„Ich gehe da nicht hin und friere“, das soll Karl Eisenhauer geantwortet haben, als sein Sohn ihm vorschlug, Waren auf dem Weihnachtsmarkt zu verkaufen. Das war vor 20 Jahren.
Karl Eisenhauer hat sich dann doch für den Weihnachtsmarkt entschieden – und steht dort mit dem Konstanzer Hexenhaus inzwischen Jahr für Jahr. Frieren muss an dem Stand keiner, jedenfalls nicht, wer drinnen steht. Der große Ofen, in dem die Lebkuchen gebacken werden, strahlt genügend Wärme ab.
Karl Eisenhauer ist Schreiner, nicht Bäcker. Ende der 1990er Jahre war er im Messebau beschäftigt, ein Saisongeschäft: Die Messesaison ist zumindest in der Region im Herbst vorbei. Sein Sohn Christian hatte die Idee, eine Einnahmequelle für den Winter zu schaffen.
Vater und Sohn im Team
Jetzt stehen die Eisenhauers gemeinsam in ihrem Hexenhaus. Am Montagabend ist wenig los auf dem Weihnachtsmarkt, vereinzelt kommen Kunden, aber es sind nicht die Massen des Wochenendes. Christian und Karl Eisenhauer sind ein eingespieltes Team: einer backt, der andere verkauft.

Weihnachtsmarkt ist Geschäft von früh bis spät
„Mein Vater steht morgens als erstes auf und backt ab fünf Uhr. Dafür übernehme ich die letzte Schicht am Abend und mache danach alles dicht“, erläutert Christian Eisenhauer die Aufteilung. Wann die letzte Schicht endet, hängt von vielen Faktoren ab. Es kann 21.30 Uhr sein, aber auch 0 Uhr.
Vom Schreiner zum Bäcker
Wie kommt der Schreiner nun zum Backwerk? Ein Zufall: Bei einer der Messen, an der Karl Eisenhauer tätig war, lernt er einen Lebkuchenbäcker aus Bayern kennen. Dieser bietet ihm sein Rezept an unter der Voraussetzung, dass er es nur für den Weihnachtsmarkt nutze und nicht verrät. Bis heute haben sich die Eisenhauers daran gehalten.
Plauderminuten mit den Kunden
Ein junger Mann kommt an den Stand und nimmt sechs Lebkuchen ohne und zwei mit Glasur mit. Eine Seniorin kann sich nicht entscheiden, sucht ihr Geld und kauft schließlich doch. So viel Zeit haben Karl und Christian Eisenhauer für ihre Kunden nur an Abenden mit wenig Andrang. Aber genau diese Plaudereien machen für sie den Reiz ihrer Tätigkeit aus.
Bei Regen läuft gar nichts
Der Umsatz hänge von verschiedenen Faktoren ab. Mehrfach habe der Standort des Hexenhauses gewechselt, berichtet Christian, der den Rest des Jahres für ein Konstanzer Unternehmen arbeitet. Das tue dem Absatz nicht gut, Stammkunden müssten nach dem Stand suchen. Am schlimmsten aber sei Regen, ergänzt Karl Eisenhauer. Dann zieht trotz der Ofenhitze eine klamme Atmosphäre ins Hexenhaus.
Eine Hexe bewacht den Verkauf
Die Hexe wiederum ist unverzichtbare Marketingexpertin der Hütte und begrüßt jeden mit höhnischem Gelächter. Wäre die betagte Dame nicht mehr da, wären etliche Kinder enttäuscht, sagt Karl Eisenhauer. „Das ist ein Problem. Sie wird im Moment geflickt und wiederbelebt“, ergänzt Christian. Das Modell sei nicht mehr lieferbar, sie muss also durchhalten.
Das zweite Lockmittel für zögernde Kunden: der Duft. Hier am Hexenhaus riecht es weihnachtlich, nicht nach Kirmes, nicht nach Currywurst.
Wie weihnachtlich ist es, im Dezember Tag für Tag und bis in die Nacht auf dem Weihnachtsmarkt zu stehen? Die Eisenhauers können es sich nicht anders vorstellen. Die ganze Familie hilft mit, Karl Eisenhauers Tochter kommt aus Frankfurt, seine Frau und Christians Frau stehen zeitweise am Stand. Jeder nimmt Urlaub für den Markt. Geschenke an Heiligabend gibt es in der Familie dafür nicht, außer für den vierjährigen Enkel. Der Zusammenhalt und der Kontakt zu den Menschen ist ihnen wichtiger.
Adventsstimmung statt Dauerkonsum
„Mir ist wichtig, dass das Produkt etwas Sinnvolles ist“, betont Karl Eisenhauer. Lebkuchen gebe es bei ihnen eben nur im Advent. Da setzt der 67-Jährige auf alte Schule. Weihnachten ist für ihn eine Zeit des Selbermachens, nicht des Konsums. So handhabten das bereits seine Eltern. „Das Gesellige geht heute verloren, die junge Generation wird unter Druck gesetzt“, sagt er.
Die Anstrengung leugnen die Hexenhaus-Betreiber nicht. Am Anfang sei viel Spaß und Anspannung dabei, berichtet Christian Eisenhauer. Die letzte Marktwoche sei schwieriger durchzuhalten. Bis dahin ist es allerdings noch lang. Jetzt gilt es, Lebkuchen zu verkaufen. Fünf Stück ohne Glasur. Oder auch mit. „Kalorien hat Lebkuchen ohnehin keine“, sagt der 42-Jährige. Da kichert die klapprige Hexe zum Abschied.