Wohnen hat in Konstanz ganz unterschiedliche Aspekte: Wer eine Wohnung sucht, kann bis zur Verzweiflung getrieben werden; glücklich ist, wer schönen Wohnraum und gute Kontakte hat. Wir lassen Florian Rummel zu Wort kommen, der mit seiner Familie eine Wohnung sucht, und Vroni Wegner, 90, die sich im Tannenhof aufgehoben fühlt. Annabel Holtkamp, 60, will das Wohnen ganz neu gestalten.
Florian Rummel: „Wir ziehen von Stuttgart nach Konstanz, weil meine Frau eine feste Stelle am Stadttheater Konstanz hat. Sie ist seit 2012 dort angestellt, war aber jetzt in Elternzeit, wir haben eine zweijährige Tochter. Die Wohnungssuche ist nicht einfach: Die Angebote über die Online-Portale sind nicht eben zahlreich. Unser Wunsch wäre es, in Theaternähe zu wohnen, weil die Arbeitszeiten am Theater vormittags und spätabends stattfinden, man hat also mehrfache Wege. Wir suchten zunächst im Paradies, in der Altstadt und Petershausen, haben aber inzwischen den Radius vergrößert. Wir suchen jetzt intensiv seit zwei Monaten – irgendwann bewirbt man sich auf alles, was in Frage kommt. Man muss wahnsinnig schnell sein, sobald ein Angebot ins Netz gestellt wird, gibt es sehr viele Anfragen. Bei einer Altbauwohnung, die abends ins Netz gestellt wurde, teilte uns das Immobilienbüro später mit, dass es über Nacht etwa 100 Anfragen gegeben hatte; in einem anderen Fall waren es wohl 400 Anfragen. Wir haben bisher alle Möglichkeiten der Suche genutzt: zwei Inserate schalteten wir selbst, wir antworten auf Zeitungsannoncen, haben an mehrere Immobilienbüros Suchanfragen verteilt. Freunde in Konstanz hören sich für uns um und der Theaterintendant unterstützt uns. Auch bei der Wobak läuft eine Bewerbung. Mehrfach haben wir die Erfahrung gemacht, dass große Wohnungen mit etwa 80 Quadratmetern eher an Paare oder Einzelpersonen vergeben werden als an eine Familie. Das hat uns erschreckt. Es gibt aber auch Vermieter, die konkret eine Familie suchen. Grundsätzlich suchen wir eine Drei-Zimmer-Wohnung, gerne aber auch zwei Zimmer mit Wohnküche. Es gibt viele Frustmomente bei der Suche, manchmal aber auch sehr freundliche Begegnungen.“
Vroni Wegner: „Ich bin 90 Jahre alt und Bewohnerin im Tannenhof, einem Haus für betreutes Wohnen. Ich bin aus Berlin nach Konstanz gezogen und seit 2004 hier. Der Grund für den Umzug war, dass mein Sohn seit 30 Jahren hier ansässig ist. Mit den Wohnverhältnissen im Tannenhof bin ich sehr zufrieden. Mein Mann ist vor fünf Jahren gestorben, seine letzten Lebensjahre war er sehr krank und dement. Am Ende seines Lebens war er im Haus am Salzberg. Seit seinem Tod lebe ich alleine hier. Zwei Mal pro Woche kommt ein Pflegedienst, der mich beim Duschen unterstützt. Ich habe sehr gute Kontakte zu den Nachbarinnen. Kontakte zu den jungen Bewohnern im Tannenhof haben sich nicht so ergeben. Sie sind alle berufstätig, die älteren Bewohner wiederum haben ihr eigenes Leben, bei manchen kommen die Enkel vorbei.
Annabel Holtkamp: „Das Wohnprojekt Konstanz bietet eine spannende Chance für die Zukunft. Ich bin von Anfang an, seit November, dabei. Gemeinschaftliches Wohnen war immer mein Ding. Heute, nachdem die Kinder aus dem Hause sind, möchten mein Mann und ich wieder mehr Leben in der Bude haben. Ich habe das Thema ‚gemeinschaftliche Wohnen‘ schon längere Zeit im Freundeskreis adressiert, aber außer Lippenbekenntnissen wurde nichts daraus. Und so kam die Initiative von den Architekten Ruff und Weber und Sylvia Machler zum Wohnprojekt Konstanz genau richtig.
Wenn viele ein Quartier planen
Thomas Stark ist Professor für nachhaltiges Bauen an der Konstanzer Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung. Er erläutert, wie im Rahmen des Förderprogramms Zukunftsstadt ein Modellquartier entstehen soll.
Konstanz ist eine von 51 Kommunen, die am Projekt Zukunftsstadt mitwirken. Das Ziel ist eine nachhaltige Entwicklung. Hier hat man sich für das Schwerpunktthema Wohnen entschieden. An den Christiani-Wiesen soll ein Stadtquartier entstehen, das nachhaltiges Wohnen demonstriert. Die Idee ist, dass viele Akteure gemeinsam ein Quartier entwickeln: die Verwaltung, beide Hochschulen, die Stadtwerke, die Wobak, Verbände sowie Bürger. Unsere Leitfrage: Wie kann man mit weniger Wohnfläche pro Person eine höhere Wohnqualität schaffen? Die Tendenz geht dahin, den privaten Wohnanteil zu reduzieren und mehr Gemeinschaftsfläche zu schaffen. Das funktioniert bei „eingeschworenen Gemeinschaften“, wir würden das gerne alltagstauglicher entwickeln. Dazu gehören zum Beispiel neue Mobilitätsformen wie Carsharing.
Wie kann digitales Wohnen dazu beitragen?
Kommunikationstechnologien erleichtern an vielen Stellen den Alltag. Auch bei den Shared-space-Einrichtungen soll das unterstützen, sodass man etwa den gemeinsamen Partyraum per App bucht.
Wie soll das Quartier sozial gestaltet werden?
Es soll lebendig sein, ein Mix der Generationen, der sozialen Schichten, Flüchtlinge integrieren. Die Frage ist, wie man Angebote schafft, bei denen sich alle wohlfühlen. Das kann über Einrichtungen wie Sportanlagen und Kinderbetreuung funktionieren.
Und wie garantiert man die Nachhaltigkeit des Projekts?Wir orientieren uns an dem Zertifizierungssystem der deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen. Das sind 30 Kriterien, an denen wir die Planung ausrichten. Die Kunst ist, einen Prozess mit vielen Interessensgruppen zu entwickeln und die Nachhaltigkeit nicht aus dem Blick zu verlieren.
Fragen: Claudia Wagner