Deutschland und Schweiz, friedlich vereint. Ein in Konstanz selten gewordener Eindruck, der kürzlich an der Auffahrt zur Neuen Rheinbrücke entstehen hätte können. Er trügt auch hier, denn mit deutsch-schweizerischer Freundschaft hatten die Fahnen der beiden Länder neben dem Banner mit der Aufschrift "IB Konstanz – Werde aktiv" wenig zu tun. Das lässt auf die sogenannte Identitäre Bewegung (IB) schließen. Sie verbreitet laut Landesverfassungsschutz "rechtsextremistische und völkische Auffassungen" und steht deshalb unter Beobachtung von Bund und Land. Die Aktion in Konstanz war laut Polizei nicht angemeldet. "Diese spontanen Auftritte sind allerdings die Masche der Gruppe", sagt Polizeisprecher Bernd Schmidt auf Anfrage.

Wie in einem an die Öffentlichkeit gelangten Strategiepapier der Gruppierung zu lesen ist, geht es der IB vor allem um eines: beifallheischende Bilder zu erzeugen. Sie sollen Macht, Trotz, Zuneigung oder Spott demonstrieren. Deshalb erklimmen Mitglieder das Brandenburger Tor oder versuchen das Bundesjustizministerium zu stürmen. Um der gewünschten Inszenierung nicht Folge zu leisten, verzichtet die Redaktion ihrerseits auf die Veröffentlichung des ihr vorliegenden Bildes der Aktion. Wegen ihr ermittelt in Konstanz inzwischen die Polizei wegen des Anfangsverdachts auf Verstoß gegen das Versammlungsgesetz.


Tief gehende Fremden- und Islamfeindlichkeit


Der Kunstbegriff identitär soll die Weltsicht der Mitglieder des eingetragenen Vereins – die IB ist keine Partei – transportieren. Demnach werde "die seit Jahrtausenden angestammte Bevölkerung Deutschlands und Europas in nur wenigen Jahren durch außereuropäische Einwanderer ausgetauscht". Die IB selbst nennt dies den "großen Austausch", gemeint ist eine tief gehende Fremden- und Islamfeindlichkeit.

"Dem Staatsschutz sind die Umtriebe der Bewegung in der Region und die Vernetzung in die Schweiz bekannt", sagt Polizeisprecher Schmidt. Sichtbare Zeugnisse gibt es immer häufiger: Seit Januar wirbt die IB Schwaben im Internet mit einem Stammtisch in Konstanz für die "noch junge Ortsgruppe am Bodensee". Ort und Termin erhält nur, wer sich vorab per E-Mail anmeldet. Nachfragen seitens der Redaktion bleiben unbeantwortet, auch über die Hintergründe der Banner-Aktion vor der Neuen Rheinbrücke. Derzeit tauchen in Briefkästen – vor allem in der Altstadt und in Petershausen – wiederholt Flugblätter mit dem schwarzen Lambda-Symbol der IB auf.

Laut Klaus Holzer vom Bürgeramt hat die Stadt gegen diese Art der Werbung keine Handhabe – solange sich darauf ein Impressum befindet, der entsprechende Sperrvermerk am Briefkasten fehlt und keine verfassungswidrigen Inhalte verbreitet werden. Anders sieht es beim öffentlichen Verteilen aus, das angemeldet werden muss, und für das die Stadt auch eine Gebühr verlangen kann. Auch an Autos, Fahrräder oder andere Fahrzeuge dürfen Flugblätter nicht ungefragt gehängt werden.

An der Universität ist das Auslegen erlaubt, dort gelten ähnliche Regeln wie beim heimischen Briefkasten. So sind auch an der Uni Exemplare der IB aufgetaucht, die der Redaktion vorliegen. Das nach Landespressegesetz auch hier verpflichtende Impressum tragen sie. Uni-Sprecherin Julia Wandt: "Wir kannten die Flugblätter nicht, sie wurden einfach verteilt." Entfernt werden von der Uni nur Plakate, die nicht genehmigt wurden, Flugblätter nicht. Dennoch distanziert sich die Uni "von jeglichem rechten Gedankengut", verweist aber gleichzeitig auf die in Deutschland geltende Meinungsfreiheit.

Auf den Zetteln an der Uni wird als Ansprechperson der Gründer des deutschen IB-Ablegers genannt: Nils Altmieks, junger Vater Anfang 30, Bauingenieur aus einem fränkischen Dorf, sportlich-elegantes Auftreten. Und damit Symbol für die sich vornehmlich an Jugendliche richtende Gruppe. Gebildet, elitär, hip und patriotisch – zumindest in der öffentlichen Darstellung weit weg vom Springerstiefel-Glatzen-Neonazi. Dass etliche Mitglieder genau diesem Milieu entstammen, passt schlecht ins Bild der lässigen Streiter für die deutsch-europäische Kultur.

Identitäre Bewegung

Die sogenannte Identitäre Bewegung Deutschland (IB) ist eine rechtsextreme, völkische Gruppierung meist junger Aktivisten. Sie trat nach ihrer Gründung 2012 zunächst im Internet, inzwischen auch mit regionalen Stammtischen auf. Die IB entstand Anfang der 2000er-Jahre in Frankreich und breitete sich so in Europa aus. In Deutschland soll es laut aktuellsten Zahlen etwa 400 bis 500 Mitglieder geben. (bbr)