Das Gelächter ist ihm noch gut in Erinnerung. Heinz Hug blickt zurück auf den 7. Mai 1975. Damals stellte er als Zunftmeister im Gemeinderat die Pläne der Blätzlebuebe fürs Schnetztor vor.
Die Narren kündigten an, den verfallenen Turm zu ihrer Zunftstube ausbauen zu wollen. Über das Startkapital von 6000 Mark hätten die Räte nur gelacht.
Mit Körpereinsatz und enorm viel Wagemut aber gelang den Blätzlebuebe ein Husarenstück.
Sie mobilisierten rund 1,8 Millionen Mark und jede Menge Prominenz für die Sanierung des gesamten Turms. Antreiber war eben Heinz Hug, heute 88 Jahre alt. Bröckelnder Putz, faulende Balken und Berge stinkenden Taubenkots – das Schnetztor habe damals ein jämmerliches Bild abgegeben, vor allem im Inneren, erinnert sich Hug.
Dennoch hätten er und sein Säckelmeister Albert Müller gewusst: Aus dem Schnetztor lasse sich etwas machen.
Gleich zu Beginn setzten die Blätzlebuebe alles auf eine Karte, nämlich das gesamte Startkapital in der Höhe von 6000 Mark.
Es war der Erlös aus dem Verkauf von vielen Kilometern Stoffgirlanden eines Narrentreffens. Die Narren nahmen das Geld, ließen ein Logo kreieren, einen Blätzlebue, der das Schnetztor liebevoll in den Arm nimmt, und pressten es auf Gönnerplaketten in vier Wertstufen.
Diese verkauften sie zugunsten des Zunftstubenbaus für fünf, 30, 50 und 100 Mark. Das am Schnetztor angebrachte Spendenbarometer stieg schnell, im Mai 1976 stand es auf 42.000 Mark, und die Blätzlebuebe konnten starten.
Viele Menschen beteiligten sich daran, Geld für den Turm zu sammeln.
180.000 Mark trugen die Blätzlebuebe mit Aktionen zusammen. Dazu kamen Eigenleistungen, die umgerechnet den Wert von etwa 280.000 Mark hatten.
Acht Zunftmitglieder fingen 150 Tauben ein und brachten sie in den Pulverturm, ebenso schafften sie Tonnen von Schutt auf dem Rücken ins Freie.

Sie entfernten morsches Holz und kümmerten sich um das historische Uhrwerk aus dem abgebrochenen Augustinertor.
Es schmückt heute die Zunftstube. „Wir haben über Jahre fast jede freie Minute im Schnetztor gearbeitet“, sagt Heinz Hug.
68 Helfer brachten es auf 7511 Arbeitsstunden. Heinz Härter auf besonders viele.
Der Turm war nicht elektrisch verkabelt und hatte keinen Kanalanschluss. Er bekam letzteres durch eine Rohrkooperation mit der benachbarten Gaststätte.
Die Narren knüpften Netzwerke und zogen immer mehr Prominente ins Boot, unter anderem durch die Verleihung des Ehrentitels „Turmherr“. Der damalige Minsterpräsident Hans Filbinger bekam ihn, ebenso Weihbischof Karl Gnädinger.
Zu den prominenten Gästen im Turm gehörte Roman Herzog, damals Kultusminister in Baden-Württemberg und später Bundespräsident.
1977 zeichnete das Land Baden-Württemberg die Initiative als vorbildliche Bürgeraktion aus. 1978 stieg das Schnetztor „in die Bundesliga auf“, wie Heinz Hug es formuliert.
Denn es wurde neben dem Ulmer Münster und dem Esslinger Rathaus zum Baudenkmal von nationaler Bedeutung erhoben. Dies bedeutete: Die finanzielle Beteiligung des Bundes an der Außenrenovierung war gesichert.
1978 war die Zunftstube der Blätzlebuebe fertig, doch am Turm wurde weiter gewerkelt.
Bis der letzte Stein auch am Vortor saniert war, war es 1984 geworden. In den 90er Jahren folgte die Sanierung der zum Turm gehörenden Häuser und des Hus-Hauses in unmittelbarer Nachbarschaft. Turmherr Herbert Schenk hatte diese vorangetrieben.
Hug: „Es war ein Wunder, dass wir es geschafft haben, ohne Verluste.“ Für ihn sei es klar gewesen, dass er sein Versprechen vor dem Gemeinderat halten musste, welches lautete: „Geben Sie uns den Turm, wir machen mehr daraus.“
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