Wer Martina Vogl zuhört, wird schnell denken: So schwierig ist das doch alles gar nicht. Sie erzählt von Kuchen, die ganz ohne Eier und Milchprodukte gebacken sind und von herzhaften Speisen, die nur aus pflanzlichen Lebensmitteln hergestellt wurden. Dass ihren Gästen das schmeckt und dass sie diese Kost nicht teurer anbieten muss als das, was üblicherweise so auf den Tisch eines Cafés kommt. Was sie vermeidet, ist das Wort, bei dem viele Zuhörer vielleicht doch ein bisschen Juckreiz bekommen: vegan.

Also wird von pflanzlicher Ernährung gesprochen an diesem Mittag auf dem Konstanzer Münsterplatz. 70 Prozent weniger Treibhausgase entstehen durch sie, im Vergleich zu herkömmlicher Ernährung. Die Zahl hat Martina Vogl aus Untersuchungen eines Schweizer Instituts, das für ihren Betrieb jedes Rezept auf die Klimafolgen hin überprüft. Und die Gäste nehmen es an, sagt Vogl: „Jeder sieht die Schlange bei uns, wir sind erfolgreich.“

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„Klimaschutz – So wir‘s was“, heißt diese Runde dann auch, zu der der SÜDKURIER im Rahmen seiner Initiative Stadtgespräch eingeladen hat. Das Theater stellt den Gastro-Bereich des Freilichttheaters am Münsterplatz dafür zur Verfügung, und der Platz könnte kaum besser gewählt sein. Mächtige alte Bäume spenden Schatten und sorgen für gute Luft. Als sie vor langer Zeit gepflanzt wurden, sprach noch niemand vom Klimawandel.

Heute ist Konstanz froh über dieses kleine Stück grüne Lunge, sagt Lorenz Heublein aus dem städtischen Amt für Klimaschutz. Eine mittelalterliche, enge Stadt für Extremhitze fit zu machen, ist nach seinen Worten gar nicht so einfach, umso wichtiger sind die Geschenke früherer Generationen. Nun sollen neue Bäume dazukommen. Und weil es bei dieser Gesprächsrunde um Lösungen geht, schlägt der frühere Stadtrat Peter Müller-Neff Baumpatenschaften für den Stephansplatz vor. Und siehe da, fünf Spendenzusagen kommen spontan zusammen.

Engagierte Runde zur Mittagszeit: Die Gäste beim Stadtgespräch haben viele gute Ideen für mehr Klimaschutz – und viele zeigen sich auch ...
Engagierte Runde zur Mittagszeit: Die Gäste beim Stadtgespräch haben viele gute Ideen für mehr Klimaschutz – und viele zeigen sich auch zu Veränderungen bereit. | Bild: Hanser, Oliver

Stadtbegrünung und eine klimafreundliche Ernährung sind aber nur zwei der Bausteine. Balkonkraftwerke werden vorgeschlagen – ein einfacher Weg, wie auch Mieter und Bewohner vieler Etagenwohnungen ihre persönliche Energiewende ein kleines Stück voranbringen können. Maike Sippel, Professorin und Nachhaltigkeitsexpertin an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) bringt den individuellen Konsum ins Spiel: „Wie viel haben wir und wie viel brauchen wir?“, so ihre rhetorische Frage.

Vegan und lecker, „soll das Verzicht sein“?

Bisweilen, ist sich die Runde auch mit den wohl meisten Zuhörern einig, ist Klimaschutz gar nicht so schwer. „Was soll denn daran Verzicht sein?“, fragt Martina Vogl, wenn es um ihr gastronomisches Angebot geht. Und innerhalb der Stadt das Rad anstelle des Autos zu nehmen, spart nicht nur Zeit, sondern auch Stress beim Parken. Die ganze Verantwortung ins Private abzuschieben, könne aber auch nicht die Lösung sein, sagt Maike Sippel. Auf die Frage von Moderator Denis Pscheidl erklärt sie, warum sie das Konzept des ökologischen Handabdrucks besser findet als das des Fußabdrucks: Es bezieht das Gemeinwesen mit ein, „wir sind ja alle auch Bürger, Wähler, Angehörige von Organisationen und Unternehmen.“

Die Runde macht aber auch deutlich: Nicht immer ist es so einfach, und nicht immer geht es ohne Verzicht. Oder ohne Investitionen, die sich nicht alle leisten können. Als Moderator Denis Pscheidl fragt, ob jemand wegen des Klimaschutzes im Publikum einen Verlust von Wohlstand befürchtet, gehen doch einige Arme hoch. Und Reinhard Stifel berichtet, dass es viel Geld kostet, eine Immobilie energetisch zu sanieren. Manche Schritte zum Klimaschutz, sagt er, „gehen nicht an die Substanz, sondern schaffen ein positives Lebensgefühl“. Doch für die Wärmedämmung brauche es viel Geld, das viele Menschen schlicht nicht hätten.

Wenn der Denkmal- den Klimaschutz hintertreibt

Und dann kommen noch Regelungen hinzu, über die die Gäste den Kopf schütteln. „Das Denkmalamt schreibt Solarpaneele vor, die zehn Prozent weniger Stromertrag bringen und 30.000 Euro mehr kosten“, klagt Stifel. Lorenz Heublein kann dem nicht viel entgegensetzen, es handelt sich um einen Interessen- und Zielkonflikt auch innerhalb der Stadtverwaltung. Heublein verweist auf die Leuchtturm-Förderung, um die man sich bei der Stadt bewerben kann. Dennoch lautet Stifels wenig optimistische Prognose zur angestrebten weitgehenden Klimaneutralität der Stadt Konstanz bis 2035: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das nur annähernd 2045 erreicht werden kann.“

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Da sind die Fachleute auf dem kleinen Podium zuversichtlicher. Sie sehen im Klimaschutz vor allem eine Chance – und eine Aufgabe, die Gesellschaft bei dieser Zukunftsfrage zusammenzuhalten. So erklärt sich Lorenz Heublein in der Kommunalpolitik auch eine „Zurückhaltung, Entscheidungen zu treffen, die bei der Bevölkerung vielleicht auch mal schlecht ankommen“. Wobei Maike Sippel unter Berufung auf Umfragen erklärt, dass die Bereitschaft zum Klimaschutz oft höher sei als angenommen: Es gebe auch „gesellschaftliche Kipp-Punkte“, an denen sich das politische Klima plötzlich ändern könne, und zwar durchaus auch dem aus ihrer Sicht Besseren. Und Martina Vogl? Die will für ihr Voglhaus bald Teller anschaffen, auf denen nach dem Leeressen eine Aufschrift sichtbar wird: „Sie haben gerade pflanzlich und klimaschonend gegessen.“