In dem einen Jahr seit dem bisher letzten letzten Treffen mit dem SÜDKURIER-Reporter hat sich einiges getan. „Ich habe es geschafft“, sagt Zora Schnobrich und in ihrer Stimme schwingt ein wenig verständlicher Stolz mit. Sie lacht über das ganze Gesicht. „Ende August beginnt das Hauptstudium.“ Das Hauptstudium an einer renommierten Zürcher Ballettakademie. Davon träumte die 15-Jährige seit Jahren. Nur die Besten schaffen diesen Sprung, die Konkurrenz ist riesig. Nach dem dreijährigen Grundstudium, ebenfalls in Zürich, wird gesiebt. Zora Schnobrich, die sympatische junge Frau aus dem Konstanzer Stadtteil Paradies, ist durchgekommen. Viele andere hochkarätige Kandidatinnen nicht.

Zora Schnobrich schickt sich an, die Ballettwelt zu erobern.
Zora Schnobrich schickt sich an, die Ballettwelt zu erobern. | Bild: Oliver Hanser

„Ich konnte es erst gar nicht glauben.“ Ab dem 26. August wird sie an sechs Tagen pro Woche von 8 Uhr morgens bis mindestens 19 Uhr abends die Akademie besuchen und von Konstanz aus mit dem Zug pendeln. In den vergangenen drei Jahren war sie ebenfalls an fünf Nachmittagen pro Woche beim Training in Zürich, noch dazu jeden Samstagvormittag. Hausaufgaben und Lernen für die Schule stand jeden Sonntag auf dem Programm, sie besucht aktuell die neunte Klasse des Ellenrieder Gymnasiums.

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Nach diesem Schuljahr konzentriert sie sich zu hundert Prozent aufs Ballett. „Anders geht es nicht“, sagt sie selbst. „Beides parallel ist unmöglich, wenn du das Hauptstudium erreicht hast.“ In Zürich werden neben dem eigentlichen Sport auch noch andere Fächer wie Ernährungslehre, Musikgeschichte oder Anatomie gelehrt, damit die Ausbildung auf breiten Füßen steht.

Ein starkes Trio: Tanzakademie-Besitzerin Andrea Czerner, Nora Schnobrich und Trainerin Judith Geibel.
Ein starkes Trio: Tanzakademie-Besitzerin Andrea Czerner, Nora Schnobrich und Trainerin Judith Geibel. | Bild: Oliver Hanser

„Das ist eine andere Welt“, erklärt Judith Geibel mit wenigen Worten das, was auf die junge Frau nun wartet. Judith Geibel war die erste Balletttrainerin von Zora, sie ist heute so etwas wie die Mentorin der hochtalentierten Tänzerin. Die beiden bilden nach wie vor ein Team. Zoras Blicke gehen immer wieder zu Judith Geibel, wenn sie in der Czerner Dance Academy in der Kreuzlinger Straße in ihrer knapp bemessenen Freizeit übt und übt und übt.

Anmut und Grazie: Zora Schnobrich vor dem Spiegel in der Tanzakademie Czerner.
Anmut und Grazie: Zora Schnobrich vor dem Spiegel in der Tanzakademie Czerner. | Bild: Oliver Hanser

Hier ist Zora Schnobrich zum ersten Mal mit diesem Sport in Berührung gekommen vor vier Jahren. „Ein Mädchen wie sie ist mir noch nie begegnet“, sagt die staatlich anerkannte Tanzpädagogin. „Sie hat außergewöhnliche Voraussetzungen und ist ein absolutes Naturtalent.“

Am Barren trainiert die junge Frau gerne.
Am Barren trainiert die junge Frau gerne. | Bild: Oliver Hanser

