Seit 33 Jahren ist er der Firma treu. Hat mit 17 Jahren dort angefangen. Bei ihr gearbeitet, als sie AEG hieß, Siemens, jetzt Körber. Hat Sonderschichten geschoben, weil noch schnell eine gigantische Maschine fertig gebaut werden musste. Und hat gehofft, dass das eine Sache fürs Leben ist, dass er hier in den Ruhestand gehen kann. Jetzt ist Roland Mendzigall 50 und muss wahrscheinlich gehen. Weil das, was er leistet, in Portugal oder anderswo billiger zu bekommen ist – angeblich.

Sie arbeiten gerne in der Produktion von Körber, haben jetzt aber große Angst um ihre Jobs: Uwe Über, Roland Mendzigall, Christian ...
Sie arbeiten gerne in der Produktion von Körber, haben jetzt aber große Angst um ihre Jobs: Uwe Über, Roland Mendzigall, Christian Schatz, Sven Epp, Jürgen Renner, Khalid Hussein und Ilja Logunov (von links). | Bild: Rau, Jörg-Peter

Uwe Lüber ist sogar schon 40 Jahre dabei. „Ich habe hier einen guten Arbeitsplatz“, sagt er. Hinter ihm ist eine riesige Halle, die als eine der modernsten Fabriken ihrer Art mindestens in ganz Europa gilt. Hier baut er Briefsortieranlagen zusammen, die zigtausende Sendungen pro Stunde auseinanderklamüsern kann. Wenn, ja wenn denn Arbeit da ist. Die Fabrik ist nicht voll ausgelastet, das sagen auch die, die ganz nah dran sind. Einen Grund, sie zu schließen, sehen die darin nicht. Ganz im Gegenteil.

Körber-Mitarbeiter kämpfen um ihre Jobs Video: Rau, Jörg-Peter

Es ist eine „Jetzt erst recht“-Stimmung, die in dieser heißen Mittagspause am Dienstag, 9. Juli, über der Zufahrt zum Körber-Werksgelände in der Konstanzer Lilienthalstraße liegt. Körber, das ist der Konzern, der das Geschäft mit Brief- und Paketsortiermaschinen von Siemens übernommen hat. Das war mit großen Hoffnungen verbunden, sagt Vera Seidel, die Betriebsratsvorsitzende von Siemens Logistics.

Sie hat die Siemensianer beneidet, die zum Stiftungsunternehmen Körber wechseln konnten. Heute weiß sie, dass die Ex-Kollegen ...
Sie hat die Siemensianer beneidet, die zum Stiftungsunternehmen Körber wechseln konnten. Heute weiß sie, dass die Ex-Kollegen Solidarität brauchen: Vera Seidel, Vorsitzende des Konstanzer Siemens-Betriebsrats. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Als bekannt wurde, dass das Stiftungsunternehmen Körber das schwierige Geschäft mit Briefen und Paketen übernehmen würde, waren die, die bei Siemens blieben, neidisch, sagt Vera Seidel an ihre früheren Kolleginnen und Kollegen gewandt: „Wir dachten, Ihr hab es hinter Euch“. Und jetzt das. Aus für die Produktion in Konstanz, mit Auswirkungen auf viele andere Abteilungen. Der Körber-Konzern, zu dem der Bereich Supply Chain (Lieferkette) gehört, betont, nichts sei entschieden.

Die rund 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Rentner – immerhin etwa die halbe Belegschaft, wenn niemand im Urlaub wäre – vertrauen dem nur bedingt. Der örtliche Betriebsratsvorsitzende Uwe Wiedenbach erinnert daran, dass einer der Körber-Gründer den Grundsatz „Mensch vor Marge“ geprägt habe. Und er befürchtet: Ein Aus für die Produktion in Konstanz wäre der Anfang vom Ende für Körber in Konstanz.

