"Es ist immer etwas zu tun." So hat Klaus Nitz kürzlich die erste Saison des Kommunalen Ordnungsdiensts in Konstanz zusammengefasst. Er ist einer von vier Mitarbeitern, die seit Anfang 2018 für mehr Sicherheit im öffentlichen Raum sorgen sollen. Gemeinsam mit seinem Kollegen Michael Waldert erklärte Nitz vor dem Gemeinderat auch, wo "immer etwas zu tun ist". Die Schwerpunkte der Einsätze liegen – wenig überraschend – am Herosé-Areal, an der Seestraße und das Schänzle-Ufer entlang bis zur Fischenzstraße.
Unter 18-Jährige mit "harten Alkoholika" angetroffen
Schließlich führten die beiden aus, was zu tun sei: Allzu laut Feiernde auf das Bedürfnis nach Ruhe und Schlaf der Anwohner hinweisen, zum Beispiel. Aber auch: „14- bis 16-Jährige als erstes vom Platz zu bekommen“, wie Michael Waldert es ausdrückte. Aufgefallen sei auch, dass einige Male gegen das Jugendschutzgesetz verstoßen sei, weil unter 18-Jährige mit „harten Alkoholika“ angetroffen wurden.
Dabei handelt es sich offenbar um Einzelfälle. Denn Alkohol – und übrigens auch das Rauchen – verliere bei Jugendlichen in Konstanz mehr und mehr den Reiz, heißt es von den sozialen Diensten der Stadt. Das ist ein bundesweiter Trend, wie der Blick auf die neueste Auflage des Drogen- und Suchtberichts zeigt: Mindestens einmal wöchentlich trinken heute nur noch halb so viele 12- bis 17-Jährige Alkohol als vor zehn Jahren – rund 13 statt rund 26 Prozent bei Jungen und sechs statt 16 Prozent bei Mädchen.
Auch während der Fasnacht sind Räusche unter Jugendlichen laut der sozialen Dienste ein Randthema
Markus Schubert, der die Abteilung für soziale Dienste in Konstanz leitet, führt an: „Selbst am Schmotzigen Dunschtig landen höchstens zehn bis 20 Jugendliche wegen eines akuten Rauschs im Klinikum.“ Er will sich nicht falsch verstanden wissen und ergänzt: „Jede oder jeder ist zu viel. Aber wenn man bedenkt, dass sich an diesem Tag tausende junge Leute stundenlang auf der Straße bewegen, handelt es sich tatsächlich um absolute Ausnahmen.“
Andererseits zeigt eine Statistik des statistischen Landesamts: Der Landkreis Konstanz steht in der Zahl der alkohol- oder drogenbedingten Behandlungen von Jugendlichen im Verhältnis zur Einwohnerzahl in Baden-Württemberg auf Rang vier. Wobei diese unerfreuliche Spitzenposition vor allem auf Alkohol- und wenig bis kaum auf Drogenproblematiken zurückzuführen ist.
Konstanz ist kein drogenfreier Raum – hat aber auch kein Drogenproblem
Zu Letzteren erklärt Markus Schubert: „Natürlich ist eine Stadt wie Konstanz kein drogenfreier Raum, dies zu glauben wäre eine Illusion.“ Dass illegale Drogen auftauchten sei schon allein wegen der Größe der Stadt normal.
„Bei entsprechenden Delikten mit Beteiligten unter 21 Jahren informiert uns umgehend die Polizei“, sagt der Leiter der sozialen Dienste. Ein Drogenproblem habe die Stadt daher „sicher nicht“, ergänzt er, „sonst wüssten wir davon“.
Kiffen oder Dealen auf dem Schulhof? Laut Schulleitern "kein Thema"
Schon gar nicht bestehe dies rund um die Schulhöfe, wie die Schulleiter Frank Raddatz von der Theodor-Heuss-Realschule und Elke Großkreutz von der Gemeinschaftsschule Gebhard erklären. „Kein Thema“, antworten beide einmütig auf die Frage, ob dort mitunter nicht doch einmal gekifft oder gar mit Drogen gehandelt werde.
