Die Freien Wähler Konstanz müssen bei der nächsten Gemeinderatswahl auf ihren langjährigen Stimmenkönig verzichten. Ewald Weisschedel, der im Jahr 2018 mit 17.333 Stimmen eines der besten Ergebnisse aller Stadträte geholt hatte, tritt nach 34 Jahren nicht erneut zur Wahl an. Das wurde beim Sommer- und Geburtstagsfest der Freien Wähler bekannt. Die Vereinigung wird 70 Jahre alt und zeigt sich trotz Weisschedels Ausstieg zuversichtlich: Fünf Sitze plus strebe man bei der Wahl 2024 an, sagte Fraktionschef Jürgen Faden.
Weisschedel, 73, will aus Altergründen kürzer treten. Den Fraktionsvorsitz hatte der weithin anerkannte und menschlich überaus geschätzte Kommunalpolitiker bereits im vergangenen Jahr an Jürgen Faden übergeben. Ewald Weisschedel hatte sich schon während seines aktiven Berufslebens als niedergelassener Arzt im Gemeinderat engagiert. Erstmals gewählt wurde er 1989, seither gehörte er dem Rat ununterbrochen an. Sein größter Erfolg war 2014, als er sogar die meisten Stimmen aller Kandidatinnen und Kandidaten erhalten hatte.

Nun hoffe man, dass die vielen Stimmen, die Weisschedel errungen hatte, möglichst bei anderen Bewerberinnen und Bewerben der Freien Wähler landen, sagte Faden. Mit welchen Inhalten und welchen Köpfen die Freien Wähler in einem knappen Jahr antreten, werde gerade noch final erarbeitet. Die Kommunalwahl findet gleichzeitig mit der Europawahl am Sonntag, 9. Juni 2024, statt.
Stadtrat zu sein, sei „Ehrenamt, das zu wenig gewürdigt wird“
Oberbürgermeister Uli Burchardt, der selbst der CDU angehört, würdigte die Arbeit der Freien Wähler. Was 1957 als Initiative einiger Konstanzer Geschäftsleute entstand, sei ein wesentlicher Beitrag für die noch junge Demokratie gewesen und habe bis heute einen bedeutenden Stellenwert in der Stadt.
Die Freien Wähler hätten viele wichtige Themen konstruktiv und oft auch erfolgreich begleitet, vom Kampf um sauberes Bodenseewasser bis zur Bürgerbeteiligung, die die Freien Wähler schon 1983 mit ihrem bunten Wohnwagen namens „Motzkiste“ vorgelebt hätten.
So hätten auch die Freien Wähler einen Anteil daran, dass Konstanz eine „Stadtgesellschaft ist, die in einer sehr breiten Mitte beieinander steht“, so Burchardt. Stadtrat zu sein, sei „ein Ehrenamt, das zu wenig gewürdigt wird und über das zu schlecht gesprochen wird“, erklärte der Oberbürgermeister.
Fraktionschef Jürgen Faden nahm den Faden auf und grenzte die Freien Wähler schon kurz nach den Aussagen des CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz zum Umgang mit der AfD auf kommunaler Ebene klar gegen politische Extreme ab: „Es gilt zu verhindern, dass die Nicht-Demokraten in unserer Gesellschaft die Oberhand gewinnen.“
Mitbegründer der Freien Wähler kommt zum Jubiläumsfest
Einer, der genau dafür vor 70 Jahren mit gesorgt hat, ist Christof Heiß. Als einziger der Mitbegründer konnte er selbst noch zum Jubiläumsfest kommen, körperlich fit, geistig hellwach und von seinen Mitstreitern hoch anerkannt. Mit 18 Jahren habe er gewusst, dass er sich für Freiheit und Demokratie vor Ort entscheiden wolle, sagte der heute 88-Jährige. Dieses Bewusstsein hat er weitergegeben: Inzwischen sitzt seine Tochter Susanne im Gemeinderat – natürlich bei den Freien Wählern.