Als Leuchtturm bezeichnet die Verwaltung das Konstanzer Innovationsareal (KINA). Sie will dort ein Zentrum für Gründer am Bodensee schaffen, die Stadt als Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort etablieren und sie für Fachkräfte sichtbar machen. Wer aber soll das etwa 10.000 Quadratmeter große Teilstück – die Fläche entspricht knapp eineinhalb Fußballfeldern – des früheren Siemens-Areal betreiben, wer das vorgesehene fünfgeschossige Gebäude 2 plus die denkmalgeschützte Shedhalle vom Eigentümer I+R mieten?
Das sind die wichtigsten Fakten vor der Entscheidung des Gemeinderats (Donnerstag, 19. Juli, ab 18 Uhr):
Welche Optionen gibt es überhaupt?
Insgesamt hat Verwaltung neun Möglichkeiten auf ihre Realisierbarkeit prüfen lassen. Zwei theoretische Modelle sehen den Kauf der Gebäude 2 und der Shedhalle von der I+R-Gruppe ganz oder teilweise vor. Da die Eigentümer dies ablehnen, scheiden diese Modelle laut Stadt im Vorhinein aus. Dasselbe gilt für einen Betrieb von KINA durch I+R.
Bei den übrigen Überlegungen handelt es sich um unterschiedliche Betreiber- oder Mietmodelle, alle beinhalten ein Vorkaufsrecht durch die Stadt. Die Verwaltung will den Mitgliedern des Gemeinderats am Donnerstag, 19. Juli, nur eines der Modelle zur Umsetzung vorschlagen.
Welche Kriterien legte die Stadt an?
Sie bewertete in einer Übersicht die neun Modelle anhand folgender Dimensionen: rechtliche Einschätzung, Vorstellungen des Eigentümers I+R, Kosten und Risiken für die Stadt sowie ihre Einflussmöglichkeiten auf die Umsetzung von KINA. Auch eine etwaige Verzögerung des geplanten Projektstarts Anfang 2019 wurde berücksichtigt.
Moment, was ist KINA noch gleich?
Das Konstanzer Innovationsareal KINA – ob es bei diesem vorläufigen Arbeitstitel bleibt sollen Kommunikationsexperten während dieses Sommers klären – soll ein Nährboden für Existenzgründer, bereits etablierte Unternehmen sowie Studierende und Wissenschaftler werden.
Auch das Technologiezentrum Konstanz (TZK) soll vom Stadtteil Paradies nach Petershausen ziehen. Im Mai verabschiedete der Gemeinderat ein entsprechendes Konzept. Es sieht vor, das KINA als zentralen Treffpunkt in das neu entstehende Quartier an der Bücklestraße einzubinden. Hierzu gehört auch ein Angebot für Gastronomie, Kutlur und Geschäfte in der Shedhalle.
Welche der Varianten empfiehlt die Verwaltung dem Gemeinderat?
Das Konstanzer Unternehmen Gründerschiff soll eine Tochtergesellschaft gründen, die das Areal betreibt. Das heißt: Sie mietet die Gebäude 2 und die Shedhalle von der I+R-Gruppe, die den Innenausbau übernimmt. Die Gründerschiff-Tochter vermietet die Räume dann weiter. Der spätere Mietpreis richtet sich unter anderem danach, ob I+R den Innenausbau finanziert.
Um dem Eigentümer I+R entgegenzukommen, hat Gründerschiff zudem angeboten, weitere 14.000 Quadratmeter Fläche der Gebäude 1a, 1b und 6 ebenfalls als Generalmieter zu übernehmen. So könnte laut Stadt einerseits eine spätere Vergrößerung von KINA ermöglicht werden. Anderseits soll in den Gebäuden 1b und 6 eine Mischung aus Gewerbe und Wohnmöglichkeiten für Auszubildende, Studierende oder Gründer entstehen.