Als Zora zehn Jahre alt war, tanzte sie noch mit großer Begeisterung Hip Hop. Als sie erstmals in der Czerner Dance Academy auftauchte, eilte ihr schon ein Ruf voraus. „Man hört das ja öfter“, erinnert sich Judith Geibel. „Dieses oder jenes Mädchen ist eine tolle Balletttänzerin, tanzt schon seit sieben Jahren und so weiter. Da schrillen bei mir schnell die Alarmglocken. Je begeisterter die Eltern sind, desto gefährlicher ist es.“

Zora Schnobrich 2019 Video: Hanser, Oliver

Nicht so bei Zora Schnobrich. „Sie war sogar noch talentierter und besser als ihr Ruf“, sagt Andrea Czerner, Besitzerin der Dance Academy. „Das war unfassbar.“ Es dauerte damals keine Minute, bis die Trainerin in dem jungen Mädchen das Ausnahmetalent entdeckte. „Wie sie läuft, ihre Körperhaltung. Ihre Auswärtsdrehung. Das ist Gott gegeben“, sagt Judith Geibel.

Eine Freude für das Auge: Wenn Zora Schnobrich sich positioniert, wird sie zum Blickfang.
Eine Freude für das Auge: Wenn Zora Schnobrich sich positioniert, wird sie zum Blickfang. | Bild: Oliver Hanser

Der Traum vom Dasein als Profitänzerin wächst seither tief im Inneren von Zora Schnobrich. Um ihn zum Leben zu erwecken, verzichtet sie auf viel. Ausgehen mit Freunden, Partys, chillen, abhängen – Dinge, die bei ihr nicht existieren. „Das macht mir nichts aus“, versichert sie. „Ballett ist mein Leben. Es gibt zwar keine Garantien, aber ich muss es auf jeden Fall versuchen.“ In ihren Augen muss es auch nicht ganz nach oben gehen – Hauptsache, sie kann sich später ihr Leben mit ihrer großen Passion finanzieren.

„Ich beherrsche meinen Körper, nicht er mich“

„Reich wird niemand mit dem Ballett“, sagt Judith Giebel. „Aber man tanzt auch nicht fürs Geld, sondern weil man das Ballett so sehr liebt und es einem so viel zurückgibt.“ Zora ernährt sich nach einem genauen Plan, Kohlenhydrate und Zucker sind darauf nicht zu finden. „Der Körper ist natürlich eine wichtige Voraussetzung“, sagt Judith Geibel. Zora lauscht den Worten ihrer ehemaligen Trainerin und sagt schließlich einen ganz besonderen Satz: „Beim Ballett beherrsche ich meinen Körper und nicht der Körper mich.“ Was sie damit ausdrücken möchte, erklärt Judith Geibel: „Wenn ich mein Bein nach oben ausstrecke entscheide ich ganz alleine, wann ich es wieder herunterlasse und nicht nachlassende Kraft oder Konzentration.“

Wer so tief in sein Hohlkreuz gehen kann, hat jahrelange harte Arbeit hinter sich.
Wer so tief in sein Hohlkreuz gehen kann, hat jahrelange harte Arbeit hinter sich. | Bild: Oliver Hanser

Der Plan B, sollte es nicht klappen mit dem Hauptstudium, existiert derzeit noch nicht. „Damit möchte ich mich nicht wirklich auseinandersetzen“, sagt Zora Schnobrich. „Dafür ist das Ballett einfach zu wichtig und zu schön für mich.“ Judith Geibel auf der anderen Seite ist zu erfahren, um sich als Mentorin der 15-Jährigen nicht mit einem eventuellen Ende des Traumes zu befassen. „Wenn man schon so lange dabei ist wie Zora und sich auf diesem Level bewegt“, erklärt sie und atmet tief durch. „Dann wäre es sehr, sehr schwierig, emotional das Thema loszulassen.“ Einen höheren Schulabschluss könne sie auf jeden Fall nachholen, „doch jetzt ist es richtig, alles auf die Karte Ballett zu setzen“. Grundsätzlich sagt sie: „Sollte es Zora nicht schaffen zur Profitänzerin, darf das nicht als Versagen gewertet werden.“