Wenn der stetige Nieselregen die Kleidung durchweicht, weiße Atemwölkchen das Sichtfeld vernebeln und die Fingerspitzen auf dem Handydisplay frieren, wollen die meisten Leute alles – außer bei solchem Hundswetter nach draußen zu müssen.
Die Bewohner der Schwaketenstraße 98-108 können sich das momentan nicht aussuchen, denn wenn sie müssen, müssen sie sogar nachts die warme Stube verlassen und die aufgestellten Sanitärcontainer vor den Häuserblöcken aufsuchen.

Mieter leben mitten in einer Baustelle
Aber auch in den Wohnungen will zu Beginn der Adventszeit nicht so recht besinnliche Stimmung aufkommen. Auch nicht bei dem Ehepaar Kurt Richter und Anita Huber: Badezimmermöbel, -zubehör und Elektrogeräte stehen wahllos im Wohnzimmer herum, der Fußboden des Flurs ist mit einer feinen Staubschicht bedeckt, das Badezimmer herausgerissen, die Wohnungstür dauerhaft geöffnet. Dazu kommt das ohrenbetäubende Dröhnen der Steinbohrer.
"Telefonieren ist manchmal ein Ding der Unmöglichkeit", erklärte die Rentnerin, die bereits seit 1972 in der Schwaketenstraße wohnt.
Seit über fünf Monaten laufen nun schon die Modernisierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen der Vonovia SE in der Schwaketenstraße 98-108. An eine pünktliche Fertigstellung im April nächsten Jahres glauben viele Mieter nicht mehr.
Die Vermietergesellschaft Vonovia SE hatte in ihrer Informationsveranstaltung am 21. April eine Dauer von fünf Tagen für die Badsanierung veranschlagt, Mitte November sprach sich Denis Gebhardt, zuständiger Regionalleiter von Vonovia, in einem Bericht des SÜDKURIER schließlich für 14 Tage aus, die Mieter selbst erhalten Ende November ein Schreiben mit einer Ankündigung von elf Arbeitstagen pro Bad.
Vonovia SE insitiert nach wie vor auf einer Einhaltung des Zeitplans:
„Die Strangsanierung befindet sich im Zeitplan. Durch Fälle, die zuvor leider nicht berechenbar sind, kann es immer wieder zu Verzögerungen kommen. Hier sind wir natürlich auf die Unterstützung der Mieter angewiesen. Wir werden die bereits begonnenen Arbeiten wie geplant bis vor Weihnachten bei unseren Mietern beenden. Nach Weihnachten werden wir dann die nächsten Stränge erneuern.“Pressesprecherin Bettina Benner
Viele Mieter nehmen ein anderes Bild der Realität wahr. Seit Anfang September herrscht Baustelle im Huber-Richter-Haushalt. Zunächst sechs Wochen in der Küche – fünf Wochen davon ohne fließendes Wasser. Seit knapp einem Monat gleicht nun das Bad einer Ruine.

"Katastrophe" – das sei eines der wenigen Worte, das mittlerweile auch die fremdsprachigen Handwerker kennen, besonders wenn es um die Strangsanierung geht, wie das Ehepaar spöttisch zu berichten weiß. Die Mieter sind empört über die von der Vermietergesellschaft geäußerten Idealvorstellungen bezüglich der Bad-und Küchensanierung.
„Es geht sehr zäh voran. Und da regt es mich auf, dass solche Lügen in die Welt gesetzt werden. So stimmt das definitiv nicht und bei niemandem im Haus ging es schnell.“Mieter Kurt Richter
Auf die Nachfrage des SÜDKURIER, wie es zu solch massiven Verzögerungen kommen könne, erklärte die Vermietergesellschaft: "In Ausnahmefällen kann die Sanierung der Bäder- und Küchenstränge mehr Zeit in Anspruch nehmen. Für diese Unannehmlichkeiten möchten wir uns entschuldigen."
Das Ehepaar teilt sich ein Bad mit zehn anderen Mietern
Zum Glück für das Ehepaar stand in den letzten Wochen eine Wohnung in nächster Nachbarschaft leer, deren Sanitäreinrichtungen sie mit etwa zehn anderen Personen nutzen konnten. "Es ist zumindest im Haus und warm", kommentiert Anita Huber diese winterfreundlichere Notlösung, die allerdings mit der Vermietung der Wohnung zum 1. Dezember endlich ist.
Pressesprecherin Bettina Benner äußerte dazu, dass auch in Zukunft versucht werde, eine Leerwohnung im selben Haus zur Verfügung zu stellen, damit die Mieter nur in Ausnahmefällen auf die Außencontainer ausweichen müssten. Ein Schlüssel für diese Container haben Huber und Richter zumindest schon.

