Laubenhof, ehemaliges Siemensareal, Hafner: Zusammen sollen dort in den nächsten Jahren und Jahrzehnten rund 3500 neue Wohnungen entstehen. Dahinter steckt die erst einmal logische Formel, dass Bauen die Probleme der Konstanzer Wohnungspolitik mitlösen will. Würde nur genug gebaut, würden auch die Mieten und Wohnkosten sinken. Doch wer als Normalverdiener hofft, an den genannten Stellen bald günstigen Wohnraum zu finden, dürfte enttäuscht werden. Das hat drei Gründe.
Erstens: Zeit
Das Verfahren bis zum Einzug der ersten Bewohner ist langwierig – erst recht, wenn es sich wie beim Siemensareal oder Hafner um ein so großes Gelände handelt und die Bürger auf dem Weg dorthin beteiligt werden sollen. Unterdessen wird das Bauen nicht billiger – im Gegenteil. Frühestens in acht Jahren etwa dürfte das neue Quartier in Petershausen fertig sein, Spatenstich am Hafner ist zwar nach wie vor für 2025 geplant, dürfte aber nicht vor dem Jahr 2028 sein. Bis dahin sind schon viele verzweifelte Konstanzer Familien nach Wahlwies gezogen.
Zweitens: Investoren
Im Fall des Siemensareals ist es nachvollziehbar, dass die Stadt bei einem angeblichen Verkaufpreis von 28,6 Millionen Euro vorher ausstieg. Aber das Vincentius-Areal zu verkaufen war ein Fehler. Ja, mit dem Geld wurde das neue Vincentius-Krankenhaus querfinanziert. Aber die Stadt öffnet das Tor für Investoren und Spekulanten, wenn mit neuen Hochpreis-Immobilien die Preisspirale weiter nach oben getrieben wird.
Der Laubenhof ist ein gutes Beispiel, dass dort am Ende solche Immobilien stehen, die sich Normalverdiener nicht leisten können. Wenig überraschend ist es deshalb, dass noch mindestens 30 Prozent der Wohnungen unverkauft sind. Interessanter wäre, wer bisher zugeschlagen hat. Die Rendite dürfte nicht hoch sein, ein sicherer Parkplatz für das Vermögen ist eine Wohnung in der Lage von Konstanz allemal. An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass in anderen Ländern wie Österreich jeder Bürger Einsicht in das Grundbuch hat.
Drittens: Qualität
Was der Stadt in den beiden vorangegangenen Fällen bleibt, sind vertragliche und baurechtliche Steuerungsmöglichkeiten. Etwa, um Sozialwohnungen zu schaffen. Beim Laubenhof hat sich der Investor vertraglich dazu verpflichtet. Beim Siemensareal muss er sich – überspitzt gesagt – so lange an die Wünsche der Stadt halten, bis die eine Baugenehmigung erteilt hat. Schon jetzt zeichnet sich bei den Entwürfen ab, dass i+R hochwertig bauen will. Das darf das Unternehmen auch, und eine billige Plattenbausiedlung will ja auch keiner. Aber: Qualität hat eben ihren Preis.
Fazit: Nur zwei Gruppen werden sich die Stadt leisten können
Die mit einem Wohnberechtigungsschein und die mit einem gut gefüllten Konto. Für das mittlere Segment und die oft zitierten "Normalverdiener" wird es ohne gute Kontakte oder Glückstreffer schwer bleiben. Der prophezeite Sickereffekt etwa, dass aus dem mittleren Preisniveau eine Abwanderung ins neu erstellte Hochpreissegment stattfindet und den mittleren Bereich so entlastet, hat sich gefühlt eher als Klettereffekt erwiesen. Aber vielleicht macht der neue Gemeinderat beim Thema Wohnen ja alles anders.
Update/Nachtrag vom 18. April: Die Stadtverwaltung hat schriftlich auf diesen Kommentar reagiert: "Das Vincentius-Grundstück ist kein städtisches Grundstück. Es gehörte der Vincentius AG. Sie verkaufte das Grundstück, um das neue Vincentius-Krankenhaus in der Luisenstraße mitzufinanzieren. Auch bei der LBBW greift das Handlungsprogramm Wohnen: es müssen 20% Wohnungen im geförderten und 10 % Wohnungen im preisgedämpften Segment angeboten werden. Es ist nicht richtig, dass das Handlungsprogramm Wohnen im mittleren Bereich nicht greift. Ein ganz zentrales Element der Baupolitik in Konstanz sind die städtischen Vergaben. Bei den Grundstücken, die der Stadt gehören, werden seit 2018 30-50 Prozent im geförderten Wohnungsbau und 40-60 % im mittleren Segment vergeben. Über diese städtischen Vergaben entstehen bis 2035 rund 1625 geförderte Wohnungen. (Darüber hinaus sind rd. 375 geförderte Wohnungen über städtebauliche Verträge im Rahmen von privaten Wohnungsentwicklungen geplant.) Und nun zum mittleren Segment: Über städtischen Vergaben entstehen 1.300 Wohnungen im mittleren Segment zuzüglich 400 Wohnungen für Baugemeinschaften und Modellprojekte. Diese Zahlen sind gesetzt! D.h. hier kann und wird die Stadt selbst in den Markt eingreifen. Darüber hinaus hat das Institut Empirica weitere 3.900 Wohnungen im mittleren Segment prognostiziert. Dieses Ziel kann nur dann erreicht werden, wenn die insgesamt geplanten 7.900 Wohnungen bis 2035 auch gebaut werden, da über die Menge an Wohnungen ein Entlastungseffekt eintritt. Dieser Effekt greift noch nicht, da der Wohnungsbedarf aktuell noch zu hoch ist.