Sie liegen meist im Industriegebiet, weit entfernt von glanzvollen Einrichtungen der Innenstadt und so, dass nur der sie findet, der sie sucht: Spielhallen und private Spielcasinos.
Jetzt sollen sie noch weiter in den Hintergrund rücken. Das Landesglücksspielgesetz sieht vor, dass Konzessionen für Spielhallen nicht verlängert werden, wenn eine Einrichtung in 500 Metern Entfernung zu einer anderen liegt. Das heißt: Wenn an einem Standort mehrere Spielcasinos nebeneinander liegen, müssen alle Einrichtungen bis auf eine schließen.
18 Spielhallen müssen in Konstanz eigentlich schließen
Bettina Parschat vom Bürgeramt der Stadt Konstanz war zuständig dafür, das Gesetz bis 31.12.2017 umzusetzen. Im Ergebnis erteilte die Stadtverwaltung für vier Standorte glücksspielrechtliche Erlaubnisse, wie Parschat auf Nachfrage des SÜDKURIER schreibt. Nach alter Rechtslage waren dies jeweils Mehrfachstandorte, das heißt: Es befanden sich mehrere Spielhallen an einem Ort.
Diese Erlaubnis wurde nun auf eine Spielhalle pro Standort begrenzt. Drei Betreiber akzeptierten die Entscheidung, einer legte Widerspruch ein.
18 Spielhallen wiederum bekamen Ablehnungsbescheide, verbunden mit einer Schließungsanordnung. Demnach fallen fünf bisherige Spielhallen-Standorte ganz weg, an einem Standort müssen mehrere Spielhallen auf eine reduziert werden.
Alle Spielothek-Betreiber legen Widerspruch ein
Trotzdem wird sich an der Präsenz der Spielhallen so schnell nichts ändern. Denn alle 18 Betreiber haben Widerspruch gegen die Entscheidung der Verwaltung eingelegt. Auch wenn dem Widerspruch nicht stattgegeben werde, gebe es noch die Möglichkeit einer Klage. „Das kann sich über Jahre hinziehen“, sagt Parschat.
Für den Bürger ändert sich daher zunächst eigentlich nichts. Parschat sieht die Umsetzung des Gesetzes eher als langfristige Vorbeugemaßnahme: Immerhin habe seither keine Spielhalle in Konstanz neu eröffnet. „Ich gehe auch davon aus, dass sich die Betreiber langfristig umorientieren“.
Spielhallen-Betreiber sehen die 500-Meter-Regel als zu strikt an
Betreiber sehen das naturgemäß anders. Auch Michael Mühleck müsste seinen Spielhallen-Standort an der Reichenaustraße eigentlich schließen. Er ist Geschäftsführer der Harlekin Spiel- und Unterhaltungsautomatenbetriebs-Gesellschaft und betreibt als solcher einige Spielhallen in Baden-Württemberg. Zudem ist er Vorsitzender des Automatenverbands Baden-Württemberg.
Die Kriterien, die die Stadtverwaltungen anwenden, um die Schließung von Standorten voranzutreiben, seien, so sieht er es, alles andere als rechtssicher. Daher habe er Widerspruch eingelegt.
Aus seiner Sicht ist die 500-Meter-Regel zu strikt und droht, Existenzen unter den Betreibern zu kosten. Zum einen habe der Gesetzgeber den Betreibern ohnehin bereits hohe Auflagen beim Spielerschutz gemacht. So werde das Personal streng geschult, um zu erkennen, wann ein Spieler Stress-Symptome zeige und somit suchtgefährdet sei. Zweitens werde seit November dieses Jahres eine Code-Karte eingesetzt, die verhindert, dass ein Spieler an mehr als einer Maschine gleichzeitig spielt.
"Ein belasteter Spieler ist immer einer, der mehrere Maschinen zur gleichen Zeit bedient.“ Als Vorsitzender des Automatenverbands hofft er darauf, auf landespolitischer Ebene überzeugen zu können und das Abstandsgebot (500-Meter-Regel) zu kippen.
Die Suchtberatung unterstützt das Gesetz – sieht aber auch noch Lücken
Reinhard Schwering von der Suchtberatung Konstanz plädiert für eine differenzierte Sicht auf das Landesglückspielgesetz. „Es ist ein guter erster Schritt, aber nun muss man dafür sorgen, dass es nicht ausgehöhlt wird“, sagt er.
Auch er sieht wie Mühleck die Problematik, dass verschiedene Bereiche des Glücksspiels nicht eingeschlossen sind: Staatliche Spielcasinos etwa sind von der Regelung ausgenommen, ebenso Sportwettbüros und das gesamte Internet, wo jegliche Form des Glückspiels leicht zugänglich ist. Somit gebe es einen kompletten Markt, der nicht reguliert werde.
