Es ist alles eine Frage der Perspektive. Wenn ein eher unterdurchschnittlicher Schüler jahrelang eine Fünf in Mathematik nach Hause bringt, wird er jubilieren, wenn er bei der nächsten Klassenarbeit eine Vier Minus schreibt – ein Streber und Zahlengenie hingegen wäre zu Tränen betrübt. Wer ewig unter bestialischen chronischen Rückenschmerzen leidet, wird bei der kleinsten Erleichterung riesige Freude verspüren und neuen Lebensmut schöpfen – ein Mensch würde verzweifeln angesichts dieser nach wie vor großen Schmerzen.
Hehre Ansätze von Stadt und Handel
So ähnlich verhält es sich offenbar in Sachen Verkehr in der Innenstadt zwischen Ende November und Anfang Januar sowie an Brückentagen oder in der Ferienzeit. Die Stadt hat im Herbst in Zusammenarbeit mit dem Handel beschlossen, die Einsatzzeiten der Verkehrskadetten zu erhöhen, um somit eine Entlastung auf dem Altstadtring zu schaffen. Darüber hinaus wurden Straßen im Paradies früher gesperrt als in den Vorjahren, riesige Automassen wurden umgeleitet.
Das Ergebnis ist laut Stadtverwaltung positiv – denn die Belastung in der Innenstadt sei nachweislich weniger geworden. Das hört sich zunächst einmal richtig gut an. Endlich, so könnte man meinen, löst sich das unschöne und nervtötende Chaos auf.
Jetzt aber kommen Schulnote und Rückenschmerzen ins Spiel: Vom Ende der Verkehrsprobleme sind wir in Konstanz so weit entfernt wie der Pennäler von einer Eins in Mathe oder der chronische Rückenpatient von Schmerzfreiheit.
Flickschusterei hilft nicht mehr
Geben wir uns keiner Illusion hin: Das Problem lässt sich mit Flickschusterei nicht lösen, maximal die Symptome lassen sich mildern. Was die Stadt als Erfolg verkauft, sorgt bei vielen Bürgern der Stadt für Verwunderung. Der Verkehr soll erträglicher geworden sein?
Von zehn spontan gefragten Konstanzern haben gestern neun milde gelächelt oder sarkastisch gelächelt und den Kopf geschüttelt.
Hier ein paar Beispiele von Aussagen: „Ich als Konstanzer gehe Freitag oder Samstag nicht mehr in die Innenstadt“, sagt der Dingelsdorfer Manfred Sobisch, dereinst Vorsitzender des Stadtsportverbandes. Das Fasnachts-Urgestein Hans-Joachim Pfeffer aus der Sonnenbühlstraße pflichtet bei: „Es ist doch traurig, dass die Einheimischen nicht mehr ins Zentrum kommen wollen. Es geht heute nur noch mit dem Bus. Aber als älterer Mensch ist das nicht so einfach.“
"Die Stadt redet alles schön"
Auch Paradies-Bewohner sind verwundert, wenn sie von den Erfolgsmeldungen der Stadt hören. Klaus Bücheler aus dem Schobuliweg hat während der Weihnachtszeit einmal mehr zahlreiche Autos, primär solche mit Schweizer Kennzeichen, beobachtet, die auf Gehwegen oder Anwohnerplätzen standen – wie in den Vorjahren auch.
„Die lächeln dann über die Strafzettel über zehn Euro“, ärgert er sich. „Die Stadt behauptet, es sei spürbar besser geworden? Die reden alles schön und haben keine Ahnung von der Realität. Es darf ja nichts schlecht sein in Konstanz, der Herr OB will ja wieder gewählt werden, der ist ja schon im Wahlkampfmodus.“
Da hilft nur eins: Autos raus!
Die jüngsten Erfahrungen lassen nur einen Schluss zu: Nur dann, wenn in Innenstadt und Paradies vom PKW-Verkehr befreit wird, hören der Staumarathon an Brückentage, Samstagen oder in den Ferienhauptzeiten auf.
Anwohner, Zulieferer, Handwerker, Feuerwehr, Polizei oder Rettungsdienst erhalten Genehmigungen – alle anderen haben gefälligst draußen zu parken. Was beispielsweise in Madrid funktioniert, sollte doch auch in Konstanz möglich sein.