Fast eine Million Euro – so viel müssen die Konstanzer Jahr für Jahr dafür aufbringen, um den Müllberg aus Pappbechern, Box-to-Go-Essensverpackungen und Wegwerf-Salatschalen zu entsorgen. Die Zahl stammt von den Entsorgungsbetrieben (EBK), die nach eigenen Angaben im Jahr 2022 fast 500 Tonnen Müll aus dem öffentlichen Raum wegschaffen mussten. Das entspricht einem stattlichen Lastwagen voll – Woche für Woche. Und „die Kosten dafür trägt die Allgemeinheit“, so die Stadtverwaltung. Pro Konstanzer sind das 15 Euro im Jahr, und drei Viertel davon entfallen auf Einweg-Verpackungsmüll.
Am 1. Januar 2025 soll es ernst werden
Doch nun will die Stadt dem ab 1. Januar 2025 einen Riegel vorschieben – oder sich die Kosten für die Vermüllung wenigstens teilweise von den Verursachern zurückholen. Eine Einwegsteuer hat soeben eine weitere politische Hürde genommen, und auch in der Gemeinderatssitzung Ende September ist eine Mehrheit dafür zu erwarten. Pro Pappbecher oder Pommesschale müssten Bäckereien oder Imbissbetreiber dann voraussichtlich 50 Cent an die Stadt abführen – am Ende soll es dann der Kunde bezahlen.

Damit steht Konstanz kurz davor, was Tübingen unter dem umtriebigen Oberbürgermeister Boris Palmer bundesweit in die Schlagzeilen gebracht hatte. Die Universitätsstadt am Neckar hatte als erste die Strafgebühr auf Wegwerf-Verpackungen eingeführt und hatte im Mai vom Bundesverwaltungsgericht in zweiter Instanz im Grundsatz Recht bekommen. Damit lebt auch ein Konstanzer Beschluss von 2020 wieder auf. Damals wollte eine politische Mehrheit die neue Steuer.
OB Burchard will „nicht kuschen“
So ist es auch drei Jahre später, wenngleich die Bedenken nicht ausgeräumt sind. Ein Tübinger McDonald‘s-Betreiber (Franchisenehmer) hat Verfassungsbeschwerde erhoben – noch gibt es also das Risiko, dass Deutschlands oberstes Gericht die Tübinger Steuer für nicht grundgesetzkonform erklärt.
Zwei Juristen im Konstanzer Gemeinderat, Simon Pschorr (Linke Liste) und Jan Welsch (SPD), halten die Wahrscheinlichkeit aber für gering. Und für Oberbürgermeister Uli Burchardt geht es auch um eine politische Frage. Er hält es für „falsch, vor einer Verfassungsbeschwerde von McDonald‘s zu kuschen“ – jetzt herrsche Rechtssicherheit, jetzt liefere die Verwaltung. Die Stadt Singen verfolgt übrigens ähnliche Pläne, Überlingen ebenso.
Wie genau die Steuer ausgestaltet wird, steht dabei noch nicht fest. Es liegt aber nahe, dass Konstanz das Tübinger Modell übernimmt. Dort wird auf jedes Wegwerf-Essensverpackungsteil eine Abgabe von 50 Cent erhoben, auf Besteck weitere 20 Cent. Das gilt auch für Eis im Papp- oder Plastikbecher, während eine Waffel als Süßware gilt und steuerfrei bleibt. Ebenfalls steuerfrei ist natürlich die Abgabe in Mehrweggefäße, wie sie in manchen europäischen Ländern schon deutlich weiter verbreitet ist.
Blick nach Tübingen: So machen es die Müllsteuer-Pioniere
Die Stadt rechnen mit 300.000 Euro Einnahmen
Für die Stadt ist die Steuer dabei nicht unattraktiv. Rund 300.000 Euro könnte Konstanz im Jahr einnehmen, selbst wenn sich die Mehrwegverpackung weiter durchsetzt und einen Anteil von 70 Prozent erreicht. Das Gehalt der Person im Rathaus, die die Einführung der Steuer vorbereitet und dann auch die gesamte Verwaltung besorgt, ist damit laut Stadtverwaltung ebenso finanziert wie eine breite Informationskampagne.
Der politische Rückhalt für eine Konstanzer Verpackungssteuer geht dabei weit über den Oberbürgermeister hinaus – in einer überraschenden Linie nicht ins eigene politische Lager, sondern zu den Grünen, zur Linken, zum Jungen Forum und zur SPD. In der Sitzung des Haupt-, Finanz- und Klimaausschusses zeigte sich dies deutlich: Anne Mühlhäußer (Freie Grüne Liste) freut sich, dass es im dritten Anlauf nun klappt, Matthias Schäfer (Junges Forum) freut sich, dass Konstanz dem mutigen Beispiel von Tübingen nachfolgt, Simon Pschorr (Linke Liste) freut sich über Zusatzeinnahmen.
Freie-Wähler-Politikerin will lieber größere Mülltonnen
Susanne Heiß von den traditionell gewerbefreundlichen Freien Wählern will „erst in den rechtssicheren Raum kommen“ und findet größere Mülltonnen im Stadtgebiet im Moment wichtiger. Heike Rawitzer (CDU) hält die Steuer im Grundsatz für gut, beklagt aber „für kleine Betriebe einen wirtschaftlichen Aufwand“, und es hätten auch nicht alle Platz für eine Spülmaschine. Heinrich Everke (FDP) dagegen sagt, seine Partei sei grundsätzlich gegen neue Steuern, aber diesem Fall sage er Ja, denn Müll zu reduzieren, sei das richtige Ziel.
Ob die Steuer nun tatsächlich kommt, soll sich nun schon sehr bald entscheiden. Der Gemeinderat der Stadt Konstanz könnte bereits am Donnerstag, 28. September, einen Beschluss dazu treffen. Im nächsten Schritt müsste die Verwaltung dann alle Betriebe ermitteln, die möglicherweise steuerpflichtig werden, von der Dönerbude bis zum Supermarkt-Bäcker. Rund 400 Firmen könnten es nach ersten Schätzungen sein. Auf „intensive Informations- und Beratungsgespräche“ ist man im Rathaus jedenfalls schon mal eingestellt.