Das Projekt ist beschlossene Sache: Der Caritas-Verband wird in der Niederburg ein neues Alten- und Pflegeheim mit etwas mehr als 100 Plätzen errichten. Der Gemeinderat hatte dafür gestimmt, die Verwaltung die Baugenehmigung erteilt, der Stadtseniorenrat sich für das Projekt ausgesprochen. Eigentlich sollte bald der Umbau der bisherigen Schule Zoffingen und der Neubau des Zusatzgebäudes beginnen.
Doch die Kritiker des Projekts wollen nicht aufgeben. Sechs direkte Anwohner haben sich mit einem Anwalt besprochen und wollen Widerspruch gegen die von der Verwaltung erteilte Baugenehmigung einlegen – das müsste allerdings bis Samstag erfolgen, danach läuft die Frist ab. Wird der Widerspruch von der Stadt abgewiesen, erwägen die Anwohner, vor Gericht zu ziehen. Der Baubeginn könnte sich so verzögern.
Caritas-Vorstand Andreas Hoffmann sieht einer rechtlichen Auseinandersetzung gelassen entgegen
"Wir haben uns vom ersten Tag an alle Bau-, Denkmalschutz- und sonstige Vorschriften gehalten und mussten auch für keinen Projektteil eine Ausnahmeregelung beantragen. Insofern sind wir sehr optimistisch, dass unser Haus Zoffingen rechtssicher und plangemäß gebaut werden kann", antwortet Hoffmann auf Anfrage.
Weniger gelassen ist Brigitte Rabus. "Sie merken, ich werde schon wieder aufgeregt, wenn ich über das Thema spreche", sagt sie am Telefon. Brigitte Rabus ist eine von jenen Kritikerinnen, die sich von Anfang an gegen die Anbau-Pläne ausgesprochen hat. Eine, die jetzt noch einmal zum Angriff ausholen will und sich juristischen Beistand geholt hat. "Wie sagt man so schön? Die Hoffnung stirbt zuletzt." Natürlich, sagt Rabus, sind zuerst die Anwohner betroffen, "aber letztlich ist das ein Projekt, dass alle Bürger betrifft. Das ist ein irreparabler Eingriff in die historische Altstadt. Spätestens, wenn die ersten Kastanienbäume von 13 Bäumen insgesamt gefällt werden, gibt es einen Aufschrei. Aber dann ist es zu spät".
So sieht es derzeit auf dem Gelände aus:
Wie schon im Tägermoos, im Büdingen-Park und beim Turnschuhbaum entzündete sich auch am Zoffingen-Gelände bereits eine teils emotional geführte Debatte, in der es um etwas Grundlegendes geht: Dass sich die Stadt verändert, dass alte, gewohnte Dinge verschwinden, dass aber auch Neues entsteht. Im Idealfall, sagt Bigitte Rabus, bliebe alles so, wie es war: Der Innenhof mit den Kastanienbäumen, eine Schule im Gebäude.
Wird mit einer solchen Haltung nicht jegliche Veränderung in der Stadt verhindert?
"Man kann hier natürlich kein Museumsdorf gründen", antwortet Stephan Schulz. Auch er war von Anfang an gegen das Projekt in dieser Dimension, genauso wie er gegen die Baumfällung im Büdingen-Park demonstrierte und bei der Pappelfällung im Tägermoos auf die Barrikaden gegangen sei. "Die Stadt liegt mir am Herzen", sagt Schulz und ergänzt, dass es durchaus auch gelungene Neubauten in der Altstadt gebe, wie das Kulturzentrum am Münsterplatz etwa. Aber bei dem geplanten Bau des Pflegeheims in der Niederburg, da könne er beim besten Willen keine angepasste Architektur sehen.

Lässt sich über Geschmack also doch streiten? Natürlich sei seine Auffassung nicht das Maß aller Dinge, antwortet Schulz. Aber bei diesem Projekt sei vieles falsch gelaufen – nicht zuletzt die Bürgerbeteiligung, die aus seiner Sicht nicht wirklich stattgefunden habe. Er ist kein direkter Anwohner, hat keine Klage eingereicht. Eine Hoffnung aber hat auch er noch: "Dass irgendjemand mal noch erkennt, was das für ein Wahnsinn ist."
Andreas Hoffmann sieht das anders und betont die Notwendigkeit des Baus: "Wir wollen, dass Menschen mit Pflegebedürftigkeit nicht an den Stadtrand gedrängt werden, sondern mitten in der Stadt und damit Teil der Gesellschaft bleiben können – das ist jede Auseinandersetzung wert".
Das sind die Argumente der Initiative Zukunft Zoffingen, die den Anbau verhindern will...
- Der von der Caritas geplante Flachdach-Anbau im Klosterhof sei weitaus zu massiv und füge sich nicht in die mittelalterliche Struktur der Niederburg ein
- Die schon jetzt überlasteten Wege und Straßen in der Niederburg würden weiter strapaziert
- Ein Pflegeheim mit über 100 Plätzen sei auch für die Bewohner unattraktiv
- Die Anwohner und Bürger seien von Stadt und Caritas nicht rechtzeitig in die Planungen miteinbezogen worden
- „Bäume sind Lebensräume – ganz besonders in der baumarmen Niederburg", schreibt die Initiative und adressiert ihre Vorwürfe an OB Uli Burchardt: "In Ihrer bisherigen Amtszeit war dafür leider kein Gespür erkennbar – weder bei den Pappeln im Tägermoos, noch bei der übereilten Fällaktion im Büdingen-Park. Wir fürchten jetzt, dass den Kastanien im Zoffingen-Hof der Mangel an Sensibilität ebenfalls den Garaus machen wird“.
...und das erwidern die Caritas und die Stadtverwaltung
- Die Nachbarn seien zum frühest möglichen Zeitpunkt informiert worden, so Caritas-Chef Andreas Hoffmann. Auch OB Uli Burchardt betont, dass es nicht nur die Eigentümer der angrenzenden Grundstücke, sondern auch die Eigentümer der umliegenden Grundstücke beteiligt worden seien. "Diese sogenannte erweiterte Anhörung geht über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus. Insofern hat durchaus eine Bürgerbeteiligung stattgefunden", so der städtische Pressesprecher Walter Rügert.
- Es kommt laut Hoffmann nicht auf die Hausgröße an, sondern auf die Qualität. Das neue Haus habe sieben Wohnbereiche mit 15er–Gruppen, die wie eine Hausgemeinschaft funktionieren.
- Schon jetzt fehlten Pflegeplätze in Konstanz. Würde man auf den Anbau verzichten, entfallen laut Hoffmann 24 stationäre Plätze und 15 Tagesplätze.
- Es sollen neue Bäume gepflanzt werden und der Schulhof zu einem öffentlich zugänglichen Garten umgewandelt werden. "Davon wird auch die Niederburg profitieren", so Hoffmann. Und die Stadtverwaltung ergänzt: "Neu- und Nachpflanzungen von Bäumen spielen bei der Stadt generell eine große Rolle: jährlich setzen die Technischen Betriebe 150 bis 200 neue Bäume im Stadtgebiet ein. Allein seit dem Jahr 2000 pflanzten sie rund 3540 neue Bäume, rund 1840 mussten sie fällen. Übrigens werden auf dem Rheinsteig in Kürze ebenfalls sieben neue Bäume gepflanzt", so Rügert.