Bei der SÜDKURIER-Wahlarena zur Bundestagswahl am Dienstagabend im Konstanzer Konzil präsentierten sich die Wahlkreis-Bewerber für das neue Parlament als gute Vertreter ihrer Parteien. Für die Besucher bleibt die Schwierigkeit der im Vergleich zu früheren Wahlen großen Schnittmengen bei den einzelnen Themen. Gut möglich, dass deshalb am Ende bei der Entscheidung der Wähler der persönliche Eindruck der Kandidaten den Ausschlag geben wird. Und da immerhin hat die Runde einige Klarheit gebracht.

Andreas Jung (CDU): „Fortsetzen“ ist eines der von ihm am meisten geäußerten Worte.
Andreas Jung (CDU): „Fortsetzen“ ist eines der von ihm am meisten geäußerten Worte. | Bild: Oliver Hanser

Man nehme zum Beispiel Andreas Jung. Seit 16 Jahren vertritt der CDU-Abgeordnete Wahlkreis Konstanz im Bundestag und gehört somit zum Gefolge der ebenso lang amtierenden Bundeskanzlerin. „Fortsetzen“ zählte in seinen Beiträgen logischerweise zu seinen am meisten benutzten Worten – etwa beim Klimaschutz und der Mobilitätswende.

Sebastian Lederer (Bündnis 90/Die Grünen): Je nach Themengebiet gibt es große Schnittmengen mit anderen Parteien und Kandidaten.
Sebastian Lederer (Bündnis 90/Die Grünen): Je nach Themengebiet gibt es große Schnittmengen mit anderen Parteien und Kandidaten. | Bild: Oliver Hanser

Im Streitgespräch mit dem Grünen-Kandidaten Sebastian Lederer verwies der Parlamentarier auf die von seiner Partei und ihm persönlich bewirkten Planungs- und Finanzierungsvoraussetzungen beim Ausbau der Gäubahn Singen/Stuttgart. Sebastian Lederer punktete dagegen mit dem Hinweis auf die lange Vorbereitungszeit, was für ihn auf ein strukturelles Problem der vergangenen 16 Jahre deutet. Das Bundesverkehrsministerium habe in dieser Zeit den Schwerpunkt der Investitionspolitik auf die Straße statt auf die Schiene gelegt, was im Ergebnis zur Verschleppung der Mobilitätswende geführt habe.

Konkurrent? Oder doch eher Koalitionär?

Das Diskussionskonzept der Moderatoren Jörg-Peter Rau aus der SÜDKURIER-Chefredaktion und Anna-Maria Schneider aus der Lokalredaktion Radolfzell verdeutlichte dabei den hohen Grad an politischer Gemeinsamkeit zwischen dem CDU-Politiker und dem Kandidaten der Grünen. Jörg-Peter Rau bemerkte dazu ebenso treffend wie launig, dass das Streitgespräch zwischen den Konkurrenten (in der Bundespolitik) und den Koalitionären (in der Landespolitik) für die Besucher im Konzil und die Nutzer der Internet-Übertragung durchaus seinen eigenen pikanten Reiz habe.

Sibylle Röth (Die Linke): Darf‘s bei der Steuer ein bisschen mehr sein?
Sibylle Röth (Die Linke): Darf‘s bei der Steuer ein bisschen mehr sein? | Bild: Oliver Hanser

Im Zwiegespräch zwischen Ann-Veruschka Jurisch (FDP) in Sibylle Röth von den Linken gab es weniger Gemeinsamkeiten, allerdings verfolgen auch sie die gleichen Ziele. Der Unterschied liegt in der Vorgehensweise: Während die Kandidatin der Liberalen zur Finanzierung der Klimaschutzvorgaben für einen festen Rahmen für die Wirtschaft plädiert, der den Unternehmen Anreize und Freiheiten für den Strukturwandel bietet, ist für die Kandidatin der Linken keine Zeit für diffuse Vorgaben – sie sieht den Staat in der Pflicht für ein Konzept aus einem Guss. Auch dieses hat aber mit realsozialistischen Maßstäben alter Schule wenig zu tun, da laut Sibylle Röth beispielsweise nur die oberen zehn Prozent der Einkommen mit spürbaren Mehrsteuer zu rechnen hätten. Die Grenze liegt nach Vorstellung der Linken bei einem Jahreseinkommen von 120.000 Euro pro Haushalt.

Ann-Veruschka Jurisch (FDP): Die Kandidatin der Liberalen will einen klaren Rahmen für die Wirtschaft – und befürchtet zugleich zu ...
Ann-Veruschka Jurisch (FDP): Die Kandidatin der Liberalen will einen klaren Rahmen für die Wirtschaft – und befürchtet zugleich zu große Beschränkungen. | Bild: Oliver Hanser

Im dritten Streitgespräch zwischen Lina Seitzl (SPD) und Michael Andreas Hug (AfD) war dann endgültig Schluss mit dem Konsens. Der Kandidat der AfD bekam dabei von den Moderatoren die Gelegenheit zur Erläuterung des Parteislogans „Deutschland. Aber normal“. „Erklären Sie uns doch bitte, was an Ihrer Mitbewerberin Lina Seitzl nicht normal ist“, fragte Jörg-Peter Rau den Bewerber der AfD.

Michael Hug (AfD): Konsens mit ihm? Dafür gibt es in der Wahlarena keine Anzeichen.
Michael Hug (AfD): Konsens mit ihm? Dafür gibt es in der Wahlarena keine Anzeichen. | Bild: Oliver Hanser

Michael Andreas Hug nannte als Beispiel die „Vergewaltigung der deutschen Sprache“ durch die „Auferlegung einer Gendersprache“, die von der großen Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt werde. Zudem ist er überzeugt, dass „bestimmte Wahrheiten“ hierzulande nicht mehr gesagt werden könnten, ohne dabei in den Verdacht eines Nazis oder Rassisten zu geraten und verwies dazu auf islamistisch motivierte Gräueltaten. Er brachte dies in einen nicht näher erläuterten Zusammenhang des früheren Bundespräsidenten Christian Wulf, wonach der Islam zu Deutschland gehöre.

Lina Seitzl (SPD): Sie zeigt klare Kante gegenüber dem Mitbewerber von AfD.
Lina Seitzl (SPD): Sie zeigt klare Kante gegenüber dem Mitbewerber von AfD. | Bild: Oliver Hanser

Für ihre Erwiderung erntete Lina Seitzl Applaus. Es gebe in Deutschland keine Vorschrift zur Anwendung einer Gendersprache, sondern eine Diskussion über zeitgemäße Ausdrucksweisen, bei der die Entscheidung jedem Einzelnen überlassen bleibe. Den Ausführungen zum Islamismus setzte die SPD-Kandidatin ihr Menschenbild entgegen: Es sei vom Respekt gegenüber der Lebensleistung von Menschen geprägt, die sie unabhängig von religiöser Zugehörigkeit oder etwa sexueller Ausrichtung bewerte.

Vom Ausloten der Grenzen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden waren auch die weiteren Module der Wahlarena charakterisiert, wobei die Kandidaten sich gezielt gegenseitig Fragen stellen konnten, sich in einer Runde mit einem klaren Nein oder Ja zu aktuellen Themen äußern sollten oder in aller Kürze zu Fragen aus dem Publikum Stellung zu beziehen hatten. Im Ergebnis glichen diese Runden jener der Rededuelle: Eine eindeutige Lagerbildung ist nicht zu erkennen, das politische Farbenspiel macht viele Koalitionen denkbar. Einzige Ausnahme ist die AfD. Mit ihr will keiner.