Blickfang ist jedes Jahr der prachtvoll geschmückte Christbaum vor dem Konstanzer Restaurant Wallgut. „Er ist ein Magnet“, freut sich das Gastronomen-Paar Sylva und Markus Hensler. „Es ist so schön, wenn Kindergartengruppen hier vorbeikommen, stehenbleiben und Weihnachtslieder singen. Das freut uns“, sagt Sylva Hensler lächelnd.

Allerdings sorgt die im Wallgut gepflegte Tradition auch jedes Jahr für vereinzeltes Kopfschütteln von Passanten, denn der Tannenbaum bleibt sehr lange stehen. „Bleibt der jetzt bis Fasnacht?“ Auch diese Frage wird den beiden jedes Jahr gestellt und die Antwort lautet jedes Mal: „Nicht ganz, aber fast.“ So kurz und bündig fassen sich die beiden Brauchtumshüter jedoch selten, sondern erläutern mit Vergnügen die Hintergründe der oft in Vergessenheit geratenen Tradition.

Die meisten entsorgen ihren Weihnachtsbaum zu früh

„Die Tradition kennen meistens nur noch Menschen, die der Kirche sehr verbunden sind“, stellt Markus Hensler fest. „Es ist Brauch, den Weihnachtsbaum nach Totensonntag aufzustellen. Wir machen das immer am Montag vor dem ersten Advent“, sagt er und erläutert: „Dann beginnt die Zeit, in der man in sich geht und sich auf die besinnliche Weihnachtszeit freut.“

Mittlerweile trennen sich die meisten von ihrem Tannenbaum nach dem Dreikönigstag, zumeist aus praktischen Gründen, um das Verschleppen der Tannennadeln in der ganzen Wohnung zu vermeiden. Außerdem bieten just im Januar die Entsorgungsbetriebe die entsprechende Sonderabfuhr. Und hier setzte genau das deutlich vernehmbare „Aber“ der Henslers ein: „Erst an Maria Lichtmess ist die offizielle Weihnachtszeit vorbei“, stellt das Paar im Hinblick auf den Kirchenkalender fest. „Und deshalb bleibt unser Christbaum bis zum 2. Februar 2020 stehen“, betont Sylva Hensler.

Die Anekdote vom Christbaumloben

Vor Weihnachten pflegen Sylva und Markus Hensler einen weiteren Brauch, der in Konstanz unbekannt ist, aber im Schwäbischen gepflegt wird: Das Christbaumloben. Während seiner Bundeswehrzeit wurde Markus Hensler mit dem Brauch erstmals konfrontiert. „Die älteren Soldaten sind mit uns ins Dorf gegangen und haben an den Türen von Wohnhäusern geklingelt“, erzählt er. Die jungen Soldaten seien sehr erstaunt gewesen, was dann geschah. Die Türe wurde immer geöffnet, die Gäste hereingebeten, die dann den geschmückten Baum besahen und in höchsten Tönen laudierten. Dann wurden sie mit Speis und Trank verwöhnt.

„Es war ein schönes Miteinander“, schwärmt Markus Hensler. Diese kleine Tradition hatte ihn so nachhaltig beeindruckt, dass er und seine Frau diesen Brauch im Wallgut einführten, als sie den Betrieb übernahmen. „Das Christbaumloben ist bei uns längst ein fester Programmpunkt“, sagt Markus Hensler, und seine Frau Sylva fügt an: „Für uns ist es die Gelegenheit, unseren Gästen, die uns das ganze Jahr begleitet haben, Dankeschön zu sagen.“

Nachhaltiges Christbaum-Recycling

Doch zurück zum Christbaum. „Nach Maria Lichtmess fällen wir den Baum“, sagt Markus Hensler. Und was ist an der Narrenbaum-Frotzelei dran? Sylva Hensler schmunzelt schelmisch, denn dieser Gedanke wurde in geselliger Runde weiter verfolgt. Das Resultat: Der vormalige Weihnachtsbaum wird bis auf die Krone entastet, fasnächtlich geschmückt und etwa zwei bis drei Wochen vor Fasnacht wieder gestellt. „Tannenbaum-Recycling“, nennt Sylva Hensler das vergnügt und erzählt, dass Gäste schon angeregt hätten, aus ihm dann noch einen Maibaum zu machen. Doch das kommt für Henslers nicht in Frage. Eine Tanne sei nämlich nicht die richtige, traditionsgemäße Baumart für diesen Zweck.