Kirsten Astor

Lorenz Enz sitzt an seinem Küchentisch in Allensbach und lächelt verschmitzt. „Raten Sie mal, wie alt ich bin?“, fragt der Mann die Journalistin. 85? Lorenz Enz lächelt noch breiter. „Rechnen Sie noch zwölf Jahre dazu!“, sagt er. Gehen kann er kaum noch, auch die Augen sind schlecht. Dennoch hat Lorenz Enz Lust, am Leben teilzunehmen. Dass ihm das gelingt, liegt unter anderem an Ela Martuzalska, einer 55-jährigen Polin. Sieben Wochen lang lebte sie mit Enz unter einem Dach, kochte für ihn, führte seinen Haushalt und fuhr ihn im Rollstuhl durch Allensbach. „Wir sind ein gutes Team“, sagt der 97-Jährige zufrieden und schiebt dann hinterher: „Ela verlässt mich bald. Dann kommt eine andere Polin.“

Pflegehaushaltshilfen aus Osteuropa unterstützen meist für einige Wochen

Dieser Wechsel hat inzwischen stattgefunden, denn die Pflegehaushaltshilfen, wie die Frauen und Männer aus Polen und Ungarn offiziell heißen, haben in ihrer Heimat meist selbst Familie und reisen nach ein paar Wochen wieder ab. Ela zum Beispiel pflegt ihre 88-jährige Mutter. Sie ist ausgebildete Physiotherapeutin, findet in Polen aber keine Arbeit. Als Ela davon hörte, dass sie ganz legal in Deutschland alte Menschen betreuen kann, fuhr sie vor fünf Jahren zum ersten Mal hierher. Etwa zehn Männer und Frauen aus Polen helfen momentan in Konstanzer, Allensbacher und Reichenauer Familien aus.

Die Verbindung zwischen den Angehörigen und den Kräften aus dem Ausland ist eine blonde, resolute Frau: Uta Kümmerle. Die ausgebildete Krankenschwester aus dem Stuttgarter Raum arbeitete fast 20 Jahre lang als Fallmanagerin in einer geriatrischen Klinik in Göppingen und leitete ebenso lange eine Nachbarschaftshilfe in Bissigen an der Teck. Vor fünf Jahren wollte sie den Klinikalltag hinter sich lassen und machte sich mit einer Pflegeberatung in Esslingen selbstständig. Seit Januar 2018 hat sie einen Zweitsitz in Konstanz, wo ihre Tochter studierte.

Uta Kümmerle vermittelt mit ihrer Pflegeberatung unter anderem Kräfte aus Polen und Ungarn an ältere Menschen unserer Region.
Uta Kümmerle vermittelt mit ihrer Pflegeberatung unter anderem Kräfte aus Polen und Ungarn an ältere Menschen unserer Region. | Bild: Kirsten Astor

Zu Beginn ihrer Selbstständigkeit bot Kümmerle hauptsächlich Hilfe beim Übergang von Klinik oder Reha nach Hause an. Sie organisiert auch heute noch die barrierefreie Umgestaltung der Wohnung, kümmert sich um ambulante Pflegedienste, um die Einordnung in die richtige Pflegestufe, um das Abrufen von Geldern und geht auch mal selbst ins Sanitätshaus oder besorgt ein Rezept beim Hausarzt. Doch inzwischen verbringt sie zwei Drittel ihrer Zeit mit der Suche nach Personal aus dem Ausland.

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Während unseres Gesprächs klingelt dauernd Uta Kümmerles Handy. Es ist Sommer, also Urlaubszeit. Auch die pflegenden Verwandten brauchen mal eine Pause – und suchen verzweifelt nach jemandem, der sich in dieser Zeit um ihre hilfsbedürftigen Eltern kümmert. „Kurzzeitpflegeplätze in Heimen sind sehr rar“, sagt Uta Kümmerle. Dies bestätigen die Spitalstiftung Konstanz und der Pflegestützpunkt des Landratsamts Konstanz. Also braucht es Alternativen. Eine Möglichkeit sind die Pflegehaushaltshilfen aus Polen und Ungarn – entweder nur für die Urlaubszeit der Verwandten oder auch für eine längere Zeit. So erstellt Uta Kümmerle Profile der zu Betreuenden und sucht passgenau nach Damen und Herren aus dem Ausland, die diese Anforderungen erfüllen können. Nachdem ein Vertrag geschlossen wurde, kommen die Pflegehaushaltshilfen per Fernbus am Döbele an und wohnen einige Wochen im Haus der zu betreuenden Person.

