Abdussemet Kilit weiß, wie Smalltalk in Deutschland funktioniert – der Imam der Konstanzer Mevlana-Moschee lächelt, fragt, wie es geht und man merkt, dass er viel Deutsch versteht. Bei der Sprachpraxis wird es aber schwieriger, für komplexere Inhalte braucht er jemanden, der bei der Übersetzung hilft.
Wenn es nach der Bundesregierung geht, dann soll dies nicht mehr lange so bleiben. Ausländische Geistliche, die in Deutschland tätig sind, sollen künftig verpflichtend Deutschkenntnisse auf höherem Niveau nachweisen müssen. Das Bundesinnenministerium plane eine Änderung der Einreisevoraussetzungen, heißt es in Medienberichten.
Der Hintergrund ist auch, mehr Kontrolle über Moscheegemeinden zu haben – der Staat will verstehen, was dort gesprochen wird.
In Konstanz geben sich die Verantwortlichen in der Ditib-Moschee verhalten offen gegenüber dem Vorschlag.
"Wir legen Wert darauf, dass die Geistlichen Deutsch lernen und sprechen und hier in der Gesellschaft gut klarkommen", sagt Abdullah Doksanoglu, Vorsitzender des Moscheevereins.
Es gibt auch bereits Programme mit diesem Ziel. Seit 2007 ermögliche es Ditib deutschsprachigen Abiturienten, in der Türkei Theologie zu studieren, um danach Imam zu werden und das geistliche Amt in Deutschland auszuüben. 60 Absolventen gebe es bisher bundesweit, sagt Doksanoglu.
"Für uns wäre es natürlich ein Vorteil, wenn deutschsprachige Personen, die in der Türkei Theologie studiert haben, als Imame hierher kommen. Das ist das Ziel."
Wie bildet man einen Imam aus?
So einfach ist es aus Sicht der Moscheegemeinde in Konstanz nicht. Die Ausbildung eines muslimischen Geistlichen sei komplex.
Abdussemet Kilit, Imam an der Konstanzer Moschee, beschreibt seinen eigenen Werdegang. Er selbst habe mit sieben Jahren angefangen den Koran zu lesen und auswendig zu lernen. Hilfreich war dabei die familiäre Prägung, auch Kilits Vater war Imam. Bis zum Abitur mit 18 Jahren besuchte er eine religiöse Schule, die er als Imam abschloss. Parallel dazu besuchte er eine Schule, um den Koran auswendig zu lernen. Erst danach begann die Theorie-Ausbildung, fünf Jahre Theologiestudium an der Universität.
Warum hätten in Deutschland aufwachsende Muslime Nachteile?
Aus Ditib-Sicht bringen deutschsprachige Türken, die in Deutschland aufgewachsen sind und in der Türkei Theologie studieren, Nachteile für die Ausbildung mit. Laut Kilit ist gerade das Koranstudium sehr aufwendig und dauert Jahre – eine Vorbildung wie er selbst sie erhalten habe, brächten Deutsch-Türken oft nicht mit. "Wenn man den Koran nicht auswendig kann, braucht man mit allem anderen noch gar nicht anfangen", sagt Kilit.
Wie erfolgt die Entsendung der Imame?
Dass es eine langfristige Lösung braucht, sieht aber auch Abdussemet Kilit: "Das ist eine Sache zwischen der Türkei und Deutschland. Die Politik muss versuchen, einen Kompromiss zu finden."
Die Entsendung der Imame erfolgt bisher über den Islam-Dachverband Ditib. Er entsendet einen Imam jeweils für fünf Jahre ins Ausland, danach kehren er und seine Familie in die Türkei zurück. Einfluss darauf, wohin sie entsandt werden, haben die Imame nicht, die Entscheidung erfolgt über ein komplexes Prüfungssystem. Sprachkenntnisse können den Einsatzort beeinflussen.
Seit 2016 steht der Islamverband Ditib in Deutschland wegen seiner Nähe zur türkischen Regierung in der Kritik. Zwischenzeitlich gab es auch den Vorwurf, Imame hätten für Ankara ihre Gläubigen bespitzelt.
Wie schätzen Gläubige das Ziel ein, deutschsprachige Imame auszubilden?
Deutsch zu verstehen und zu sprechen, ist gut, Türkisch zu sprechen jedoch wichtiger: So kann man Abdullah Aris Haltung zusammen fassen. Der 24-jährige Student geht regelmäßig in die Moschee und sieht sie nicht nur als religiöses, sondern auch als kulturelles Zentrum. "Deshalb finde ich es gut, wenn der Imam Türkisch spricht. Ich spreche besser Deutsch als Türkisch und freue mich über die Sprachpraxis."
Abdullah Ari räumt aber ein, dass die Verständigung für alle in der Moschee einfacher wäre, wenn der Imam Deutsch spricht. "Allerdings ist die Islamwissenschaft in Deutschland noch längst nicht so gut ausgebaut wie in der Türkei".
Nese Erikli fordert ein Konzept
Nese Erikli, Landtagsabgeordnete der Grünen für den Wahlkreis Konstanz-Radolfzell und selbst aus einer türkischen Familie stammend, kennt die politischen Debatten um das Thema sehr gut. Ihre Haltung ist eindeutig.
"Unser Ziel ist es, dass die unterrichtenden Geistlichen und Lehrkräfte an deutschen Universitäten und Hochschulen ausgebildet werden", schreibt sie auf Anfrage. Allerdings halte sie es für entscheidend, dass ein Konzept zur Ausbildung der Imame von allen Beteiligten gemeinsam erarbeitet werde. "Nur so schaffen wir Akzeptanz in den muslimischen Gemeinden."
In der Konstanzer Moschee spricht man viele Sprachen
Mangel an Sprachvielfalt herrscht in der Mevlana-Moschee nicht. Zwar hat die Moscheegemeinde offiziell nur 210 Mitglieder, doch das sind ausschließlich die türkischstämmigen, zahlenden und registrierten Mitglieder.
Neben diesen Mitgliedern besuchen viele andere Muslime die Moschee, vor allem aus arabischen Staaten, aus Ägypten, Syrien, aber auch Albanien, Bosnien, der Schweiz und Österreich.
Die Verständigung erfolgt in mehreren Sprachen: Den Koranvers, den der Imam in seiner Predigt zitiert, spricht er ohnehin auf Arabisch, die Erläuterungen erfolgen auf Türkisch, zudem wird die Predigt ins Deutsche übersetzt. Außerdem werde in der Moschee religiöser Unterricht auch auf Arabisch für die arabischsprachigen Kinder angeboten, berichtet Doksanoglu, dies erfolge über arabischstämmige Lehrer, die in Konstanz wohnen. Bei sozialen Veranstaltungen verständigt man sich, je nachdem, wer gerade da ist, auf Türkisch, Arabisch oder Deutsch.