Auch in Zeiten der Digitalisierung senden die Behörden dem Bürger Entscheidungen immer noch per Brief. Die Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit, hier insbesondere der Selbstversuch der Hegau-Gemeinden im Februar 2024, haben gezeigt, dass das Versprechen der Deutschen Post AG, die jetzt als DHL Group firmiert, „E+1“, also der Zugang beim Empfänger einen Tag nach der Einlieferung, kaum mehr eingehalten wird, woran dies auch immer liegen mag.
Das ist besonders ärgerlich, wenn der Bürger gegen den Bescheid Rechtsmittel einlegen will. Meistens hat man dafür zwei Wochen oder einen Monat Zeit. Diese Frist berechnet der Bürger ab dem Zeitpunkt, in dem ihm das Schreiben auch tatsächlich zugegangen ist.
Doch hier muss man sehr aufpassen. Denn im Verwaltungsverfahrensgesetz, dass die Abläufe in der Verwaltung regelt, gibt es eine tückische Vorschrift: In § 41 Absatz 2 Satz 1 heißt es, dass ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zu Post als bekannt gegeben gilt.
Zwar heißt es auch, dass dies nicht gilt, wenn das Schreiben gar nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Grundsätzlich hat die Behörde nachzuweisen, dass und wann ein Schreiben dem Bürger zugegangen ist.
Doch oftmals behauptet die Behörde einfach, dass der Brief an die richtige Adresse gesandt wurde und kein Postrückläufer zu verzeichnen war. Dann müsse, so die Argumentation der Verwaltung, der Bürger glaubwürdig nachweisen, dass überhaupt und wenn ja wann, er ein Schreiben erhalten haben soll.
Mühselige Reaktion
Doch wie soll der Bürger dies machen? Die Tatsache zu beweisen, dass man ein Schreiben nicht erhalten hat, geht nicht. Und wenn es verspätet kommt, kann man nur sagen, wann es eingegangen ist.
Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig in einer jetzt veröffentlichten Entscheidung (Urteil vom 29.11.2023 – 6 C 3/22) reicht es aus, wenn man den Zugang bestreitet oder beschreibt, wann der Bescheid eingegangen ist. Dann greift die Fiktion nicht ein. Mühselig ist das alles.
Aber: Darf der Staat so einfach zulasten des Bürgers einen verspäteten Einspruch als unzulässig zurückweisen? Ich meine nein, denn die gesetzliche Regelung ist veraltet, sie gehört abgeschafft.
Denn Alternativen gibt es, diese sind auch nur unwesentlich teurer: So kann die Behörde den Weg über das Einwurfeinschreiben oder über ein Schreiben mit einer Postzustellungsurkunde (gelber Umschlag) wählen. Dann ist die Zustellung an den Empfänger deutlich besser nachzuweisen. An moderne elektronische Übermittlungsformen wage ich überhaupt nicht zu denken.
Behörde ist in der Pflicht
Wenn der Staat dem Bürger eine Entscheidung mitteilt, dann muss die Behörde den Zugang beweisen, nicht mehr und nicht weniger. Die Leipziger Richter sind hier leider nur einen kleinen Schritt gegangen und glauben dem Bürger in der Regel.