Bauarbeiter ließen wochenlang die Wohnungstür offen stehen
Ihren eigenen Schlüssel möchten sie lieber nicht mehr herausgeben, seitdem die Bauarbeiter die Wohnungstür während einer dreiwöchigen Abwesenheit dauerhaft offen stehen ließen, wie eine Nachbarin des Paars schriftlich berichtete – eine Situation, die mittlerweile beinahe zur Normalität zu werden scheint:"Inzwischen achtet man da schon gar nicht mehr drauf", meint Huber resigniert.
Die Mieter entscheiden sich für eine Dusche – und bekommen eine Wanne
Des Weiteren haben die Erfahrungen der letzten Wochen das Paar und ihre Nachbarn gelehrt: Ohne Bauaufsicht geht es offensichtlich nicht, um planerischen Missverständnissen entgegenzuwirken. Die Vonovia SE hatte ihren Kunden angeboten, kostenneutral eine Dusch- statt einer Badewanne einzubauen. "Wir haben uns für eine Dusche entschieden. Und dann finden wir in unseren Bad aber Anschlüsse für eine Badewanne", erzählt Anita Huber ungläubig.
Die Vonovia SE räumte Fehler dieser Art bereitwillig ein: "Hier ist uns ein Fall bekannt, bei dem in der Rohinstallation die Anschlüsse zu tief gesetzt wurden. Dies war ein Installationsfehler, welcher unverzüglich behoben wurde. Alle Mieter, die eine Dusche wünschten, erhalten auch eine Dusche."
Neuerungen im Mietrecht: Haben sie Auswirkungen auf Vonovia-Mieter?
Neben einer Verschärfung der bislang wenig wirksamen Mietpreisbremse hat die Bundesregierung aus CDU und SPD weitere Änderungen ausgearbeitet, ein Aspekt behandelt dabei auch die Regeln für Modernisierungen. Der Bundestag beschloss das Paket am Donnerstag:
- Umlage von Modernisierungskosten: Nach wie vor können Vermieter einen Teil der Kosten für Modernisierungen auf die Mieter umlegen. Der Anteil wird nach dem Beschluss aber kleiner. Statt wie bisher elf Prozent, sind künftig bundesweit nur noch acht Prozent umlagefähig. Auf die Vonovia-Mieter in der Schwaketenstraße dürfte dies kaum Auswirkungen haben, das Unternehmen hatte bereits vorab angekündigt, acht Prozent der Kosten umzulegen.
- Verschärfung der Kappungsgrenze: Drei Euro dürfen Mieten je Quadratmeter erhöht werden, und zwar bis zu sechs Jahre nach der Modernisierung. Dieser ursprüngliche Gesetzesvorschlag bleibt, aber es gibt eine kleine Verschärfung: Liegt die ursprüngliche Quadratmeter-Miete unter sieben Euro dürfen Vermieter nur zwei Euro aufschlagen. Auch hiervon werden in Konstanz – wegen des hohen Mietspiegels – wohl nur wenige Menschen profitieren. Auch die Vonovia-Mieter nicht, wo nach Informationen des Mieterbunds Bodensee die Ausgangsmieten über sieben Euro liegen.
- Reaktion der Politik: Auch Andreas Jung (CDU), Bundestagsabgeordneter für Konstanz, sagte gegenüber dem SÜDKURIER: "Für Konstanz haben die Nachbesserungen des Gesetzesvorschlags wohl nur wenig Änderungen." Er hätte daher eine prozentualen Maximal-Erhöhung befürwortet, wonach die neue Gesamtmiete nicht mehr als zehn Prozent höher hätte sein dürfen als die alte. Positive Signale habe er im Gespräch mit dem Vonovia-Vorstand erhalten: "Man sicherte mir ins Gesicht zu, dass kein Konstanzer aus seiner Wohnung wird gehen müssen." (bbr)