Diskussionen über das Seenachtfest haben in Konstanz Tradition. Die Veranstaltung steht nicht zum ersten Mal auf der Kippe.

Durch das Ausrufen des Klimanotstands seitens des Konstanzer Gemeinderates hat die Debatte – gerade auch was das Feuerwerk anbelangt – wieder Fahrt aufgenommen. Nach aktuellem Stand sei das Ziel, im kommenden Jahr eine Neuauflage zu starten, sagt Stadt-Pressesprecherin Anja Fuchs, die anfügt: „Alles noch im Konjunktiv.“

Das könnte Sie auch interessieren

„Ein finanzielles Fiasko“: Für Konstanzer Vereine war das Seenachtfest eine wichtige Einnahmequelle

„Ich habe schwer geschluckt, als ich im Mai im SÜDKURIER las, dass es das letzte Seenachtfest in der bisherigen Form sein soll“, sagt Marcel Kraus, Vorsitzender des Musikvereins Eintracht Petershausen.

Seit Jahrzehnten gibt das Orchester Konzerte auf dem Fest und ist zusätzlich mit einem Essens- und Getränkestand präsent. „Es ist unsere wichtigste Einnahmequelle, mit der wir rechnen“, stellt er fest. Kein Engagement beim Seenachtfest wäre für den Verein „ein finanzielles Fiasko„. Und: „So ein Fest ist für uns überlebenswichtig.“ Zumal es keine adäquaten Alternativen gebe. „Die Zusammenarbeit mit Full Moon ist toll. Wir würden gerne mit ihnen weitermachen“, stellt er fest.

Auf ein Feuerwerk zu verzichten, den Gedanken kann Kraus nicht nachvollziehen: „Das Rahmenprogramm ist ja gut und recht, aber die Leute kommen extra wegen des Feuerwerks.“ Die aktuelle Unsicherheit, ob und wie es weitergeht, belastet den Verein: „Für uns ist es wichtig, früh eine Planungssicherheit zu bekommen.“

Das könnte Sie auch interessieren

„Das Seenachtfest ist Werbung für Konstanz“

„Das Seenachtfest hat eine ungeheure Strahlkraft im gesamten deutschsprachigen Raum. Eine solche Marke gibt man freiwillig nicht auf“, konstatiert Ekkehard Greis, Vorsitzender der Einzelhandels-Interessensgemeinschaft Treffpunkt Konstanz. „Das ist Werbung pur für Konstanz, weit über den Tag hinaus.“

Zudem sei die Veranstaltung eine wichtige Einnahmequelle für die Stadt, die mitverdiene. „Es braucht ein Feuerwerk“, findet der Konstanzer. Das Programm selbst könne durchaus verändert und „Vereine sollten mehr ins Boot geholt werden“. Er plädiert „für die Beibehaltung des Seenachtfestes, am gleichen Termin mit Kreuzlingen; das ist die Meinung des gesamten Treffpunkt-Vorstands“, so Greis. Es im nächsten Jahr ausfallen zu lassen, „wäre ein Granatenfehler. Dann ist das Fest gestorben“.

Statt das Feuerwerk einzustampfen, lieber einen autofreien Samstag?

Mit den Folgen des Klimanotstands wurde Peter Martin, Direktor des Inselhotels, konfrontiert. Kaum ausgerufen, hätten die ersten Gäste abgesagt. Sie wollten nicht in einer Stadt Urlaub machen, die sich solch „populistischer Maßnahmen“ bediene, berichtet er.

„Alle Gäste beklagen sich, dass es das letzte Seenachtfest sein soll, denn ohne Feuerwerk sei es kein Seenachtfest mehr“, berichtet er. Seine persönliche Meinung: „Ich weiß nicht, welches wilde Pferd die Stadt geritten hat, die Sache dermaßen infrage zu stellen.“ Das Seenachtfest mit seinem Feuerwerk sei die einzige Konstanzer Veranstaltung, die überregional bekannt sei; der einzige „nachhaltige Werbeträger für die Region“.

„Ich verstehe nicht, dass man sowas dermaßen kaputtmachen kann.“ Auch wenn Konstanz auf ein Feuerwerk verzichten sollte – die Schweizer werden es beibehalten. „Dann hat die Stadt genauso viele Zuschauer im Stadtgarten und an der Seestraße, allerdings ohne Infrastruktur“, meint Martin, der anregt: „Den CO2-Ausstoß kann man anders kompensieren, zum Beispiel mit einem autofreien Samstag. Oder man verzichtet auf die Flottensternfahrt.“

„In Kürze werden attraktive Alternativen zum Feuerwerk zur Verfügung stehen, darauf sollten wir setzen“

Tobias Engelsing, Leiter der städtischen Museen und Journalist, ist anderer Ansicht. „Als einer, der viele Jahre lang als Feuerwehrmann Dienst auf solchen Festen gemacht und alle Tiefen erlebt hat, bin ich heute eher für die kleinen, regionalen Formate“, sagt er.

„Das würde auch viel besser zu unserem strategischen Ziel eines Qualitätstourismus mit regionalen Produkten und Langzeiturlaubern passen.“

Das Feuerwerk hält er für verzichtbar, denn: „Solche Riesenfeste mit Feuerwerken und Massenverkehr sind ein Teil unseres rücksichtslosen Konsumverhaltens auf Kosten der Umwelt. In manchen Teilen der Welt versinken Dörfer im Schlamm der Überschwemmungen, andernorts verdursten die Kühe auf den Weiden: Das Klima verändert sich dramatisch, aber wir jammern herum, weil wir aus Umweltschutzgründen und als Zeichen unseres Veränderungswillens auf ein Feuerwerk verzichten sollen – das ist lächerlich.“

Das Seenachtfest

Regionaler Zuschnitt: Das Kreuzlinger Fantastical als Vorbild?

Er ist überzeugt: „In Kürze werden attraktive Alternativen zum Feuerwerk zur Verfügung stehen, darauf sollten wir setzen.“ Das Kreuzlinger Seenachtfest habe schon „den sympathischen regionalen Zuschnitt, den wir wieder realisieren sollten. Deshalb sollten wir gemeinsam über die Zukunft nachdenken. Wenn wir die erste deutsch-schweizerische Kooperation sind, die zum Beispiel eine neue nächtliche Licht-Schau bietet, wird das Schule machen“.

„Das Fest hat sich zu einem Koloss aufgebauscht“

Nicht zufrieden ist Tino Schumann, Vorsitzender des Konstanzer Wirtekreises, mit der aktuellen Form des Seenachtfestes. „Der Kommerz steht weit vorn und es fehlt die Liebe“, sagt er.

„Das Fest hat sich zu einem Koloss aufgebauscht. Vielleicht sollten wir schauen, dass es wieder festlicher wird.“ Seiner Ansicht nach brauche Konstanz das Seenachtfest, denn: „Jede Stadt hat sein Leuchtturmfest“, zumal es kein Zeltfestival und kein Rock am See mehr gebe. Wichtig ist ihm eine Weiterentwicklung des Festes, und zwar „weg vom Extrem-Kommerz“. Auch die Möglichkeit, dass die Stadt Konstanz selbst künftig wieder als Veranstalter agieren könne, schließt er nicht aus.