Der Rest Hoffnung für Gastronomen und Hoteliers hat sich aufgelöst. Während kleinere Geschäfte nächste Woche wieder öffnen dürfen, müssen Restaurants und Cafés mindestens zwei weitere Wochen geschlossen bleiben. Hotels dürfen keine Touristen beherbergen. Dies entschieden die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der Länder am Mittwoch.
Was sagt die Gaststätten- und Hotelbranche zur aktuellen Situation?
Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga akzeptierte die seit Mitte März geltenden Einschränkungen zum Wohle der Gesundheit und will das auch weiter tun, wie einem Positionspapier zu entnehmen ist. Aber nur solange die Maßnahmen unbedingt notwendig seien und unter der Voraussetzung, dass der Staat mit Entschädigungen aushelfe.

Die bisherigen Maßnahmen seien laut Ines Kleiner „bei weitem nicht ausreichend“. Sie leitet beim Dehoga die Geschäftsstelle Konstanz. Eine Umfrage der Verbandsmitglieder habe ergeben, dass der Bedarf fürs finanzielle Überleben rund viermal höher als die maximale Soforthilfe sei – über alle Betriebsgrößen hinweg.
„Es wird mindestens drei Jahre dauern wird, bis das Ganze wieder im Lot ist“
Noch lägen Kleiner keine Meldungen über Insolvenzen vor. „Es gibt aber entsprechende Befürchtungen. Etliche Betriebsinhaber berichten, dass sie nur noch wenige Wochen durchhalten können“, sagt sie. Manfred Hölzl, bis Ende 2020 Pächter des Konstanzer Konzils und Vorstandsmitglied im Dehoga-Kreisverband, bestätigt: Wer mit einem blauen Auge aus dieser Krise herauskomme, müsse sich darauf einstellen, „dass es mindestens drei Jahre dauern wird, bis das Ganze wieder im Lot ist, vorausgesetzt, es kommt nicht Weiteres dazwischen“.

Der seit Ostern im Konzil angelaufene und von zahlreichen anderen Restaurants in Konstanz ebenfalls praktizierte Abhol- und Lieferservice fängt laut Hölzl höchstens zehn Prozent des weggebrochenen Umsatzes auf. Veranstaltungen sind im Konzil gar nicht mehr möglich.
Einige in der Branche werden das Jahr 2020 finanziell wohl nicht überleben
Ein Charakteristikum der Bodenseeregion werde nun zum echten Problem. „Wir sind hier überwiegend saisonorientiert und haben gerade das Winterloch hinter uns“, meint Manfred Hölzl. Normalerweise stünden Restaurant- und Café-Betreiber ab dem Frühjahr in den Startlöchern, um die Kassen zu füllen.
Das Ostergeschäft fiel nun bereits weg und damit zeichne sich „ein ungenügendes Polster für den nächsten Winter ab, was sich auf die gesamte Tourismusbranche hier am Bodensee auswirken wird“, fasst der Konzil-Pächter zusammen. Müssen einige also damit rechnen, das Jahr finanziell nicht zu überleben? Dehoga-Geschäftsführerin Ines Kleiner zeichnet ein düsteres Bild: „Damit ist bei Fortdauer der Einschränkungen leider zu rechnen.“
Die Restaurantbetreiberin sagt: „Ich hänge wirklich in der Luft.“

Sieht es in allen Branchen so düster aus?
Von solchen Befürchtungen sind die örtlichen Handwerker weit entfernt. „Die mehr als 900 Handwerksbetriebe in Konstanz, Allensbach und auf der Reichenau halten bislang durch,“ berichtet Dennis Schäuble, Leiter des Unternehmensservice bei der Handwerkskammer Konstanz.
Dennoch lassen sich auch für die in den vergangenen Jahren mit dicken Auftragsbüchern ausgestatteten Handwerker die Folgen der Krise nicht leugnen. Eine Umfrage ihres Zentralverbands habe ergeben: Rund drei Viertel klagen über einen Umsatzrückgang, durchschnittlich liege dieser bei 55 Prozent.
Handwerkskammer mit schrittweiser Lockerung zufrieden
Dennis Schäuble erklärt: „Am gravierendsten sind die Einbußen derzeit für Dienstleister wie Friseure, die ganz schließen mussten.“ Sie sollen ihre Salons ab 4. Mai unter strenger Beachtung von Hygieneregeln wieder öffnen dürfen. Ähnlich prekär sieht es laut Schäuble im Bereich Gesundheitshandwerk aus. So dürften beispielsweise Augenoptiker oder Zahntechniker arbeiten, „aber man hat kaum Kundschaft“, sagt er.
Die Handwerkskammer sei erleichtert über die am Mittwoch beschlossenen schrittweisen Lockerungen. „Die Politik hat sich sehr umsichtig und verantwortungsvoll gezeigt“, meint der Leiter des Unternehmensservice.
Der Handwerker sagt: „Wissen nicht, wie stark es uns trifft.“

