In dem Haus in Dingelsdorf stehen Kisten, Koffer und Taschen. Vor der Tür parkt ein Kleinlaster. Ein Umzug steht an. Bald schon. In den Pfingstferien soll alles vollzogen sein. Irmi Wette verlässt Konstanz und zieht nach Neumünster, zwischen Nord- und Ostsee, rund 70 Kilometer nördlich von Hamburg gelegen. 1997 zog sie von Freiburg nach Konstanz, 2005 ging‘s nach Dingelsdorf.

Nun also weg. Ein Abschied mit Beigeschmack, auch wenn sie selbst mit sich im Reinen ist und immer positiv nach vorne blickt. Die Konstanzer Puppenbühne gründete die Erzieherin, Sonderpädagogin und Natur- und Umweltpädagogin im Jahr 1998, in dessen Rahmen sie 2002 „Pfoten weg!“ ins Leben rief. Ein Theaterstück, das sich dem sensiblen Thema Kindesmissbrauch widmet und Kindern sowie Eltern Hilfe bietet. Bundesweit wurde es mehrmals prämiert, geschätzt und rund 60 Mal im Jahr gebucht – nur in Konstanz, da hatte sie einen schweren Stand.
Einladung vom Bundespräsidenten
Bundespräsident Walter Steinmeier lud sie im vergangenen September zum Bürgerfest auf Schloss Bellevue ein. Seit vielen Jahren übernehmen Politiker bundesweit die Schirmherrschaft von „Pfoten weg!“ und laden Irmi Wette in ihre Bundesländer ein, um an Schulen und Kindergärten das Stück vorzutragen. Der Weiße Ring ist ein dauerhafter Partner. Experten der Arbeitsgemeinschaft Jugendschutz Baden-Württemberg empfehlen das Stück als pädagogisch wertvoll. „Pfoten weg!“ war mehrmals für den Deutschen Engagement-Preis nominiert.
Sozialministerin dankt Irmi Wette
Monika Bachmann, Ministerin für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie im Saarland, übernahm ebenfalls die Patenschaft und schreibt: „Damit Kinder sich wehren können, müssen sie in der Lage sein, gefährliche Situationen zu erkennen und einschätzen zu können. (...) Diese Aspekte greift das Puppentheaterstück in vorbildlicher und vor allem kindgerechter Form auf und ermöglicht im Zusammenspiel mit den Begleitmaterialien auch Eltern sowie Erziehern das Thema im Nachgang zu vertiefen und das Selbstbewusstsein der Kinder zu stärken. Mein besonderer Dank gilt daher Irmi Wette, die dieses wunderbare Theaterstück geschrieben hat.“
Nur in Konstanz ist sie nicht gerne gesehen
Nur in Konstanz, zumindest bei den städtischen Einrichtungen, war sie nicht gern gesehen und durfte nicht auftreten. Bürgermeister Andreas Osner äußerte sich gegenüber dem SÜDKURIER vor rund einem Jahr so: „Wir haben ihr erläutert, warum wir das nicht wollen“, sagte er. „Unsere Experten aus dem Jugendamt und den sozialen Einrichtungen sind der Meinung, dass das Stück pädagogisch nicht geeignet ist.“ Konkretisieren wollte er diese Worte nicht. „Wir haben nichts gegen Irmi Wette oder das Puppentheater. Wir beziehen uns lediglich auf ,Pfoten weg‘. Die Entscheidung steht schon lange fest. Wir haben anderes zu tun als jedes Jahr ein Puppenspiel zu analysieren.“

Die 49-Jährige bezeichnet sich selbst als Kämpferin für die Kinder dieser Welt. Sie erlebte in ihrer Jugend, wie sich die beste Freundin aufgrund jahrelanger sexueller Übergriffe des Stiefvaters das Leben nahm. „Das hat mich geprägt“, erzählt Irmi Wette. „Das Thema Missbrauch wird nach wie vor verdrängt“, sagt sie. Auch vom Konstanzer Rathaus? „Das will ich nicht sagen. Das soll jeder selbst beurteilen.“ Sie fühlte sich jedenfalls ohnmächtig gegenüber der Obrigkeit im Rathaus und ist froh, dass sie einen Neuanfang in Neumünster starten kann. Zusammen mit ihrem Ehemann hat sie einen Landgasthof erworben, auf dem sie Werk- und Wirkstätten eröffnen – Puppentheater, Puppenmuseum, Puppenpädagogik. Am 19. Mai gibt sie mit einem Aktionstag in der Thingolthalle Dingelsdorf eine Art Abschiedsveranstaltung. Die Schirmherrschaft haben Ortsvorsteher Heinrich Fuchs und Stadträtin Christine Finke übernommen. „Pfoten weg!“ wird sie weiterhin aufführen – im Herbst unter anderem auf der Reichenau, in Waldshut-Tiengen und Überlingen. Hier ist sie gerne gesehen.
Nur in Konstanz, da möchte man die Prophetin aus dem eigenen Land nicht in städtischen Einrichtungen auftreten lassen.