Herr Vatovac, Sie sind bei der IHK Hochrhein-Bodensee zuständig für Existenzförderung, Unternehmensgründung – und momentan für die Corona-Hilfe. Ich kann mir vorstellen, dass bei Ihnen das Telefon zur Zeit nicht stillsteht.

Ja, es ist unfassbar. Seit zwei Wochen schon. Zunächst hatten die Einzelhändler viele Fragen zu den Zwangsschließungen. Aber seitdem es eine einheitliche Regelung gibt, die klar kommuniziert wurde, ist das abgeflaut. Nun prasseln die Anfragen zur Soforthilfe ein.

Welche Fragen haben die Einzelhändler und Unternehmer in der Region? Plagen sie Existenznöte?

In Konstanz hatten wir bisher zum Glück ganz wenige, die sagten: ‚Wenn keine Hilfe kommt, müssen wir zumachen.‘ Konstanz hat einen gut aufgestellten Einzelhandel. Die Anrufer wollten wissen, an wen sie sich für die Hilfe wenden müssen. Wann die Hilfe kommt, wie viel Geld es gibt.

Wann kommt die Soforthilfe in Form von Zuschüssen, die nicht zurückgezahlt werden müssen?

Heute, spätestens morgen. Wir stehen in ständiger Abstimmung mit der L-Bank und dem Land Baden-Württemberg. Der Entwurf ist bereits fertig. Alle Kammern konnten ihr Feedback dazu geben.

Was ist aus Ihrer Sicht wichtig?

Dass die Antragsstellung nicht zu kompliziert ist, dass es einfach und schnell geht.

Um welche Summen handelt es sich bei den Soforthilfen?

Sie orientieren sich an der Mitarbeiterzahl und werden im Bereich zwischen 9.000 und 30.000 Euro über drei Monate liegen, ähnlich wie in Thüringen oder Bayern. Bayern war Vorreiter bei den Liquiditätshilfen, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Alle anderen Länder ziehen nun nach.

Gibt es darüber hinaus spezielle, eigens aufgrund der Corona-Krise aufgelegte Programme oder kommt man an die bestehenden jetzt einfach leichter heran?

Genau, es soll leichter gehen. Bei der Bürgschaftsbank Baden-Württemberg sollen Entscheide über Darlehen bis zu 250.000 Euro innerhalb von 72 Stunden getroffen werden können. Aber es sind eben Kredite, die wieder zurückgezahlt werden müssen...

Es würde bedeuten, dass sich die Einzelhändler und Unternehmer auf Jahre neu oder zusätzlich verschulden.

Ja, ich würde sagen, es ist seitens Bund und Ländern eine gute erste Reaktion gewesen, die bisherigen Hürden für Darlehen zu senken. Nun kommen die Soforthilfeprogramme. Wir werden sehen, ob die 9.000 bis 30.000 Euro nur ein erster Aufschlag sind und wie es weitergeht.

Können Sie verstehen, dass etwa Textilhändler zögern, einen Kredit aufzunehmen? Die Ware im Lager, die sie damit zahlen, können sie nicht verkaufen, und wenn sie sie in einigen Monaten doch verkaufen können, ist bereits Wintersaison, und ihre Ware hat an Wert verloren.

Ja, das kann ich gut verstehen. Ich hatte schon viele Anrufe von Textilhändlern in derselben Situation. Mit Ware im Wert von 250.000 Euro im Lager, die sie nicht verkaufen können. Und die mit jeder Woche an Wert verliert. Die Liquiditätshilfen reichen da natürlich nicht aus.

Was sollen die Textilhändler tun?

Wir können alle nur abwarten. Und in der Zwischenzeit in die Verträge sehen, mit Lieferanten, Abnehmern. Kann man Ware zurückgeben, zahlt eventuell die Versicherung? Kommt diesbezüglich eine Gesetzesänderung? Sobald wir mehr wissen, geben wir unser Wissen weiter.

Im Infektionsschutzgesetz heißt es, dass das Land, in dem ein Verbot erlassen wird, zu Schadensersatz verpflichtet ist, wenn deshalb Waren verderben oder an Wert verlieren.

Ja, anfangs gab es deshalb einen regelrechten Ansturm auf die Gesundheitsämter. Ich hatte dazu mit dem Regierungspräsidium gesprochen. Offenbar gilt die Entschädigungsklausel zunächst nur für diejenigen, die selbst von Corona betroffen sind – und deshalb schließen mussten. Mehrere Ministerien sind gerade dabei, das Thema abschließend zu klären. Klar ist schon jetzt, dass das Infektionsschutzgesetz keine Grundlage für die Entschädigung aller Einbußen hergibt, die aus den flächendeckenden präventiven Betriebsschließungen resultieren.

Was gibt Ihnen Hoffnung?

Die Reaktion der Öffentlichkeit auf die Ladenschließungen. Viele bedauern es sehr, und ich meine, dass jetzt gerade deutlich wird, wie wichtig der stationäre Einzelhandel ist. Im Vergleich zum Online-Handel prägt er das Bild unserer Städte, er versorgt uns nicht nur, sondern bereichert unseren Alltag. Das wird jetzt augenscheinlich. Ich hoffe sehr, dass wir das alle nicht vergessen, wenn wir durch diese Krise durch sind!