Thomas Dietenmeier ist es „in den ersten zwei Wochen schon anders geworden“. Schlimm sei vor allem die Unsicherheit gewesen, bekennt der Co-Geschäftsführer von Dietenmeier + Harsch Haustechnik: „Es wusste ja keiner, was passiert. Die ersten Tage waren wir damit beschäftigt, den Betrieb umzuorganisieren.“ Zwei Drittel der Mitarbeiter seien im Homeoffice. Die übrigen arbeiteten unter Berücksichtigung der Hygienevorschriften und weiteren Schutzmaßnahmen weiter. Die Arbeitszeiten seien angepasst worden, damit die Kollegen sich kaum begegnen. „Punkt für Punkt haben wir Lösungen gefunden“, sagt Thomas Dietenmeier, „wir versuchen weitestgehend Kurzarbeit zu vermeiden, denn unsere Mitarbeiter brauchen ihren Lohn.“. Die Firma, die auf Sanierung, Kundendienst und Reparaturen spezialisiert ist, habe aktuell weniger Aufträge, weil Kunden diese stornieren oder verschieben. „Das ist verständlich“, findet Dietenmeier. Auch die sonst in Privathaushalten vorgeschriebene Trinkwasserbeprobung wurde durch das Gesundheitsamt ausgesetzt. „Wir wissen nicht, wie stark es uns trifft. Man kann nicht kalkulieren“, sagt er. Als Mitglied des Konstanzer Handwerkerkreises bedauere er, dass der Handwerkertag im Mai, eine Berufsorientierung für Schüler, abgesagt wurde. Dieser Tag sei wichtig für die Nachwuchsgewinnung. „Sonst haben wir immer wöchentlich Praktikanten, jetzt gar keinen“, sagt Thomas Dietenmeier, „und ich hätte noch zwei Azubi-Stellen zu besetzen.“ Trotz aller Ungewissheit ergänzt der Handwerker: „Wir nehmen die Herausforderungen an und werden sie meistern.“ (as)
Die Händler atmen leicht auf
Positiv aufgeregt reagieren die meisten Händler in Konstanz auf die Erlaubnis zur Wiedereröffnung. Wenn sie nicht zum kleinen der Teil der Inhaber von Geschäften mit Verkaufsflächen über 800 Quadratmeter zählen, gilt für sie ab Montag: Türen auf.

Der Einschätzung von Utz Geiselhart folgend, ist diese Maßnahme dringend notwendig. So sagt der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Südbaden mit Sitz in der Oberen Laube auf Anfrage: „Leider wird es auch in Konstanz Fälle geben, bei denen die Firmen die Liquidität nicht sicherstellen können“, zum Beispiel, weil die Soforthilfen nicht ausreichen oder Kredite nicht gewährt würden.
Besonders betroffen seien einerseits junge Unternehmer, die Investitionen noch nicht abbezahlt haben, oder Anbieter von Saisonware. Diese wird laut Geiselhart zwischen Februar und April geliefert. „Sie muss bezahlt werden, obwohl keine oder kaum Umsätze erzielt werden können.“
Der Geschäftsinhaber sagt: „Drei Stunden Arbeit am Tag.“

Anzahl der Meldungen für Kurzarbeit 25 Mal höher als im Februar
Es ist noch zu früh, um beziffern zu können, wie sich die Wochen und Monate im Krisenmodus auf die Wirtschaft in und um Konstanz auswirken wird. Erste Details liefern wird die Ende April vorliegende aktualisierte Arbeitsmarktstatistik für die Region. Dass die Corona-Krise tiefe Einschnitte erzeugt, steht dagegen fest.
Um zu dieser Einschätzung zu gelangen, reicht bereits eine kleine Meldung der Agentur für Arbeit Konstanz-Ravensburg: Vom 23. März bis heute haben circa 5600 Betriebe in ihrem Gebiet Kurzarbeit angezeigt – im gesamten Monat Februar waren es 210.