Am 5. März stehen nicht nur in Rielasingen-Worblingen und in Tengen Bürgermeisterwahlen an. Auch in Herdwangen-Schönach wird an diesem Sonntag ein neuer Rathauschef gesucht. Eigentlich nichts Ungewöhnliches, wäre da in Herdwangen-Schönach nicht ein pikantes Detail: Im Linzgau suchen Bürger per Stellenanzeige nach einem neuem Bürgermeister. Traumjob Bürgermeister? Das war vielleicht einmal. Mittlerweile gestaltet sich die Suche nach geeigneten Bewerbern als aufwendig, oftmals sogar als fast aussichtslos. Denn immer weniger Leute haben Lust, das Amt zu übernehmen.
In Tengen etwa lagen am Freitag vor Ende der Bewerbungsfrist lediglich zwei Bewerbung vor – mittlerweile sind es fünf Bewerber. Woran es liegt, dass sich die Suche nach einem neuen Bürgermeister oftmals als sehr schwierig erweist? Drei, die es wissen müssen, sind Marcus Röwer aus Volkertshausen, Holger Mayer aus Hilzingen und Benjamin Mors aus Steißlingen. Sie sind seit ein paar Jahren Bürgermeister im Hegau und betonten trotz langer Arbeitszeiten und viel Kritik die Vorteile.
Herausforderungen, aber auch viele Vorteile
Gleich zu Beginn des Gespräches mit dem SÜDKURIER stellen die drei klar: Sie wollen mögliche Bewerber zu einer Kandidatur ermutigen. Denn der Beruf des Bürgermeister sei zwar eine Herausforderung, es lohne sich aber, sich in den Dienst einer Gemeinde zu stellen. „Es gibt viele Dinge, die für den Beruf als Bürgermeister sprechen“, betont Mors. Man könne Gemeinden voranbringen, im direkten Kontakt mit den Bürgern stehen und Projekte zum Gemeinwohl umsetzen. „Der Beruf kombiniert viele Aufgabenfelder“, sagt Röwer. Er habe den Schritt damals nach Volkertshausen nicht bereut.

Für Mors mache der Job des Bürgermeisters aus, dass man sich für die Menschen in der Gemeinde einsetze. „Die Hegauer Bürgermeister pflegen ein unglaublich gutes Miteinander“, ergänzt Mayer. Laut dem Hilzinger Rathauschef könne man im Amt als Bürgermeister viele Projekte umsetzen, die das Leben der Bürger vereinfachen. „Wir arbeiten mit Herzblut daran, dass unsere Gemeinden für die Bürger noch lebenswerter werden“, sagt er.
Ein weiterer Vorteil: Als Bürgermeister könne man Erfolge direkt sehen. „Es ist ein schönes Gefühl, an einem neuen Kindergarten oder Feuerwehrhaus mit einem Lächeln vorbeizufahren“, so Mayer. Für ihn sei bei der Abgabe seiner Bewerbung klar gewesen, dass Hilzingen und er perfekt zusammenpassen. „Ich wollte etwas bewegen und da war für mich klar: Jetzt oder nie. Und ich bin mit dieser Entscheidung sehr, sehr glücklich“, sagt Mayer.