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Protest auch aus der Politik

Über solche Szenarien spricht in der Protest-Mittagspause Andreas Jung nicht, sondern dreht den Spieß um. Der CDU-Bundestagsabgeordnete, der zusammen mit Stadtrat Roger Tscheulin tapfer die Fahne der Politik hochhält (auch wenn sie nicht das hier sonst allgegenwärtige IG-Metall-Rot hat), spricht von einem „exzellenten Standort“, der es wert sei, erhalten zu werden. „Wir nehmen die Unternehmenssprecherin beim Wort“, sagt er mit Bezug auf den SÜDKURIER-Bericht über den drohenden Stellenabbau. Sie hatte betont, Körber werde Konstanz nicht aufgeben – aber geplante Stellenstreichungen ohne konkrete Zahl bestätigt.

Sie alle kämpfen für den Erhalt von Arbeitsplätzen in Konstanz: Vera Seidel vom Siemens-Betriebsrat, Uwe Wiedenbach und Marc-Peter ...
Sie alle kämpfen für den Erhalt von Arbeitsplätzen in Konstanz: Vera Seidel vom Siemens-Betriebsrat, Uwe Wiedenbach und Marc-Peter Schambach vom Körber-Betriebsrat, CDU-Bundestagsabgeordneter Andreas Jung, CDU-Stadtrat Roger Tscheulin und Christina Stobwasser von der Industriegewerkschaft Metall in Singen. | Bild: Rau, Jörg-Peter

150 Arbeitsplätze stehen auf der Kippe, sagt Betriebsrat Marc-Peter Schambach. Er fordert ein klares Bekenntnis zum Erhalt von Standort, Arbeitsplätzen und Arbeitsbedingungen, inklusive Tarifbindung. Die Belegschaft stehe bereit, den Konstanzer Betrieb „wieder auf Kurs“ zu bringen. Die Aussage des Managements, „in Portugal geht das besser“ könne er nicht so recht glauben.

Sie hat Angst vor einem scheibchenweisen Stellenabbau bei Körber: IG-Metall-Vertrauensfrau Petra Bellmann.
Sie hat Angst vor einem scheibchenweisen Stellenabbau bei Körber: IG-Metall-Vertrauensfrau Petra Bellmann. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Wie ernst es ist, das zeigt laut Christina Stobwasser von der IG Metall Singen sowie Vertrauensfrau Petra Bellmann nicht nur die große Beteiligung an der aktiven Mittagspause. Auch Volker Schmitz hat sich noch einmal auf den Weg gemacht. Er war über viele schwierige Jahre hinweg Betriebsratsvorsitzender bei Siemens in Konstanz – einem Unternehmen, das einmal mehr als 1200 Mitarbeiter hatte. Auch er tritt noch einmal vor seinen früheren Kollegen ans Mikrofon. Schmitz berichtet, wie 1998 die Fertigung „schon einmal vor dem Aus“ gestanden sei und dann in einer Gemeinschaftsaktion gerettet wurde. Und jetzt „das gleiche Spiel wieder“, sagt er bitter. Es könnte ihm egal sein, er ist seit drei Jahren in Ruhestand. Aber er kennt seine Leute und macht ihnen Mut: „Ihr habt genug Ideen“.

Er unterstützt seine früheren Kollegen auch aus dem Ruhestand heraus noch: Volker Schmitz, früherer Betriebsratsvorsitzender bei Siemens ...
Er unterstützt seine früheren Kollegen auch aus dem Ruhestand heraus noch: Volker Schmitz, früherer Betriebsratsvorsitzender bei Siemens in Konstanz. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Roland Mendzigall, Uwe Lüber und ihre Kollegen aus der Produktion würden gerne daran glauben, dass sie doch noch gebraucht werden, mit ihrer über Jahrzehnte erworbenen Erfahrung in der Montage von extrem komplexen Briefsortiermaschinen. Doch sie bemerken auch Endzeitstimmung. Schon lange hätten sie keinen Auszubildenden mehr im Produktionswerk gehabt, sagen sie. Und auch wenn sie selbst bei all den vorigen Stellenabbau-Wellen – allein in der Produktion arbeiteten einst bis zu 400 Menschen, heute sind es unter 100 – davonkamen, verlieren sie langsam die Hoffnung. „Dieses Mal“, so ihre düstere Prognose, „kommen wir nicht davon.“