Vor dieser Nachricht fürchten sich Konstanzer Eltern jedes Jahr im Mai: wenn das städtische Jugendamt Absagen erteilt und der Nachwuchs keinen Krippenplatz erhält – insbesondere geht es um die Ganztagesbetreuung. Dann kommt die große Frage nach dem "Was nun"? Wer Glück hat, rutscht in einer zweiten und dritten Vergaberunde nach. Darauf müssen derzeit 277 Eltern hoffen. Klar ist aber: Unter dem Strich werden einige leer ausgehen. Denn auch die Betreuung durch Tagesmütter und -väter kann den Bedarf nicht auffangen. Konstanz läuft bei der U3-Betreuung dem Bedarf hinterher.
Das ist die aktuelle Lage bei den Krippenplätzen:
Bis März mussten sich Eltern um einen Betreuungsplatz für ihre Kinder für das Kita-Jahr 2018/2019 mit Start im September bewerben. Ob kommunaler, konfessioneller oder freier Träger, Antrag und Vergabe läuft über das städtische Sozial- und Jugendamt. Die erste Vergabe der Krippen- und Kindergartenplätze erfolgte bis 7. Mai. Seit diesem Datum erhalten Eltern Zu- oder Absagen. In den vergangenen Jahren konnte das Jugendamt 260 bis 290 Mal keinen Platz für unter Dreijährige anbieten. Für das anstehende Kita-Jahr sind es, nach jetzigem Stand, 277. Die Vergabe erfolgt nach einem Punktesystem (siehe Infokasten).
Das sagt die Stadt dazu:
Alfred Kaufmann leitet das Sozial- und Jugendamt. Eine Absage "trifft emotional diejenigen, die keinen Platz bekommen", sagt er. Und: "Wir nehmen das sehr ernst, dass wir nicht alle Kinder versorgen können." Die Verteilung ist kompliziert und es spielen viele Faktoren eine Rolle. Zum Beispiel, dass im Vergleich zu den Vorjahren weniger Kinder vom Kindergarten in die Schule wechseln; dadurch werden weniger Plätze in den Kitas frei, was sich auf einen Wechsel von Krippenkinder in den Kindergarten auswirken kann.
Versorgungsquote: 41 Prozent
Der Bedarf an Kleinkindbetreuung betrage in Konstanz 60 Prozent, mit einer Versorgungsquote von 41 Prozent rangiere die Stadt an zweiter Stelle im Land, erklärt das Jugendamt. Das täuscht nicht darüber hinweg, dass auch Konstanz den seit 2013 geltenden gesetzlichen Anspruch auf einen Betreuungsplatz nicht erfüllt. Immer wieder drohen Eltern und auch Arbeitgeber mit Klagen.
Wie es für Eltern weitergeht:
Die Absagen sind noch nicht definitiv. Wem das Jugendamt über die Einrichtungen einen Platz in einer Kita angeboten hat, muss sich 18. Mai entscheiden, ob er diesen annimmt. "Da gibt es immer wieder Verschiebungen", sagt Alfred Kaufmann. Die Zahl der Absagen "geht um 15 bis 20 Prozent nach unten", ergänzt Rüdiger Singer, zuständig für die Platzverteilung in Kitas. Das Nachrückverfahren wird voraussichtlich am 4. Juni beginnen. Danach gibt es eine weitere Vergaberunde – weil etwa Eltern zwischenzeitlich Umzugspläne hätten, Großeltern die Betreuung übernähmen oder eine erneute Schwangerschaft den Anspruch auf einen Platz reduziere, erklären die Vertreter des Jugendamts. Zudem würden "im laufenden Kindergartenjahr immer wieder Plätze frei."
Das hat Konstanz gegen den Mangel getan:
Die Stadt und alle Träger von Kindertagesstätten haben fast 70 Krippenplätze für unter Dreijährige innerhalb der vergangenen zwei Jahre geschaffen. Die Politik unterstützt den stetigen Ausbau. Doch Konstanz kommt nicht nach. Einerseits, weil die Stadt in großem Ausmaß wächst. Andererseits, "weil der Bedarf steigt", sagt Alfred Kaufmann. Immer mehr Eltern entschieden sich, ihr Kind in eine Tagesstätte schicken zu wollen, anstatt es selbst bis zum Kindergartenalter selbst zu betreuen.
3300 Plätze
Fast 700 U3- und rund 2200 Ü3-Plätze gibt es in Konstanz und seinen Stadtteilen und Teilorten (ohne Plätze in Sondereinrichtungen). Dazu kommen Spielgruppen mit 133 Plätzen sowie 339 Hortplätze zur Betreuung von Schulkindern. Darüber hinaus bieten Tagesmütter und -väter 190 Plätze an.
