Noch ist es ruhig in der Zeltstadt, kurz vor zwölf Uhr mittags. Die meisten Bewohner der Notunterkunft sind gerade unterwegs, bei ihrem Deutschkurs oder bei der Arbeit. Nur ein paar Menschen zeigen sich im Vorzelt, bereiten Mittagessen in der großen Gemeinschaftsküche zu, bis zu zwölf Kochfelder stehen hier in einer Reihe.
Im Wohnbereich gehen diese Dimensionen weiter: Eine Sperrholzwand reiht sich an die andere, Metall-Stockbetten sind der einzige private Rückzugsort, nach oben, bis zum weißen Zeltdach, ist alles offen. Zimmerdecken sucht man hier vergeblich. Wirkliche Ruhe kehrt so nie ein: Die Stimmen aus den Nachbarzimmern und vom Flur dringen in den Raum, dazu das immerwährende Surren der Ventilatoren.
Gerade kommt Muhammad, ein Bewohner der Unterkunft, mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen an, einer davon sitzt noch im Kinderwagen. Seit über einem Jahr wohnt der Familienvater hier: Als Erwachsener gehe diese Unterkunft noch in Ordnung, erzählt er, doch besonders für seine Kinder sei es schwierig hier.
„Wir brauchen diese Kapazitäten“
Muhammad ist einer von 141 geflüchteten Menschen, die in der Notunterkunft an der Konstanzer Claude-Dornier-Straße wohnen. Seinen vollen Namen möchte er preisgeben. Im Mai 2023 zogen die Bewohner von der Notunterkunft auf Klein Venedig auf den ehemaligen Zoll-Parkplatz um. Aus dem Zentrum der Aufmerksamkeit an den Rand von Konstanz, ins Industriegebiet. Doch wie sieht die Situation jetzt aus, rund anderthalb Jahre später? Wie lange geht das Leben in der Leichtbauhalle weiter?
„Es ist lauter, es ist entweder zu warm oder zu kalt, es ist Notunterkunft“, sagt Monika Butz. Die Leiterin des Amts für Migration und Integration im Landratsamt weiß, dass die Bedingungen nicht optimal sind. „Aber wir brauchen diese Kapazitäten“, sagt sie. Der Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine ist zwar schon über zweieinhalb Jahre her, die Flüchtlingszahlen haben sich beruhigt, im Dezember wurden dem Landkreis nur 38 Personen angekündigt.

Doch man habe noch nicht genug Kapazitäten in den regulären Gemeinschaftsunterkünften, der Ausbau verlaufe langsam. Zudem sei eine Prognose der Zahlen für die nächsten Monate schwierig, Butz spricht von einem Blick in die Glaskugel. „Grundsätzlich wollen wir aus Leichtbauhallen raus“, betont sie – doch vorerst bleiben die Bewohner hier.
So wie Muhammad: 2023 ist der Afghane mit seiner vierköpfigen Familie in Deutschland angekommen, seit 14 Monaten lebt er nun in der Claude-Dornier-Straße. Zumindest habe er ein eigenes Zimmer für seine Familie, dennoch beklagt er die schwierige Situation in der Unterkunft: „Das Leben als Familie ist schwierig hier, ich kann meine Kinder nicht einfach spielen lassen.“
Muhammad sorgt sich um seine Kinder
Immer wieder komme es zu Auseinandersetzungen zwischen Bewohnern: „Es ist nicht gut für Kinder, wenn sie diese Konflikte sehen und hören, einmal gab es auch einen Kampf mit Verletzungen.“ Er habe schon versucht, die Unterkunft zu wechseln, doch das habe nicht geklappt. Immerhin: Maximal zwei Jahre lang dürfen Flüchtlinge in einer solchen Notunterkunft bleiben.
„Ich weiß, dass ich hier nur für eine begrenzte Zeit lebe – deshalb geht das für mich in Ordnung“, sagt Hasan Tagaldin. Der 21-jährige Syrer wohnt hier seit über einem Jahr, doch er zeigt sich zufrieden und lobt die Heimleitung. Wie kommt er mit so wenig Privatsphäre zurecht, ohne Decke und mit drei Zimmergenossen? „Mit der Zeit gewöhnt man sich daran, jeder hat hier so seine Ecke“, erklärt Tagaldin. Auch mit den Sanitär- und Kocheinrichtungen gebe es keine Probleme, beim Rundgang des SÜDKURIERS ist die Halle in einem ordentlichen Zustand.


Maximal 225 Menschen können hier leben
„Diese Unterkunft ist schon wesentlich komfortabler als der Vorgänger“, sagt Heimleiter Kevin Paulisch. Das Zelt auf Klein Venedig musste damals schnell her, hier hatte man mehr Zeit zur Vorbereitung: Die Außenwände der Leichtbauhalle sind dicker und beständiger, die Räume großzügiger gestaltet.
Ein Problem sei aber noch immer die Heizungsanlage. „Das ist meine größte Baustelle, gerade wenn es vom Herbst in den Winter geht“, sagt Paulisch, jetzt sei es oft zu kalt, in den warmen Monaten stehe dann die Hitze im Zelt.

Maximal 225 Menschen können hier gleichzeitig leben, aktuell sind somit rund 80 Plätze frei. Für ihre Unterstützung sind drei Mitarbeiterinnen des Sozialen Diensts im Einsatz: „Wir sind unter der Woche immer ansprechbar, das geht von Behördenanträgen bis hin zu privaten Problemen“, sagt Ganna Hölle.

Günstig ist so eine Notunterkunft allerdings nicht: Für die Anmietung der Leichtbauhalle und weiterer Infrastruktur muss der Landkreis pro Monat 124.000 Euro bezahlen, für die Betriebskosten kommen rund 57.000 Euro dazu. Und derzeit ist ungewiss, wie lange diese Zeltstadt hier noch bleibt.