Nicht jeder, der spielt, ist auch spielsüchtig
0,5 bis 1 Prozent der Bevölkerung sei spielsuchtgefährdet, das heißt: „Nicht jeder, der einen Automaten bedient, ist spielsüchtig“, so Schwering. Gefährdet seien vor allem Personen, die anfängliche Gewinne verzeichnen. Das führe zur Ausschüttung von Belohnungsstoffen im Gehirn, die langfristig süchtig machen können. „Immer wieder dem Gewinn nachjagen ist psychisch enorm anstrengend.“
Nicht immer werden Suchtgefährdete an die örtliche Suchtberatung verwiesen
Was die Spielotheken in der Stadt angeht, setzt Schwering auf Prävention. Die Schulung der Mitarbeiter obliege der Suchthilfe.
Überregionalen Anbietern, die ihre Filialen in Konstanz betreiben, organisierten ihre Prävention allerdings selbst, arbeiteten also mit überregionalen Suchthilfestellen. „Das geht dann an uns vorbei und die Betroffenen haben keinen örtlichen Ansprechpartner“, kritisiert Schwering.
Für die Zukunft ist Schwering besonders wichtig, dass Städte eine Balance herstellen zwischen Spielangebot und den notwendigen Hilfen. Vieles werde der Markt selbst regulieren, da kleinere Betreiber durch das jetzt wirksame Gesetz vom Markt verschwänden. Wie man allerdings mit dem Bereich der Sportwetten umgeht, bleibe auch durch das Gesetz ungeklärt.
Das sagt der Leiter einer Glücksspiel-Selbsthilfegruppe
Rolf Oser leitet im Rahmen des Baden-Württembergischen Landesverbands für Prävention und Rehabilitation (bwlv) in Radolfzell eine Glücksspiel-Selbsthilfegruppe. Aus seiner Sicht ist das Angebot, an Glücksspielen teilzunehmen, in der Region und im Internet viel zu groß.
Hilft es einem Spielsüchtigen überhaupt, wenn es wie nach dem Landesglücksspielgesetz vorgesehen, künftig nur noch eine Spielothek an einem Standort gibt und nicht mehr wie zuvor drei oder vier?
Meine Beobachtung ist folgende: Als vor zwölf Jahren die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Bilanz zog, gab es etwa 260.000 Automaten in Gaststätten und geschätzt 280.000 Spielsüchtige bundesweit. 2017 waren es nach selber Quelle etwa 420.000 Automaten und 560.000 Spielsüchtige.
Meine Theorie: Jeder Automat generiert einen Spielsüchtigen. Das ist zwar nur die Statistik, aber es entspricht auch unseren Beobachtungen. Und dementsprechend gilt auch: Je weniger Automaten es gibt, desto weniger Spielsüchtige gibt es.
Ist das Angebot an Glücksspiel nicht ohnehin groß – etwa im Internet?
Internet-Casinos sind ungeprüft und frei zugänglich, 24 Stunden am Tag, rund um die Uhr. Einhalt gebietet in dem Fall nur, dass Vorkasse geleistet wird.
Auch hier gilt: Früher waren von zehn Spielsüchtigen sieben bis acht Automatenspieler. Heute sind es fünf bis sechs Automatenspieler und vier bis fünf Internetspieler. Bei Sportwetten gilt Ähnliches: Lokale Wettbüros dürfen Live-Wetten gar nicht anbieten. Im Internet kann man bei jedem Bundesligaspiel bis zum Spielende an den Wetten teilnehmen, das ist attraktiv.
Allerdings sind auch die Automatenhallen hier in unserer Region wie aus dem Boden geschossen, vor allem wegen der Schweizer Kunden, auch dies ist eine gefährliche Entwicklung.
Wie wirksam ist die Prävention, die die Spielothek-Betreiber inzwischen selbst anbieten müssen?
Sie sind gesetzlich dazu verpflichtet. Wir vom bwlv schulen die Mitarbeiter der Spielotheken. Da muss man beachten, dass der Spieler natürlich die Einkunftsquelle der Spielothek ist. Obwohl in den Casinos unsere Flyer ausliegen, kenne ich keinen Fall, bei dem sich ein Spieler aufgrund der Empfehlung eines Casino-Mitarbeiters bei uns gemeldet hätte.
Allerdings gibt es Fälle, in denen Mitarbeiter einen Spieler auf uns aufmerksam machte und dieser sich dann mit großer zeitlicher Verzögerung bei uns meldete.
Wie viele Spielsüchtige gibt es etwa im Kreis und wie viele suchen Hilfe in der Selbsthilfegruppe?
Man schätzt die Zahl der Spielsüchtigen auf ein Prozent der 15 bis 75-jährigen Bevölkerung, das müssten 1500 bis 1800 Personen im Landkreis sein. Und in die Selbsthilfegruppe kommen im Lauf eines Jahres etwa 40 neue Personen vorbei, nicht alle bleiben.