Marcus Röwer ergänzt: „Der Beruf fordert viel, er gibt aber auch ungemein viel zurück.“ Ein dickes Lob aller Hegau-Bürgermeister geht auch in Richtung der jeweiligen Gemeinderäte: Die Arbeit mit den gewählten Ratsmitglieder sei ausgesprochen gut, auf Augenhöhe und zielorientiert. Und dann sind da noch die Mitarbeiter im Rathaus. „Ohne die würde es einfach nicht gehen“, lobt Mayer.
Das Amt des Bürgermeisters ist eine Chance
Deutlich werden die drei Bürgermeister auch bei einem Punkt: Bürgermeister muss man wollen. Oder wie Mors es formuliert: „Wenn ich einen Bewerber vom Amt überzeugen muss, dann ist er nicht der Richtige.“
Die drei Gesprächspartner
Rund um die Uhr im Amt
Mors, Mayer und Röwer sind sich einig: Viele Kollegen klagen über die hohen Anforderungen, die mit dem Amt verbunden und kaum zu erfüllen seien. Von Kinderbetreuung über Baurecht bis zu Straßensanierungen sei der Bürgermeister für alles verantwortlich. „Der Beruf geht mit einem hohen Maß an Verantwortung einher und nicht mehr jeder ist gewillt, diese in diesem Ausmaß zu tragen“, nennt Marcus Röwer einen der Gründe für überschaubare Bewerberlisten bei Bürgermeisterwahlen.
Dass im Amt viele Zuständigkeiten gebündelt seien, sei nichts Neues. Doch in den vergangenen Jahren sei immer mehr Bürokratie dazugekommen. Auch Benjamin Mors bestätigt das. Der Trend in der Arbeitswelt gehe immer mehr zu einer ausgeglichenen Work-Life-Balance, also dem Gleichgewicht von Arbeit und Freizeit. „Der Trend geht zu weniger Anwesenheit pro Jahr, aber als Bürgermeister geht das eben nicht. Wir haben immer mehr öffentliche Verpflichtungen“, sagt Mors.
Der Ton ist rauer geworden
Dazu kommen Anfeindungen gegenüber den Gemeindechefs. Die sozialen Medien machen es einfach, auch anonym Kritik zu üben – wobei einige Kommentare immer häufiger unter die Gürtellinie fallen. „Der Ton in der Gesellschaft ist rauer geworden. Als Bürgermeister bekommt man da auch ab und an etwas ab. Wir brauchen also ein dickes Fell“, sagt Holger Mayer. Der Hilzinger Bürgermeister spricht davon, dass böse Emails zunehmen würden. „Auch unsere Mitarbeiter bekommen viel ab“, schildert er.
Benjamin Mors kritisiert dabei die Art und Weise der Kommunikation: „Man kann viel schneller Vorwürfe per Mail verschicken, als in einem persönlichen Gespräch äußern.“ Mors betont dabei ausdrücklich, dass es nicht darum gehe, Kritik an der Arbeit des Bürgermeisters nicht zuzulassen. „Wir brauchen diese Kritik, denn wir müssen alle schauen, was die beste Lösung für unser Dorf ist“, betont er. Unsachliche Beleidigungen würden allerdings nicht zu diesem Ziel führen.
Ein weiterer Umstand: Das Amt des Bürgermeisters ist nicht immer familienfreundlich. Im Gegenteil: „Es ist für Familien zum Teil eine große Belastung“, sagt Holger Mayer. Bei ihm und bei seinen Kollegen Mors und Röwer seien die Familien hinter einer Bewerbung gestanden. Das sei aber nicht überall so. „Es gibt mögliche Kandidaten, die im Familienkreis abwägen und sich aufgrund der Anforderungen gegen eine Bewerbung aussprechen“, so Mayer. Dabei sei familiärer Rückhalt bei dieser Entscheidung laut Marcus Röwer von enormer Bedeutung.
Die Sache mit der Wiederwahl
Ein Bürgermeister wird alle acht Jahre gewählt. Auch dieser Umstand könnte Bewerber abschrecken. Denn was passiert, wenn man die Wiederwahl verliert? „Als Bürgermeister hat man alle acht Jahre das härteste Jahresgespräch, das man sich vorstellen kann. Ein Bürgermeister hat unglaublich viele Chefs, nämlich die Bürger in seiner Gemeinde“, so Röwer. Kaum ein Beruf würde alle acht Jahre zur Debatte stehen.

Von einem Fachkräftemangel, der sich auch bei den Bürgermeister widerspiegelt, sprechen die drei Experten nicht. Ein Umstand macht Benjamin Mors aber Sorgen: Früher habe es deutlich mehr Absolventen der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl gegeben. Mors ist neben seiner Tätigkeit als Bürgermeister an der Kehler Hochschule auch Lehrbeauftragter und weiß: Viele, die sich später als Bürgermeister oder Bürgermeisterin bewerben, haben zuvor Verwaltungserfahrung in Kehl gesammelt.
Bei den aktuellen Wahlen im Hegau haben sich immerhin sieben Menschen gefunden, die trotz langer Arbeitszeiten und viel Kritik die Chance ergreifen wollen. Verwaltungserfahrung kann da ein Vorteil sein, ist aber keine Bedingung: „Als Bürgermeister braucht man keine klassische Ausbildung“, sagt Mors.