Das will Konstanz noch tun:
Seit dem Jahr 2007 sind rund 52 Millionen Euro in den Ausbau der Kindertagesbetreuung geflossen. 41,3 Millionen Euro hat die Stadt übernommen, 9,7 Millionen die konfessionellen und freien Träger. Zudem kamen 6 Millionen Euro vom Bund. "Wir ruhen uns nicht darauf aus", sagt der Leiter des Sozial- und Jugendamts. In der Umsetzung oder in der Vorbereitung befinden sich bereits 120 Krippenplätze, die bis zum Jahr 2022 eingerichtet sein sollen. Gespräche liefen über zusätzliche 60 bis 70 Plätze, erklärt Rüdiger Singer.
Das sagen Eltern:
Sie sind über Absagen enttäuscht und können diese nicht nachvollziehen. Eine Mutter erklärt gegenüber dem SÜDKURIER, für sie sei der Grund nicht nachvollziehbar. Ihr Mann sei selbständig, sie beabsichtige, wieder Vollzeit zu arbeiten. Ihr sei in den bei der Bewerbung drei angegebenen Wunscheinrichtungen kein Ganztageslatz angeboten worden, obwohl ihre erste Tochter in einem der Häuser bereits war. Stattdessen sei eine Betreuung von vier Stunden am Tag in einer nicht von ihr bevorzugten Kita möglich. Das anzunehmen, "ist einfach unmöglich", sagt die Frau, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. Sie hofft auf das Nachrückverfahren, sieht aber die ihr zugesagte Arbeitsstelle in Gefahr.
Sorge um den Job
Wie eine weitere Mutter, die in Teilzeit arbeiten möchte. Auch ihrer zweijährigen Tochter ist ein Platz über vier Stunden Betreuung am Tag angeboten worden. "Welcher Arbeitgeber macht da mit?" Ein Großelternteil stehe zwar zur Verfügung, aber nicht in dem Umfang wie ein Ganztagesplatz. Beide Mütter betonen, dass ihre Familien finanziell auf zwei arbeitende Elternteile angewiesen sind. Eine Möglichkeit für sie ist, auf eine Tagesmutter zurückzugreifen: ergänzend zu dem vierstündigen Angebot, oder eben ganztags.
Das ist die aktuelle Lage bei Kindergartenplätzen:
Hier sind ab September so gut wie alle Kinder untergebracht; allerdings nur, weil Einrichtungen mit einer Ausnahmegenehmigung des Landesjugendamts um etwa 30 Plätze überbelegt werden. 30 Kinder sind nicht vermittelt, hier schiebt Amtsleiter Alfred Kaufmann ein "Aber" hinterher: Die Hälfte der Eltern habe angegeben, sie wolle nicht weitervermittelt werden, sofern ihr Kind nicht in die Wunscheinrichtung kann. Die andere Hälfte der Familien wohne noch nicht in Konstanz und der Umzug sei nicht absehbar; auch sie seien aus dem Verfahren genommen worden.
Das Punktesystem
Wer mehr Punkte hat, hat mehr Chancen auf einen Ganztagesplatz für sein Kind. Ein Beispiel: Beide Elternteile arbeiten oder studieren: 5 Punkte. Der Elternteil mit weniger Arbeitsumfang arbeitet 30 Stunden pro Woche: 5 Punkte. Insgesamt drei Kinder unter 13 Jahren im Haushalt: 2 Punkte. Summe: 12 Punkte. Im Vergabeverfahren für das Kitajahr 2018/2019 lag die Grenze für einen Ganztagesplatz für über Dreijährige bei etwa zehn Punkten. Dies variiere von Kita zu Kita, erklärt Planer Rüdiger Singer. Für einen U3-Ganztagesplatz lag die Grenze bei etwa 12 Punkten (ebenfalls für Hortplatz) im Stadtgebiet, bei 10 Punkten in den Stadtteilen. Weiteres Beispiel: Alleinerziehende Mutter und berufstätig: 7 Punkte. Arbeitszeit 30 Stunden pro Woche: 5 Punkte. Summe: 12 Punkte. Die Grenzen verschieben sich jährlich und hängen vom Platzangebot ab.
Das Personal
So sieht es beim Personal aus: Auch dieses haben die Stadt und die weiteren Kita-Träger in den vergangenen Jahren aufgestockt. In den mehr als 50 Einrichtungen (ohne Spielgruppen und Sondereinrichtungen) arbeiten mehr als 630 Kräfte. Konstanz gewährt mehr Personal als vom Landesjugendamt empfohlen. Beispiel: Das Kinderhaus am Salzberg habe acht reguläre Gruppen und dafür 4,7 Stellen mehr als vorgegeben, erklärt Kitaplaner Singer. Im Jahr 2016 hat die Stadt Konstanz knapp 25 Millionen Euro für die Tagesbetreuung von Kindern ausgegeben.