„Der Schulhof war dafür doch noch nie der Platz“, sagt Großkreutz. Nachdem der SÜDKURIER sie auf das Thema angesprochen habe, sei sie bewusst auf eine Clique zugegangen und habe mit ihnen darüber gesprochen. „Sie haben mir geantwortet: ‚In der Schule haben wir doch sicher anderes zu tun‘“, berichtet die Schulleiterin. Sie geht noch einen Schritt weiter: „Wenn das ein Problem bei uns wäre, dann würde ich davon auch persönlich von den Schülern erfahren und wir wären als Schule dagegen aktiv.“
Neue Medien = neue Sucht?
Die Konstanzer Schulen verfolgen unterschiedliche Präventionskonzepte gemäß der Vorgaben in den Bildungsplänen. Dabei geht es einerseits um die klassischen Suchtmittel Tabak, Alkohol, Cannabis und härtere Drogen. Die Schulen, mit ihnen vor allem ihre Sozialarbeiter, machen allerdings ein anderes, rasant wachsendes Arbeitsfeld aus: den Umgang mit den sozialen Netzwerken und den neuen Medien.
Markus Schubert gibt zu: „Das Tempo, das die Jugendlichen hier vorgeben, hat zu einem Nachholbedarf in der Schulsozialarbeit geführt.“ Auch wenn Konstanz mit etwa 20 Sozialarbeitern an Schulen gut aufgestellt sei und laut Schubert damit „in Baden-Württemberg auf dem zweiten Platz bei der personellen Ausstattung liegt“.
Nicht jede unglückliche WhatsApp ist gleich Cybermobbing
Christine Moll ist eine der Konstanzer Schulsozialarbeiterinnen und arbeitet mit Fünft- bis Achtklässlern an der Gemeinschaftsschule Gebhard. Sie erklärt: „Das Spielen im Netz ist natürlich ein Thema unter Jugendlichen, es gibt einige die verbringen damit sehr viel Zeit.“ Hinzu kommen Gespräche über die Auswirkungen eines schnell ins Internet gestellten Bildes oder das mit Freunden geteilte Video per WhatsApp. Es müsse sich dabei auch nicht zwangsläufig um Cybermobbing handeln.
Sind Medien, ist das Smartphone als ständiger Begleiter also die neuen Suchtmittel? Schulleiterin Elke Großkreutz jedenfalls sagt: „Wir müssen hier viel sensibler drauf schauen, vor allem die Resilienz der Schüler stärken.“ Resilienz beschreibt in der Psychologie vereinfacht gesagt die seelische Widerstandskraft, besonders während Krisenzeiten.
Die einfache Lösung: Den Kindern und Jugendlichen einfach das Handy wegnehmen, solange sie sich im schulischen Umfeld bewegen. Großkreutz und ihr Kollege Frank Raddatz halten das nicht für zeitgemäß, mit einem generellen Verbot würden sie sich lächerlich machen: „Bei uns gibt es die Regel: Es darf in der Schulzeit nicht zu sehen oder zu hören sein, mit Ausnahme vom Gebrauch für Unterrichtszwecke ab gewissen Klassenstufen“, erklärt Theo-Schulleiter Raddatz.
Eine einfache Anwort, die schwer auszusprechen ist
Was können Eltern also tun, um dieser Form der Sucht zu begegnen – bevor sie ausbricht? Es gibt darauf eine unkomplizierte Antwort. Sie auszusprechen dürfte Eltern aber umso schwerer fallen, angesichts der Tatsache, dass auch Mütter und Väter das Smartphone selbst zum Alltagsbegleiter haben werden lassen.
Schulsozialarbeiter Christine Moll empfiehlt: „Eltern sollten ihren Kindern Alternativen in der Freizeit anbieten, am besten auch vorleben, dass es ein Leben ohne Handy gibt.“ Klare Grenzen gehörten hierzu auch dazu, die Vereinbarung von festen Regeln wann und wo die mediale Welt einen Platz haben darf.
„Wir sprechen hier über klassische Familienthemen, die Einhaltung einer Familienkultur“, erklärt Markus Schubert als Leiter der sozialen Dienste. Zu der gehört heute eben nicht mehr nur, am Herosé-Areal bei der Beschallung auf Anwohner Rücksicht zu nehmen.