Vor zwei Jahren wurden sie als Retter gefeiert: Körber übernahm die Post- und Briefsparte von Siemens und sollte einige der letzten industriellen Arbeitsplätze der Stadt erhalten. Gerade einmal 24 Monate später wird das Werkstor von Körber zum Schauplatz einer Kundgebung von Menschen, die verzweifelt um Arbeitsplätze kämpfen. Dazu ruft unter anderem der Betriebsrat aktive und ehemalige Mitarbeiter für Dienstag, 9. Juli, 12.30 Uhr auf.
Die Demonstranten gehen nach Informationen des SÜDKURIER gegen die Pläne des Unternehmens Körber Supply Chain auf die Straße, die Produktion am Standort Konstanz zu schließen. Davon wären rund 100 Arbeitsplätze betroffen, heißt es in einem Aufruf von IG Metall und Körber-Betriebsrat, der auch dem SÜDKURIER vorliegt. Wörtlich heißt es darin: „Die Körber Supply Chain Logistics plant, radikal Arbeitsplätze abzubauen und Abteilungen komplett ins Ausland zu verlagern.“ Demnach sei auch nicht gesichert, dass der Standort, an dem noch 500 weitere Menschen beschäftigt sind, überhaupt weitergeführt werde. Eine entsprechende Garantie habe Körber nicht abgegeben.
Dem entgegnet auf Anfrage des SÜDKURIER Unternehmenssprecherin Natalie Lemke, der Standort Konstanz stehe auch als Zentrale des Bereichs Supply Chain (Lieferkette) stehe „nicht zur Debatte“. Körber habe sich bewusst dafür entschieden. Zu einer Größenordnung des Stellenabbaus machte sie zunächst keine Angaben, auch nicht dazu, ob Entlassungen geplant sind. Sie räumt aber auch ein: „Wir prüfen im Austausch mit allen Beteiligten verschiedene Optionen, um unsere Wettbewerbsfähigkeit und Marktposition nachhaltig zu stärken. Dazu zählen auch Überlegungen für ein Effizienzprogramm und eine mögliche Verlagerung der Fertigung.“
Körber hatte einen Teil von Siemens Logistics vor zwei Jahren für seinen Bereich Supply Chain übernommen. Damals herrschte vor allem Erleichterung. Inzwischen ist die Angst offenbar groß: Am Werkstor ist nur zu hören, man sei in Sorge, könne aber sonst nichts sagen.
Frederic Striegler, im Bezirk Friedrichshafen/Singen Zweiter Bevollmächtigte und damit stellvertretender Geschäftsführer der IG Metall, bestätigt, dass auch die Gewerkschaft den Demonstrationsaufruf teilt. „Wir werden nicht wegsehen und bis zuletzt um jeden einzelnen Arbeitsplatz kämpfen“, kündigt Striegler an. Körber stehe in der Verantwortung, und daran werde man den Konzern erinnern. Körber-Sprecherin Lemke erklärt: „Wir sind im engen Austausch mit den Arbeitnehmervertretern und suchen aktiv nach zukunftsorientierten Lösungen für unsere Mitarbeitenden.“ Betroffene unterstütze Körber wo möglich mit Job-Alternativen und einem Altersteilzeitprogramm.
Gewerkschaft fürchtet um den Standort
Striegler bestätigt auch, dass die Sorge um einen der größten verbliebenen Arbeitgeber über den Erhalt der Produktion weit hinausgeht. Es gebe keinerlei Standortgarantie, heißt es im Demo-Aufruf. Wenn die Produktion und die direkt damit verbundenen Arbeitsplätze wegfallen, sei die Bindung von Körber an den Standort Konstanz deutlich geringer, so die Befürchtung. Bisher hat der Geschäftsbereich hier seinen Hauptsitz, er war 2022 nach der Teil-Übernahme von Siemens von Bad Nauheim (Hessen) an den Bodensee verlagert worden. Laut der Körber-Sprecherin soll sich daran auch in herausforderdenden Zeiten nichts ändern.
Körber hat sich in einem der früheren Nycomed-Neubauten in der Lilienthalstraße eingemietet. Die Produktionshalle um die Ecke war noch unter der Regie von Siemens gebaut worden. Die Verlagerung an den Rand des Flugplatzes war die Voraussetzung, dass auf dem bisherigen Siemens-Areal (zuvor AEG, Telefunken, CGK) neuer Wohn- und Gewerberaum entstehen kann. Was aus dem riesigen, U-förmigen Montagegebäude werden soll, ist unklar.

Für Konstanz wäre ein Arbeitsplatzabbau bei Körber das nächste Glied in einer langen Kette von Einschnitten im Bereich der Postautomatisierung. Einst beschäftigte Siemens hier über 1700 Mitarbeiter, die für den Weltmarkt Briefsortieranlagen entwickelten, herstellten, verkauften und installierten. Nach mehreren Versuchen, den Bereich zu verkaufen, führte Siemens ihn selbst weiter, erweitert um die Sparten Paket und Fluggepäck.
2022 erfolgte dann die Teilung: Siemens behielt den Flughafenlogistik-Bereich und führt diesen am Standort Konstanz erfolgreich fort. Der Hamburger Unternehmen Körber, das ebenfalls auf dem Brief- und Paketsortierbereich aktiv war, übernahm den anderen Teil von Siemens. Im Gewerbepark „Campus“ an der Lilienthalstraße sind beide Unternehmen in benachbarten Gebäuden untergebracht.
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