Pflege der Eltern ist belastend

Wilfried Enz ist dankbar über diese neue Form der Unterstützung. Denn vorher pflegten seine Frau und er seinen Vater Lorenz jahrelang selbst. „Ich war schon vor der Arbeit dreimal bei ihm drüben, gleich nach Feierabend wieder“, so Enz. „Das geht an die Substanz, man richtet sein ganzes Leben nur noch nach dem Vater aus.“ Er hörte sich um und stieß auf die Pflegeberatung von Uta Kümmerle, kombiniert sie aber weiterhin mit der mobilen Pflege des örtlichen Anbieters Tobias Volz. Seine Erfahrungen sind gut.

Ein Punkt ist Uta Kümmerle besonders wichtig: „Die Vermittlungen sind legal. Unsere Kräfte müssen sich nicht als Verwandte ausgeben oder im Haus verstecken, sondern sollen im Gegenteil am örtlichen Dorfleben teilhaben.“ In der Regel wird pro Kunde ein Team von zwei bis drei Pflegehaushaltshilfen aufgebaut, die sich abwechseln. So müssen sich die Senioren nicht immer an neue Gesichter gewöhnen. Elas Abschied von Lorenz Enz war jedenfalls kein endgültiger: „Ich hoffe, dass ich wiederkommen kann“, sagt sie.

Rund um die Pflegeberatung

  • Die Kräfte: Die Pflegehaushaltshilfen aus Polen und Ungarn sind keine ausgebildeten Pfleger, sondern Familienmenschen, die einen Deutschkurs und einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert haben. Außerdem werden sie mit einfachen Krankheitsbildern und typischen Abläufen in deutschen Haushalten vertraut gemacht.
  • Die Leistungen: Die Pflegehaushaltshilfen unterstützen beim An- und Ausziehen, bei Hygiene, Essen und Trinken, erledigen den Haushalt, gehen mit den zu Pflegenden spazieren und fördern deren Interessen oder Hobbys. Dies ist keine Rund-um-die-Uhr-Betreuung. Die Kräfte arbeiten acht bis zehn Stunden, die restliche Zeit muss anders organisiert werden, zum Beispiel mit mobilen Pflegediensten.
  • Partner: Uta Kümmerle arbeitet mit dem Pflegestützpunkt des Landkreises Konstanz sowie mit mobilen Pflegediensten der Region zusammen. Im Gegensatz zum Pflegestützpunkt sind ihre Beratungen nicht kostenlos. „Dafür komme ich auch abends oder am Samstag in die Familien“, so Kümmerle. Der Pflegestützpunkt berät Familien zu möglichen Hilfen, vermittelt aber selbst kein Personal.
  • Die Preise: „Alles unter 2000 Euro im Monat für eine Pflegehilfe im Haushalt ist nicht seriös“, gibt Uta Kümmerle als Richtmarke an. Sie arbeitet mit der Stiftung Europäische Begegnung und mit der Agentur CareWork zusammen. Beide verlangen rund 2000 Euro im Monat, dazu eine einmalige Bearbeitungsgebühr von rund 370 Euro, An- und Abreisekosten der Polen von je rund 150 Euro plus Unterkunft und Verpflegung. Die Haushaltshilfe kann mit einem deutschen Arbeitsvertrag im Haushalt eingestellt werden.
  • Kurzzeitpflegeplätze: Pflegeheime müssen dauerhaft einige feste Kurzzeitpflegeplätze bereitstellen, doch dies birgt Nachteile für den Anbieter. Laut Spitalstiftung Konstanz kann ein fester Kurzzeitpflegeplatz nicht mit einem Dauerbewohner belegt werden, wenn er nicht für die Kurzzeitpflege benötigt wird. Dadurch ergeben sich Leerstände, dem Anbieter entgehen Einnahmen, es bedarf auch mehr Personals. Darüber hinaus gibt es bei der Spitalstiftung seit zwei Jahren in ihren vier Einrichtungen je bis zu fünf „eingestreute Kurzzeitpflegeplätze“, die nicht immer angeboten werden.

Weitere Informationen im Internet:
http://www.pflegeberatung-konstanz.de