Holidaycheck, das Reiseportal, das auf eine Konstanzer Gründung zurückgeht, hat es hart getroffen. Das Ferienportal wird 100 Arbeitsstellen streichen, 50 von aktuell 250 direkt am Standort Kreuzlingen/Bottighofen. Betroffen sind aber auch die Standorte München sowie Warschau und Poznan in Polen, wie Ulrike Mittereder, Public Relations Managerin von Holidaycheck, auf Anfrage berichtet. Die betroffenen Mitarbeiter würden nun vom Unternehmen mit allen verfügbaren Ressourcen unterstützt, um den Ausstieg so sozialverträglich wie möglich zu gestalten.

Unternehmen mit Wurzeln in Konstanz

Das Portal hat seine Wurzeln in Konstanz. 1999 legten Konstanzer Studenten eine Domain an, auf der man Hotels bewerten konnte – als Orientierung für andere. 2003 berichtete dann ein Privatsender über das Portal, was die Studenten zur Unternehmensgründung anregte. Heute gehört das Portal zur Holidaycheck Group und hat an mehreren Standorten mehr als 300 Mitarbeiter. Wie kommt es zu der drastischen unternehmerischen Notbremse?

Herber Rückgang der Nachfrage an Urlaubsreisen

Als Grund nennt Ulrike Mittereder den starken Rückgang bei der Nachfrage nach Urlaubsreisen in der Folge der Corona-Pandemie. „Dies führte zu einem erheblichen Umsatz- und Ergebniseinbruch bei der HolidayCheck Group AG sowie in der gesamten Reisebranche. Um die Liquidität des Unternehmens zu schonen, wurden in den zurückliegenden Monaten umfassende Einsparmaßnahmen in allen Kostenbereichen in die Wege geleitet“, schreibt Mittereder weiter.

Die Reisebranche kommt in dieser Krise nur schwer zur wirtschaftlichen Erholung. Auch die Inhaber von Konstanzer Reisebüros berichten von harten Bedingungen.

„Die ersten acht Wochen waren die schlimmsten“, erinnert sich Susanne Thieser, Inhaberin von Ideal Reisen an der Unteren Laube. Das war die Zeit des Lockdowns. „Zuerst waren die finanziellen Verhältnisse völlig ungeklärt“, sagt sie. Dann sei immerhin klar gewesen, dass auch Reisebüros die Soforthilfe von 9000 Euro beantragen können.

Kurze Erholungsphase, dann wieder Einbruch

„Diese staatlichen Hilfen helfen sehr viel, auch die Überbrückungshilfe“, sagt Thieser. Im Juni sei es dann aufwärts gegangen: „Die Leute wollten einfach wieder buchen“, so die Unternehmerin. Ab Juli aber stiegen die Corona-Fallzahlen wieder – und seitdem halten sich die Urlaubswilligen erneut zurück. Viele buchten Reisen nach Spanien um. „Wir stornieren immer noch mehr als wir buchen – nein, Spaß macht das keinen.“ Was ihr wichtig ist – und das klingt bei allen Kollegen an: Die Reisebüros seien dennoch für die Kunden zur Beratung da, zur Hilfe bei der Umbuchung. Kundenbindung funktioniere nicht übers Internet.

Auch Schweizer Kunden stornieren eher als zu buchen

Claus Braunschweig, Geschäftsführer bei Ticket-Shop Konstanz, bestätigt diese Entwicklung weitgehend. „Nach einer anfänglichen Besserung und Euphorie flachte das Geschäft wieder ab“, sagt er. Der Ticket-Shop sei wie andere Reisebüros in Konstanz stark auf den Schweizer Markt orientiert. Dieser sei im Moment aber noch schwieriger als der deutsche. Vor allem passten beide schlecht zusammen. Das Schweizer Außenministerium gebe andere Reisewarnungen heraus als Deutschland.

Claus Braunschweig, Geschäftsführer des Ticket-Shops, in seinem Büro.
Claus Braunschweig, Geschäftsführer des Ticket-Shops, in seinem Büro. | Bild: Ticketshop

Auch solche Vorgänge sind frustrierend: „Einer unserer Kunden wollte im August nach Thailand. Jede Woche hat Lufthansa den Flug wieder abgesagt und um eine Woche verschoben. Irgendwann hat der Kunde aufgegeben und die Reise auf Januar 2021 verschoben.“ Braunschweig bleibt dennoch optimistisch: Wer ordentlich gewirtschaftet habe, werde die Krise auch überstehen, ist seine Überzeugung. Eine klare Perspektive, wann es wieder aufwärts geht, gebe es jedoch nicht. Die Lufthansa etwa rechne erst 2024 damit, das Vor-Krisen-Niveau zu erreichen.

„Jetzt bin ich Einzelkämpfer“

Iris Spicker-Hizli betreibt das City-Reisebüro in der Innenstadt, inzwischen allein, ihre Mitarbeiterin habe sie entlassen müssen. Auch eine Auszubildende, die ihre Lehre im Juli abschloss, konnte sie nicht übernehmen. „Jetzt bin ich halt Einzelkämpfer“, sagt Spicker-Hizli gelassen.

Neubuchungen ersetzen die Ausfallgeschäfte nicht

Ähnlich wie Thieser habe sie die Soforthilfe erhalten, die Überbrückungshilfe beantragt. Seit Februar gebe es hauptsächlich Stornierungen zu bearbeiten, die machten viel Arbeit, brächten aber kein Geld. „Die Neubuchungen sind minimal, sie ersetzen auch nicht die Reisen, die wegfallen“, erläutert die Büroleiterin. Habe ein Kunde etwa eine Fernreise für 30.000 Euro gebucht und ersetze diese nun wegen der Pandemie durch eine europäische Reise für 5000 Euro, so bleibe davon kaum Umsatz fürs Reisebüro übrig.

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Spicker-Hizli spricht Klartext: Realistisch sei ein Szenario, nach dem den Reisebüros in absehbarer Zukunft 30 bis 40 Prozent dessen bleibt, was das Jahr 2019 an Umsatz gebracht hat. Bestimmend werde das Umfeld sein, also etwa die Insolvenzen von Fluggesellschaften oder Reedereien, die noch niemand absehen könne.

Inhaberin denkt über Standortwechsel nach

Wie richtet sie sich selbst darauf ein? Spicker-Hizli will in jedem Fall weiter für ihre Stammkunden da sein – doch an welchem Ort, das bleibt momentan offen. Die Miete für die Lage in der Innenstadt werde sie möglicherweise nicht mehr lang zahlen können und wollen. Dass die Krise der Reisebranche noch eine Weile andauern werde, damit rechnet auch Spicker-Hizli. Ähnlich wie Braunschweig rechnet sie eher mit einer Erholung ab 2024. Ein Impfstoff werde der Branche nur bedingt helfen, entscheidend sei, wie viele und welche Insolvenzen es bei bedeutenden Fluggesellschaften und Reiseanbietern gebe.