Dieses Modell sei laut Stadtverwaltung nicht nur rechtlich unproblematisch, sondern erfülle auch alle weiteren für sie maßgeblichen Voraussetzungen: Das finanzielle Risiko ginge an das Unternehmen Gründerschiff. Die 4000 Quadratmeter Fläche des neuen TZK werden ohne Aufschlag an die Stadt vermietet, bestätigt Gründerschiff-Geschäftsführer Moritz Meidert gegenüber dem SÜDKURIER. Die Stadt erhält außerdem ein Mitspracherecht mittels eines KINA-Beirats, dessen städtische Mitglieder – darunter Gemeinderäte und Vertreter der Wirtschaftsförderung – ein Veto gegen Neumieter einlegen können.
Warum schließt die Stadt alle weiteren Modelle aus?
Nicht nur die beiden Kaufmodelle und der Betrieb von KINA durch die Eigentümer scheiden wegen der fehlenden Bereitschaft von I+R hierzu aus. Aus unterschiedlichen Gründen hält die Verwaltung auch alle bis auf die oben beschriebene Variante für nicht oder kaum realisierbar. So schätzt sie zum Beispiel das finanzielle Risiko für die Stadt zu hoch ein, sollte sie KINA selbst oder über eine Tochtergesellschaft des TZK betreiben. Ferner würde sich hier der Zeitplan um mindestens drei Monate bis zu einem Jahr verzögern.
"Höchst unrealistisch" sind laut dem Vorschlag der Stadt auch Umsetzungen, bei denen ihr der Einfluss auf das Areal abhanden komme oder sie bei einer Ausschreibung an einen externen Betrieb höhere Mietkosten trage.
Was hat Gründerschiff von dem geplanten Modell?
Gründerschiff-Geschäftsführer Moritz Meidert sagt gegenüber dem SÜDKURIER: "Für uns ist die Zusammenarbeit mit der Stadt und insbesondere dem TZK maßgeblich. Wir versprechen uns dadurch einen verlässlichen Partner über einen längeren Zeitraum hinweg." Im Gegenzug für das geringe wirtschaftliche Risiko und niedrige Kosten für die Stadt bestehe für das Konstanzer Unternehmen die Aussicht auf Gewinn. "Eins zu Eins ohne Aufschlag werden lediglich die 4000 Quadratmeter Fläche für das TZK weitergegeben", erklärt Meidert dazu. Durch die Vermietung der übrigen 20.000 Quadratmeter Fläche erwarte sich sein Unternehmen "durchaus einen betriebswirtschaftlichen Erfolg".
Das sind die Zielgruppen des KINA
- Technologiezentrum Konstanz (TZK): Mit dem Umzug vom Paradies an die Bücklestraße nach mehr als 30 Jahren soll sich das TZK weiterentwickeln. Neben den bestehenden Angeboten sollen unter anderem ein Gründerservicebüro und ein Kümmerer als Anlaufstelle für Gründung und Vernetzung entstehen. Das Gründernetzwerk Konstanz (GNK), bislang nebenbei vom TZK ausgeführt, soll professionell werden und alle öffentlichen und privaten Akteure der Konstanzer Gründerszene bündeln. Der Gemeinderat hat zugestimmt, das TZK künftig mit jährlich maximal 600.000 Euro (bislang rund 360.000 Euro) zu unterstützen. Die Summe beinhaltet den Betrieb des TZK, den des Accelerators sowie des Gründerbüros. Die Bewilligung gilt für 15 Jahre.
- Accelerator: Seit rund zwei Jahren betreibt das Land Baden-Württemberg ein Förderprogramm für sogenannte Accelerators (aus dem Englischen für Beschleuniger). So sollen vielversprechende Jungunternehmen und Start-ups möglichst schnell zur Marktreife geführt werden. Das KINA will einen solchen Accelerator im Bereich Dienstleitung aufbauen. Die Stadt verspricht sich von der Einrichtung laut des KINA-Konzepts, "in die oberen Ränge im Städtevergleich der Gründungs- und Start-up-Angebote" zu gelangen.
- Innovation und Co-Working: In Innovationslaboren sollen Privatpersonen Produktideen mittels der zur Verfügung gestellten Infrastruktur testen. So soll unter anderem ein moderner Maschinenpark aufgebaut und dessen Nutzung vermarktet werden. Selbstständigen und Freiberuflern sollen flexible und günstige Arbeitsplätze in einem Co-Working-Konzept bereitgestellt werden. (bbr)