Vor vielen Jahren, in der Ausbildung, hatte ich eine Chefin. Zuerst war ich froh: Sie war eine der wenigen Frauen in dieser Position – und ich durfte von ihr lernen. Wenn ich sie sah, lächelte ich sie an. Wenn sie mich sah, verzog sie ihr Gesicht. Im Flur musterte sie mich häufig von unten nach oben, manchmal entfuhr ihr dabei ein leises, wütendes Zischen. Zu dem kritischen Blick gesellten sich Zurechtweisungen, so laut, dass alle im Großraumbüro es hören konnten.
Unfassbare Verunsicherung
Ich war unfassbar verunsichert. Eines Tages rief sie mich zu sich in einen Konferenzraum. Sie warf ihre Haare in einer betont übertriebenen Geste zurück und grinste mich gekünstelt an. Dann sagte sie: „Mit nur Haare zurückwerfen kommst du hier nicht weiter, solange ich Chefin bin.“ Ich begriff erst später, wie heftig diese Unterstellung eigentlich war. Und wie sexistisch.
Nach Jahren erst – ich war glücklicherweise längst von ihrem Radar verschwunden – erfuhr ich von anderen Frauen, dass auch sie unter der Chefin gelitten hatten. Und: Dass sie systematisch Männer bevorzugte.
Großartige weibliche Vorbilder
Die Erfahrung ist lange her. Später hatte ich großartige weibliche Vorgesetzte – Chefinnen, von denen ich lernen durfte. Intelligente, gewitzte, selbstbewusste Frauen, die Freude daran hatten, ihr Wissen weiterzugeben. Sie waren das wohltuende Gegenprogramm zur damaligen Horrorchefin – sie förderten junge Kolleginnen gezielt und wurden für mich zu Vorbildern. Trotzdem muss ich manchmal an meine frühere Vorgesetzte denken.
Kein Einzelfall und nicht immer böse Absicht
Ihr Verhalten ist nämlich kein Einzelfall. Ich habe immer wieder gehört und auch selbst oft genug beobachtet, wie manche Frauen im beruflichen Alltag dazu tendieren, auf Kolleginnen, weiblichen Untergebenen und Praktikantinnen herumzuhacken. Oder, in abgeschwächterer Version, wie sie Frauen die weniger prestigeträchtigen Aufgaben zuteilen und ihnen von vorneherein weniger zutrauen als Männern. Dahinter muss nicht einmal böse Absicht stecken.
‚Ich kommt mit Männern besser klar‘ reproduziert Vorurteile und Klischees
Andere Frauen halten sich für besonders emanzipiert, wenn sie von sich behaupten: ‚Ich komme mit Männern besser klar.‘ Sie distanzieren sich von Kolleginnen, deren vermeintlicher Zickigkeit oder Geschwätzigkeit. Und reproduzieren so ausgerechnet die Klischees und Vorurteile gegenüber Frauen, von denen sie sich abheben wollen. Gerade im Hinblick auf Arbeit und Beruf sollten wir Frauen uns am Weltfrauentag ins Gedächtnis rufen: Nur, wenn wir zusammenhalten, können wir etwas erreichen. Nur, wenn wir – ob als Vorgesetzte oder als Kollegin – andere Frauen fördern, schaffen wir eine gesellschaftliche Veränderung. Also Frauen, seid nett zueinander! Schafft Frauenbündnisse. Helft euch.