ist eine Erfahrung, die Familie Hägele gemacht hat: Eigentlich wollen alle die regional erzeugten Lebensmittel, doch den Preis dafür wollen nur die wenigsten bezahlen. Andreas Hägele ist sich sicher: „Die Deutschen sparen am falschen Fleck.“ Nirgendwo sonst in Europa würden die Menschen so wenig Geld für Lebensmittel ausgeben wie hierzulande.

Der Chef ist überzeugt: Das Unternehmen schafft die Wende

Hägele zeigt sich überzeugt, dass die Familie und die 32 Mitarbeiter die Wende schaffen: „Wir wollen mehr Umsatz erzielen – und Investorensuche ist natürlich auch ein Thema.“ Doch das letztere sei eine Angelegenheit für den Insolvenzverwalter. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien ohnehin das höchste Gut des Betriebs, sagt Andreas Hägele. Bei ihnen nimmt er nun große Unterstützung und Zusammengehörigkeitsgefühl wahr.

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Und auch von Lieferanten und Kunden erfahre man „tolle Resonanz“, so der Firmenchef: „Das ist der Vorteil, wenn man über Jahre ein gutes Verhältnis gepflegt hat.“ Der Insolvenzverwalter hat jedenfalls positive Zeichen zu verkünden: „Die Umsätze des Unternehmens sind in den vergangenen Jahren gewachsen. Das zeigt, dass der Vitaminmarkt über ein vielversprechendes Konzept verfügt“, wird Florian Martin Schiller in der Mitteilung der Gesellschaft Pluta zitiert.